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Herumtreiberinnen

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Manja ist 17 Jahre alt und lebt im Leipzig der 1980er Jahre. Ihre beste Freundin Maxie und sie schwänzen die Schule, brechen in Schrebergärten ein und treffen sich im Freibad oder auf dem Rummel mit Jungs, bis Manja im Zimmer des Vertragsarbeiters Manuel von der Volkspolizei erwischt wird und auf die Venerologische Station für Frauen mit Geschlechtskrankheiten kommt.
Eingewoben in den Roman sind auch Erlebnisse von Lilo, die in den 1940er Jahren an diesem Ort festgehalten wurde, da sie mit ihrem Vater für den kommunistischen Widerstand gearbeitet hat, und der Sozialarbeiterin Robin, die in den 2010er Jahren in diesem Haus – nun eine Unterkunft für Geflüchtete – tätig ist.

Der Roman »Herumtreiberinnen« erzählt die Geschichten von drei jungen Frauen aus verschiedenen Zeiten und stellt die Frage, welchen Einfluss diese Zeit und die jeweilige Staatsform auf ihre Leben hatten. Ein Haus in der Leipziger Lerchenstraße ist das verbindende Element der drei Erzählstränge.

272 pages, Hardcover

First published March 8, 2022

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About the author

Bettina Wilpert

12 books9 followers
BETTINA WILPERT, geboren 1989, aufgewachsen bei Altötting. Sie studierte Kulturwissenschaft, Anglistik und Literarisches Schreiben in Potsdam, Berlin und Leipzig. Sie war u.a. Finalistin des 23.Open Mike, Stipendiatin des 20. Klagenfurter Literaturkurses, Artist in Residence auf dem PROSANOVA 2017 und Stipendiatin der Autorenwerkstatt Prosa 2017 des Literarischen Colloquiums Berlin. Veröffentlichungen u. a. in Bella Triste, Metamorphosen, Outside the Box, P.S. Politisch Schreiben und testcard. Sie arbeitet als Trainerin für Deutsch als Fremdsprache und lebt in Leipzig.

»nichts, was uns passiert« ist ihr Debütroman, für den sie mit dem Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen ausgezeichnet wird und mit dem sie auf der Hotlist 2018, durch die alljährlich die 10 besten Bücher aus unabhängigen Verlagen gekürt werden, gelandet ist. Im Rahmen dessen gewann sie den Melusine-Huss-Preis. Außerdem erhielt Bettina Wilpert für das Buch den ZDF-„aspekte”-Literaturpreis für das beste literarische Debüt des Jahres 2018. Zudem wurde sie mit Das Debüt 2018 - dem Bloggerpreis für Literatur ausgezeichnet und »nichts, was uns passiert« als bester Titel aus 69 eingereichten Debüts ausgewählt. Der Roman wurde darüber hinaus mit dem Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium 2019 ausgezeichnet. Desweiteren ist Bettina Wilpert derzeit für den Clemens-Bretano-Preis 2019 nominiert.

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9 (2%)
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3 (<1%)
Displaying 1 - 30 of 31 reviews
Profile Image for Elena.
1,030 reviews409 followers
July 22, 2022
Leipzig, 1980: Als die 17-jährige Manja eines heißen Sommermorgens beschließt, die Schule zu schwänzen, trifft sie auf ihre Mitschülerin Maxie. Obwohl die Beiden vorher nie etwas miteinander zu tun hatten, werden sie unzertrennlich. Sie brechen in Schrebergärten ein, verbringen Zeit im Schwimmbad und lassen sich auf dem Rummel treiben. Als Manja aber im Zimmer des Vertragsarbeiters Manuel von der Volkspolizei erwischt wird, wird sie auf die Venerologische Station für Frauen mit Geschlechtskrankheiten in der Lerchenstraße eingewiesen.

Leipzig, im Zweiten Weltkrieg: Lilo wächst mit einem kommunistischen Vater während des Nationalsozialismus auf. Als sie sich dem kommunistischen Widerstand anschließt, wird sie verhaftet und in der Lerchenstraße inhaftiert.

