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Meister der Dämmerung: Peter Handke. Eine Biographie

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Handke ganz persönlich – die erste umfassende Biografie

Peter Handke ist einer der umstrittensten und produktivsten Autoren der Gegenwart. Sein Bild in der Öffentlichkeit ist von Extremen geprägt: Hohepriester der Kunst, einsamer Mönch, Serbenfreund. Wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Bildern? Auch sein Leben erscheint als ständige Gratwanderung zwischen Extremen: zwischen Einsamkeit und Liebe, Menschenscheu und Ruhmsucht, Sprache und Politik, Traum und Welt.

Der Journalist und Literaturwissenschaftler Malte Herwig legt die tief ins Leben reichenden Wurzeln dieses Werks bloß wie kein Biograf zuvor. Er führte lange Gespräche mit dem Dichter, dessen Verwandten, Weggefährten und Kontrahenten, und er erhielt Einsicht in Handkes Notizbücher und Korrespondenz. Eine aufschlussreiche und kontroverse Biografie – so kontrovers wie Handke selbst.

416 pages, Perfect Paperback

First published January 1, 2011

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About the author

Malte Herwig

11 books6 followers

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Community Reviews

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Displaying 1 - 2 of 2 reviews
Profile Image for Michael.
1,609 reviews210 followers
February 7, 2017
Schon spannend, wie sich unweigerlich Bezüge zwischen auch sehr unterschiedlichen Büchern herstellen, die man parallel liest. Hier die folgende Passage:

"Selbst der Schriftsteller und Dokumentarfilmer Peter Hamm, später ein guter Freund Handkes, wittert in dessen Werk anfangs nichts als den "neuesten Fall von deutscher Innerlichkeit" und sieht in seinem Erfolg einen "Konsumfaschismus" am Werk. Nicht der Autor Handke sei gefragt, sondern sein Image. Umgehend antwortet Handke, daß er selbst das "Image" des Peter Handke lächerlich finde: Es sei eine fragwürdige Montage, die nichts mit dem wirklichen Peter Handke zu tun habe, sondern nur die vorgefaßten Meinungen des Publikums bestätige. Weil es Handke - wenn schon, denn schon - in solchen Polemiken nicht bei nüchternen Argumenten belassen will, beschimpft er Hamm nebenbei als Vertreter eines "verkommenen Feuilletonismus", "parasitären Mitläufer", "abgelebten Kulturgangster" und bewirft ihn verbal mit "Mäusedreck". Es wird der Beginn einer langen Freundschaft." (158)

Das liest sich flott und amüsant und rührt zugleich an einem Problem, das nach meinem Verständnis im Zentrum des Schreibens des - zumindest jüngeren - Peter Handke steht: wie findet man sich selbst, seine eigene Stimme, wenn die Flut der Zeichen, mit der die Welt uns genau wie mit jeglichem anderen Konsumterror überschüttet, alles eigene, leise zu ersticken droht?
Es liegt auf der Hand: Diese Frage hat nicht nur Handke beschäftigt, sie geht uns alle an (auch wenn man´s nicht glauben mag, wenn man die Nachrichten, Posts und Kommentare auf Facebook sieht; nichts scheint mehr richtig auf dieser Welt, Blödheit, Stumpfsinn und Macht- und Bereicherungswillen omnipräsent), sollte uns beschäftigen, da das Individuum immer bedrohter wird.
Nun aber zu einem Satz aus Marcus Steinwegs Buch Splitter, mit dem die vorzitierte Passage korreliert:

„Der Individualismus – der als kapitalistische Religion auftritt – ist nur als Uniformismus und Konsensualismus zu haben.“

Das zum alsbaldigen Gebrauch bestimmte Konsumgut Bedeutung kommt nicht erst als ferige Redewendung auf den Markt, sondern schon als Wort, ja als Zeichen, zum Beispiel als vielseitig verwendbares stromlinienförmiges Smiley, um unsere Mitteilungen zu korrumpieren.
Da mag die Fachterminologie das Bestreben sein, nicht die Billigware von Hökern wie Aldi zu kaufen, und doch ist der Unterschied nur graduell.
Handke, vor allem Kafka, sind große Konsumverweigerer, die den Individualismus abseits der Uniformität des Fertigprodukts Sprache suchen.