Leipzig, 2015: Die Sozialarbeiterin Robin arbeitet in einer Unterkunft für Geflüchtete, die neu in der Lerchenstraße eingerichtet wurde. Bei der Renovierung des Gebäudekomplexes fallen ihr alte Stasiakten über die ehemalige Venerologische Station in die Hände.

Wow, das war ein richtig guter Roman! Bettina Wilpert schafft es in "Herumtreiberinnen" anhand eines verbindenden Elements, dem Gebäude in der Lerchenstraße in Leipzig, von drei Frauen in drei verschiedenen Generationen zu erzählen. Feinfühlig und auf den Punkt berichtet sie, wie sich die Protagonistinnen in ihrer jeweiligen Staatsform bewegen, wie der Kommunismus, der für Lilo erstrebenswert war, für Manja eine grundlose Inhaftierung bedeutet und die vermeintliche Freiheit, von der Manja in ihrem Schulaufsatz schreibt und sich damit in Gefahr bringt, heute, in Robins Teil der Geschichte, eben nicht für alle Menschen gilt.

Durch die verschiedenen Erzählstränge, die sich immer wieder nach wenigen Seiten abwechseln, ist der Roman sehr kurzweilig und angenehm zu lesen, die Spannung entlässt die Lesenden nie ganz. Gleichzeitig zur wirklich ausgesprochen gut konstruierten Geschichte bettet Bettina Wilpert in ihr Buch sehr viel realen zeitgeschichtlichen Hintergrund ein, mit dem ich mich zuvor nie wirklich auseinander gesetzt hatte. Gerade diese Mischung hat den Roman für mich besonders interessant und lesenswert gemacht. Einzig das Ende kam mir dann etwas zu plötzlich.

"Herumtreiberinnen" erzählt die vielstimmige Geschichte eines Ortes - und gibt drei Herumtreiberinnen in ihrer jeweiligen Zeit eine Stimme. Hat mich sehr bewegt!
Profile Image for Lesegezwitscher.
59 reviews4 followers
March 16, 2022
Nachdem mich "Nichts, was uns passiert" von der Autorin Bettina Wilpert begeistern konnte, war ich gespannt auf ihren zweiten Roman, der am Weltfrauentag erschienen ist.

"Herumtreiberinnen" erzählt von drei Frauen in unterschiedlichen politischen Systemen.
Den Hauptteil nimmt die 17 jährige Manja ein. Sie wird in den 1980er Jahren in Leipzig gegen ihren Willen und ohne Grund in die Verenologoschen Station eingewiesen. Unter dem Deckmantel, dass Geschlechtskrankheiten geheilt werden sollten, werden dort Frauen eingesperrt, die dem politischen Regime nicht gefallen. Dort erlebt sie Gewalt und Züchtigung.
In dem gleichen Gebäude in dem Manja festsitzt, wird Lilo in den 1940er Jahren festgehalten. Sie half ihrem Vater, einen Kommunisten, bei kleineren Aktionen und ist aufgeflogen.

2015 arbeitet Robin in diesem Haus. Sie ist Sozialarbeiterin und betreut dort geflüchtete Menschen und kämpft mit dem Gesetzt sowie mit alltäglichen Problemen.

Was für eine tolle Idee die Autorin doch hatte. Drei starke Frauen zu unterschiedlichen Zeiten, die durch ein Gebäude miteinander verbunden sind. Die Geschichten sind spannend erzählt, sehr berührend und machen wütend. Besonders Lilo und Manja litten sehr. Es zeigt auf, wie eine bestimmte Staatsform Einfluss auf das Leben dieser jungen Frauen hatte.

Besonders schockiert war ich, dass ich über die Verenologoschen Stationen keine Ahnung hatte. Vielen Dank, Frau Wilpert, dass Sie darauf aufmerksam machen.

Für mich eine riesengroße Empfehlung, lest beide Bücher der Autorin, es wird euch bereichern!
Profile Image for Sarah.
55 reviews3 followers
January 31, 2025
Drei Frauen, drei Formen von Widerstand gegen ein unterdrückerisches System. Besonders spannend ist die Auseinandersetzung mit den Tripperburgen der DDR, was dieses Buch zu einem must read macht. Außerdem gefällt mir Wilperts Schreibstil sehr gut. Das einzige Manko ist, dass ich es an manchen Stellen etwas langatmig fand.
23 reviews
October 25, 2025
Bewegendes Buch, dass die Geschichten von Herumtreiberinnen in verschiedenen Jahrzehnten erzählt und einen kritischen Blick auf die Instrumentualisierung von Bürgerlicher Moral zu Kontrolle von allen Andersdenkenden und Unterdrückten, sowie die Idee von Asozialität wirft. Hat mir richtig gut gefallen, danke yola für die Empfehlung!
Profile Image for laleliest.
430 reviews66 followers
March 23, 2022
Drei Frauen, drei Erzählebenen. Manja ist siebzehn Jahre alt, als sie in den 1980er Jahren in Leipzig ohne Grund in eine verenologische Station eingewiesen wird. Dort soll sie von einer Geschlechtskrankheit, die sie nicht einmal hat, geheilt werden. Das gleiche Gebäude, vierzig Jahre früher: Lilo half ihrem kommunistischen Vater und wird deswegen festgehalten. 2015: Robin arbeitet in dem Haus in der Lerchenstraße als Unterstützung für geflüchtete Menschen.
Bettina Wilpert konnte mich bereits mit „Nichts, was uns passiert“ sehr überzeugen und hat mit ihrem neuen Roman nochmal einen draufgesetzt. Die Idee, die Figuren durch ein Gebäude zu verbinden, hat mir sehr gefallen. Besonders der Hauptstrang um Manja ließ mich teilweise so wütend werden und die Grausamkeit politischer Systeme verdeutlichen. Die drei Erzählperspektiven wechseln sich im Fließtext ab, vermischen sich beim Lesen aber dennoch, so dass die Übertragbarkeit von Gefangenschaft hervorgehoben wird. Im Vordergrund der Frauen in dem Buch steht die Freundschaft, welche Wilpert wirklich toll eingefangen und beschrieben hat. Mit Hinweisen auf G3walt und das Beschreiben von expliziten s3xuell3n Handlungen/Untersuchungen möchte ich euch das Buch ganz doll empfehlen! Besonders die Lesung, die ich erleben durfte, hat dem ganzen noch ein Krönchen aufgesetzt. Für mich ist es ein weiteres Highlight in diesem Jahr, da mir vor allem die Art der Erzählweise so sehr gefallen hat und ich durch dir Protagonistin Manja zusätzlich noch Dinge lernen konnte, die mir vorher gar nicht bewusst waren.

178 reviews10 followers
July 11, 2022
Da ich eine wirklich tolle Lesung zu genau diesem Roman von Bettina Wildert besucht habe, habe ich das Gefühl nicht ganz objektiv sein zu können.
Im Grunde genommen habe ich bis auf die Strukturierung des Romans auch nicht besonders viel zu kritisieren. In dem Roman verfolgen wir drei verschiedene Zeitstränge mit unterschiedlichen Protagonistinnen. Meiner Meinung nach war der Zeitstrang in den 80er Jahren mit Abstand der beste und interessanteste. Den Handlungsstrang zu Zeiten des Nationalsozialismus fand ich eher schwach und wenig ausgearbeitet, die Figuren waren zwar nahbar, aber es ging viel mehr um ihre Vorgeschichte, was mich zuweilen irritierte. Den Handlungsstrang um 2015 fand ich okay. Ich denke ich hätte es besser gefunden, wenn diesem Strang mehr Platz als dem NS-Strang eingeräumt worden wäre.

Das Thema war aber ganz neu für mich und ich liebe es, wenn Literatur meinen Wissenshorizont erweitert. Der Roman Herumtreiberinnen hat auf jeden Fall auch dafür gesorgt, dass ich ihren Debütroman sehr gerne lesen möchte.
Profile Image for lesestoph.
45 reviews2 followers
October 17, 2022
Nachdem ich auf dem Literaturfestival Wortspiele in München die Chance hatte Bettina Wilpert aus “Herumtreiberinnen” vorlesen zu hören, war ich von der Thematik dieses Buches bereits hin und weg. Ich musste es einfach mitnehmen und lesen. Signiert von der Autorin macht das Buch auch nochmal mehr Spaß.