In MEISTER DER DÄMMERUNG begegnet mir Handke nicht nur als Ästhet und Erzähler wider das Vergessen, Herwig zeigt auch den gewalttätigen und übergriffigen Handke, dem seinen Frauen und der Tochter gegenüber schon mal "die Hand ausrutscht" und der sich gerne in einer geselligen Runde ein Opfer herauspickt, dass verbal nach Strich und Faden vernichtet wird, egal ob Freund oder Feind. Handke stellt den Biografen auch vor echte Herausforderungen, wenn es um seine pro-serbische Haltung geht oder um die nicht minder erschreckende Distanzlosigkeiten zu massiver Gewaltausübung, sei es durch die RAF oder durch Amokläufer (wozu Handke vielleicht nur deswegen nicht wurde, weil er das Schreiben als Substitut hatte). Als Jurastudent erwog Handke, Strafverteidiger zu werden, und seine "Sympathien" für Mörder und Täter ziehen sich durch Werk und Leben. Das hat man zur Kenntnis zu nehmen und sich vor Augen zu führen haben, dass man nicht in die Lage kommen wird, mit Handke ein Glas Weißwein zu trinken und sein Freund zu werden. Als Leser geht es mir um das Verständnis seiner Texte, und dafür mag das Wissen um Lebensumstände gelegentlich hilfreich sein. Herwig trägt hier auch vieles zum Verständnis bei, vor allem in der ersten Hälfte des Buches, die Handkes Jugendjahre schildert. Aber der Mitte wird seine Biografie aber auch so manches mal recht journalistisch und seine nervtötenden Apotheosen handkescher Gewaltexzesse sind als Schönfärberei um so verblüffender, als selbst die Opfer übelster Attacken im nachhinein Handke nicht nur verziehen haben, sondern sich sogar "erzogen" fühlten durch den "Meister der Dämmerung". Das gilt nicht nur für seine Frauen, die er im Stile Pygmalions so formte, dass Aussenstehende später berichteten, sie würden nun sprechen, wie Handke schreibe, sondern auch für langjährige Weggefährten und Freunde (falls Handke zu so etwas wie Freundschaft tatsächlich in der Lage ist). Er selbst hat übrigens in dem Regisseur John Ford einen Seelenverwandten gesehen.
Wut und Empfindsamkeit sind Pole, zwischen denen Handke in übersteigertem Maße pendelt, während er seine ethischen Prinzipien mit "unbegreiflicher Radikalität" (Bondy) durchsetzt.

Die Biografie hat Licht- und Schattenseiten, genau so wie die Version Peter Handkes, die Herwig darin entstehen läßt. Teils tiefgründig, teils oberflächlich, ist ihr eines gelungen: Sie hat meine Lust geweckt, viele der Bücher Handkes zu lesen. Und das ist doch das wichtigste.

Profile Image for Bücherangelegenheiten.
189 reviews44 followers
December 6, 2025
Meister der Dämmerung ist eine hervorragende Biografie, die sowohl für Handke Neulinge als auch für Leserinnen und Leser, die sein Werk schon lange begleiten, gleichermaßen lohnend ist. Malte Herwig nähert sich Handke mit großer Genauigkeit und einem beeindruckenden Gespür für die Verbindung von Leben und Schreiben. Er arbeitet oft sehr nah an den Texten, um biografische Bezüge sichtbar zu machen. Eigentlich sollte ich das als ehemaliger Literaturstudent kritisch sehen, denn das Erste, was wir gelernt haben, war immer: Der Text ist nicht der Autor und der Autor nicht der Text. In diesem Fall gelingt Herwig jedoch eine seltene Ausnahme. Seine Parallelsetzungen wirken nicht konstruiert, sondern präzise und nachvollziehbar.

Was diese Biografie besonders stark macht, ist ihr Mut zur Komplettheit. Handke wird nicht geschont. Seine Schattenseiten, die politischen Kontroversen, die problematischen Texte und auch die Vorwürfe häuslicher Gewalt stehen hier ebenso offen im Raum wie seine künstlerischen Erfolge. Herwig holt diese Aspekte aus dem Zwielicht hervor, ohne sie zu relativieren und ohne Handke zu dämonisieren. Dadurch entsteht ein differenziertes Bild, das weder verklärend noch moralisch absolut ist.

Gleichzeitig zeigt das Buch auch den Künstler Handke, für den das Schreiben eine existentielle Notwendigkeit ist. Herwig macht deutlich, wie sehr Handkes Werk aus einer inneren Dringlichkeit entsteht und wie eng Leben und Literatur bei ihm miteinander verwoben sind. Die Biografie vermittelt, was Handke ausmacht und warum sein Werk bis heute so intensiv wirkt.

Meister der Dämmerung ist ein Buch, zu dem ich gern zurückkehre. Es macht Lust, den Handke Kosmos erneut zu betreten und die Texte mit einem neuen Blick zu lesen. Eine klare Empfehlung für alle, die sich für Handke interessieren oder verstehen wollen, wie ein so widersprüchlicher und bedeutender Autor geworden ist, was er ist.
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