3 politische Systeme, 3 Frauen und 1 Gebäude.
Die 17-Jährige Manja, die in den 1980er in eine Venerologischen Station für Frauen mit Geschlechtskrankheiten (obwohl sie keine hat) eingewiesen wird. Lilo, Unterstützerin des kommunistischen Widerstandes, wird in den 1940er Jahren genau in diesem Gebäude festgehalten. Und Robin, welche in den 2010er Jahren als Sozialarbeiterin geflüchteten Menschen im Haus hilft.
Die 3 Erzählperspektiven wechseln sich ständig ab, was das Buch zusätzlich noch spannender macht. Ich hab es regelrecht verschlungen.

“Herumtreiberinnen” ist ein sehr besonderes Buch. Die Idee Wilperts, verschiedene politische Systeme aufzuzeigen und durch ein Element (das Haus) zu verbinden, hat mir sehr gefallen. Mich hat besonders die Geschichte von Manja berührt und wütend gemacht.
Zudem hab ich davor noch nie etwas von den Venerologischen Stationen gehört (und das, obwohl ich aus der Nähe von Leipzig komme und meine Familie in der DDR gelebt hat). Umso großartiger hab ich deshalb die Aufklärungsarbeit der Autorin mit diesem Buch dazu empfunden.

Ein ziemlich kluges und spannendes Buch, welches ich empfehlen kann. Dennoch hat mir irgendwas gefehlt… 4/5 🌟
Profile Image for Margarete.
56 reviews1 follower
April 7, 2024
Ich wollte da Buch richtig gerne mögen, allein weil die Autorin sich darin dem Thema der Venerologischen Stationen in der DDR annimmt. Soweit ich weiß, ist „Herumtreiberinnen“ bislang die einzige belletristische Auseinandersetzung mit diesem Thema.

Die Idee, die Geschichten dreier junger Frauen durch einen Ort miteinander zu verknüpften, fand ich interessant. In der Umsetzung hatte ich dann allerdings den Eindruck, dass die Autorin den einzelnen Geschichten, die jede für sich genommen viel Raum gebraucht hätten (Venerologische Stationen in der DDR, Widerstand im Nationalsozialismus, Arbeit in einer Unterkunft für Geflüchtete), nicht gerecht werden konnte.

Mit dem Schreibstil kam ich auch nicht so gut zurecht, vor allem im ersten Teil des Buches. Die Sprache kam mir ungelenk und holprig vor, mir fehlte der Rhythmus und der Sprachfluss. Viele Sätze waren ewig lang, da statt Punkten Kommata gesetzt wurden und so Dinge, die inhaltlich gar nichts mehr miteinander zu tun hatten, in einen Satz gepackt wurden. Dazu kamen ständige Wortwiederholungen und inhaltliche Unstimmigkeiten (es wird erwähnt, im Keller sei kein Netz, im nächsten Satz telefoniert der Hausmeister in eben diesem Keller? etc).

Fazit: Idee super, Umsetzung naja.
Profile Image for DieRaberin.
51 reviews1 follower
January 15, 2023
Ein Gebäude, die Geschichte dreier Frauen zu unterschiedlichen Zeiten mit diesem Ort verknüpft. Empfehlenswert!
29 reviews2 followers
April 22, 2025
nach "nichts was uns passiert" wollte ich auch Wilperts zweiten Roman lesen. "Herumtreiberinnen" ist einerseits eine ganz andere Leseerfahrung als ihr erster Roman und anderseits doch wieder ähnlich. Es wird wieder mit Erzählungen aus unterschiedlichen Perspektiven gearbeitet. Doch während "nichts was uns passiert" ein Geschehnis aus der Perspektive unterschiedlicher Akteur_innen erzählt, werden in "Herumtreiberinnen" drei unterschiedliche Schicksale erzählt, die durch einen gemeinsamen Ort verbunden sind, aber in Abstand einiger Jahrzehnte spielen.
Das verbindende Motiv ist das Schicksal von Frauen in unterschiedlichen politischen Systemen. Mich haben viele der Schilderungen berührt und ich hab viel über Rechtsstaatlichkeit nachgedacht bei der Lektüre und wie insbesondere Frauen (so wie andere marginalisierte Gruppe) sich insbesondere nicht auf den Staat verlassen können und Willkür ausgesetzt sind. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!
Profile Image for Hannah.
17 reviews
July 14, 2022
Das Buch war faszinierend zu lesen und hat mich sehr gepackt, wahrscheinlich weil ich auch einfach viiiiel übrig hab für Romane mit historischen Elementen/historischem Background. Mochte die Widerspenstigkeit der Hauptcharaktere und das Buch hat mir so sehr gefallen (auch weil man die Gewaltbeschreibungen gut überspringen konnte).

Mir ist es bisschen schwer gefallen mir der Erzählstrangstruktur klarzukommen und ich hätte vllt ein ticken mehr Spaß gehabt wenn die storylines hintereinander erzählt worden wären aber hatte bestimmt einen Grund. Ich fand spezifisch Manjas Geschichte war super spannend und toll erzählt, ich hätte gern mehr über Lilo erfahren und ihre Geschichte hätte noch mehr Raum verdient.Und Robins Storyline wäre nice gewesen, wenn da noch mehr über Ihre Nachforschungen erzählt worden wäre! Weil das war super interessant.
Profile Image for Sarah.
24 reviews
September 6, 2024
Eine, bzw. drei, richtig gute Geschichten von drei Frauen aua unterschiedlichen Zeiten, die zufällig am selben Ort (gewesen) sind. Gerade die Geschichte um Manja, die in der DDR spielt fand ich sehr interessant, da ich vorher von der Thematik noch nichts wusste.
Profile Image for Dee.
29 reviews3 followers
September 17, 2022
Wieder einmal verwundert über die positive Rezeption dieses Romans: Denn es ist nicht gut geschrieben, handwerklich unzulänglich, und, immer das schlimmste, langweilig. Es passiert nichts. Alles plätschert dahin. Die vordergründig gute Idee, ein Gebäude Geschichten erzählen zu lassen, entpuppt sich als Falle. Die Autorin springt hin und her, her und hin zwischen den drei Zeitebenen, so dass einfach kein Fluss entstehen kann, der einen mitreißen könnte. Ironischer Weise ist das allerletzte Kapitel ganz gelungen: Den Aufstand, den Aufbruch, den Ausriss nimmt man gerne mit. Aber vielleicht auch nur, weil man weiß, dass es dann gleich mit dem Buch vorbei ist.
Profile Image for Co_winterstein.
146 reviews10 followers
March 8, 2022
Das Haus in der Lerchenstraße

Ein Ort, an dem in Bettina Wilperts neuem Roman "Herumtreiberinnen" zeitlich versetzt drei Frauen, in unterschiedlichen politischen Systemen lebend, einen Teil ihrer Lebenszeit verbringen (müssen).
Den größten Raum nimmt dabei die Ich-Erzählerin Manja ein, ihr Erzählstrang spielt Anfang der 80er Jahre in der DDR. Manja wird mit 17 Jahren ihrer Freiheit beraubt, denn sie wird (obwohl gesund) in die geschlossene Venerologische Station mit Geschlechtskrankheiten gesteckt, weil sie in der Schule einen kritischen Aufsatz über das DDR Regime geschrieben hat. Sadismus und Tyrannei sind auf dieser Station an der Tagesordnung.
Es hat mich wütend und nachdenklich gemacht, wie grauenvoll willkürlich und brutal es dort zuging und dass Manja, um zu überleben, quasi als Reaktion auf ihr Umfeld, auch zu einer Person wird, die Gewalt ausübt, um sich selbst zu schützen.
Im gleichen Haus saß 1944 Lilo im Gefängnis ein. Ihr Vater, ein Kommunist, hatte ihr im Krieg für den Widerstandskampf kleinere Botengänge anvertraut, doch die Familie wird verraten und von den Nazis verhaftet. Ein berührendes Schicksal!
Der dritte Erzählstrang um Robin erscheint nur fragmenthaft in die anderen beiden eingewoben - Robin arbeitet 2010 in einer Flüchtlingsunterkunft, die im Lerchenstraßenhaus untergekommen ist -
dennoch wird ihre Vereinzelung, Individualisierung, damit einhergehende Einsamkeit sehr deutlich. Ihre berechnende Donnerstagsdating mit der Tinderapp kommt mir so trostlos und kalt vor, dass die beiden tragischen Leben von Manja und Lilo, die beide Leidenschaft und Liebe für Menschen empfanden, soviel lebendiger erscheinen.
This entire review has been hidden because of spoilers.
Profile Image for Felix.
161 reviews2 followers
August 6, 2022
The 2015 character was dreadfully boring and didn't really work for me, but the the rest is great. If the focus was supposed to be mainly on the GDR girl, the book did its job really well and kept me glued to those parts throughout. But if I should have cared about the other two there were some issues. As I already mentioned, the 2015 one doesn't really work and the 30s/40s woman just wasn't in it enough. Would have been fascinating to learn more about her, but as is, she's mostly a framing device to make what I presume to be systems of oppression being compared work. That in itself is fine, but I wanted more. Still a good read.
Profile Image for Michael Bohli.
1,107 reviews53 followers
May 20, 2023
Architektur ist vielfach politisch, im Roman "Herumtreiberinnen" von Bettina Wilpert wird ein Gebäudekomplex allerdings erst durch die spezifische Nutzung thematisch aufgeladen. Mit drei Erzählebenen in unterschiedlichen Zeiten nähert man sich einer Strasse in Leipzig und somit den politischen Mächten der Vierziger-, Achtziger-, und 2010er-Jahre.

Junge Frauen stehen im Mittelpunkt des Buches, ihre Schicksale sind durch Mauern, böse Machenschaften und unterdrückende Gedanken verbunden. Der von Wilpert gewählte Ansatz ist sehr gelungen, zu lose allerdings blieben die einzelnen Ebenen und zu wenig packend gewisse Schicksale.
Profile Image for Tine.
10 reviews4 followers
August 21, 2023
Ich wollte den Roman eigentlich mögen, weil ich das Debüt der Autorin super fand und nach wie vor gerne verschenke + das Konzept mit dem Gebäude als verbindendes Element ziemlich cool ist.
Leider kommt die Verbindung durch das Gebäude nicht so gut raus und die Erzählstrang-Wechsel sind unausgeglichen. Die Stränge aus NS und Gegenwart hängen etwas in der Luft und können mit dem DDR-Strang nicht so gut mithalten. Bei letzterem erscheint mir der Versuch die Sprache des Ortes und der Zeit einzufangen etwas zu gewollt aber nicht gekonnt, verglichen mit richtiger DDR-Literatur. Ein Nachwort (oder mehr als ein Einseiter am Ende) zum Rechercheprozess wäre zusätzlich spannend gewesen. Alles in allem aber trotzdem eine coole Idee und ein interessanter Roman.
Profile Image for Christina Pl.
21 reviews1 follower
May 11, 2022
Sehr beeindruckendes Buch, in dem ein Gebäude die Konstante über unterschiedliche Zeiten ist. Immer geht es um Frauen, die als unangepasst normiert werden und deshalb Bestrafung erfahren. Bettina Wilpert gelingt es hervorragend, diese vielschichtigen Ungerechtigkeiten darzustellen und ebenso die umfassenden, mutigen und notwendig widerspenstigen Protagonistinnen zu beschreiben. Klasse Buch!
Profile Image for Ankipanki.
28 reviews2 followers
December 2, 2022
Wunderbare Lektüre, schon lange nicht mehr hat mich eine Geschichte so in den Bann gezogen, gleichwohl gebildet wie unterhalten und mich angeregt, mich mehr mit den venerelogischen Stationen in der DDR auseinanderzusetzen. Mir hat der Schreibstil und die Erzählweise sehr gut gefallen und ich freue mich baldigst „nichts, was uns passiert“ lesen zu können. große Empfehlung!
Profile Image for Nuray Nonsense.
77 reviews1 follower
January 4, 2023
Nachdem ich ihren ersten Roman gelesen habe, den ich wichtig finde, jedoch nicht so ansprechend geschrieben, hatte ich ein wenig Angst, zu hohe Erwartungen an das neue Buch zu haben - da lag ich falsch! Sie hat ihren Debütroman hiermit sowas von übertroffen! Toller Einblick in die Geschichte Leipzigs, mitfiebernde Charaktere!
Profile Image for Jenny Appel.
6 reviews
November 9, 2023
Wichtiger Einblick in ein düsteres Kapitel der DDR-Geschichte, interessanter Erzählfluss durch die Verknüpfung dreier Zeitstränge mithilfe eines Gebäudes. Lässt sich flüssig lesen, trotzdem hat mir ein tieferer Einblick in die Charaktere gefehlt. Schreibstil ist gut, aber haut mich nicht nicht vom Hocker.
Profile Image for Estrelas.
928 reviews
February 4, 2025
„Auf dem Gelände hatte sich in der DDR
eine geschlossene Venerologische Station befunden, tatsächlich waren aber die meisten der Frauen, die dort eingewiesen wurden, nicht krank, wurden dennoch jeden Morgen gynäkologisch untersucht.“

Mit den Inhaftierten wird ein perfides System entblößt. Beklemmend!
Profile Image for Nina.
90 reviews2 followers
September 18, 2022
leider zu hyped :( der geschichtliche hintergrund war super interessant, erzählstil und plot leider nicht richtig ausgereift
32 reviews
November 25, 2025
Ich hab etwas gebraucht, um hineinzukommen, ab Seite 60 konnte ich es dann nicht mehr aus der Hand legen!
Profile Image for Alexander Carmele.
475 reviews421 followers
July 2, 2023
Wortkarg und desillusioniert von Leipziger Gewaltwelten
Ausführlicher, vielleicht begründeter auf kommunikativeslesen.com

In ihrem neuen Roman „Herumtreiberinnen“, dem zweiten, spürt Bettina Wilpert einer wildgewordenen Staatsmaschinerie nach. Anhand des Schicksals von drei Frauen: Lilo in den 1940er, Manja in den 1980er, und Robin in den 2010er Jahren zeichnet sie das schwarze Bild von Gesellschaften, in denen jeder gegen jeden kämpft und jedes Mitgefühl zu verloren gegangen scheint. Fokalpunkt der Betrachtungsweise stellt das Tripperburg-Gebäude in der Lerchenstraße in Leipzig dar. Hier kreuzen sich, in parallelen Geschichtswelten, die Frauenschicksale, sammeln und verbinden sich der Horror einer übermächtigen Staatsgewalt ausgeliefert zu sein: Lilo als politischer Häftling, Manja als promiskuitive Straftäterin, und Robin als orientierungslos gewordene Sozialarbeiterin.

„Wir, in der Lerchenstraße Wir sind verkrustet. Manchmal träumen wir von einem unverbildeten Menschen. Wir suchen ihn in der Lerchenstraße, wir suchen dort in den sechs Gebäuden. Jeweils drei stehen in Reih und Glied zueinander, ein Dampfschornstein auf einem der mittleren. Wir sehen eine Kirche, einen Uhrenturm in der Mitte des Hofes, damit wir die Zeit nicht vergessen, alles ist getaktet und geplant, Ordnung muss sein. Wir sehen ein Pförtnerhäuschen – ein Pförtner ist einer, der den Eingang bewacht, dieser jedoch bewacht den Ausgang.“

Wilperts Stil zeichnet sich durch kurze Sätze, eine Minisemantik, aus. Rhythmisch, fast Hiphop-artig fliegen die kurzen, nur wenige Seiten umfassenden Kapitel umeinander. Das geheime Zentrum bildet die Tripperburg, der Ort, an dem Frauen bestraft werden für ein, im Sinne des strafenden Staates, zu freies, zu ungeplantes, zu ungehemmtes Leben. Lilo gerät in Gefangenschaft durch ihren politisch-aktiven, gegen die Nationalsozialisten agitierenden Vaters; Manja wegen einer kurzen Intimität mit einem Mosambikaner; und Robin bleibt sich und den anderen ein Rätsel als Spätgeborene, die kein Platz für sich in dieser Welt findet und lieber Drogen nimmt. Was bleibt, ist die Flucht ins Weltall, in das Ungewisse, Freie, Weite:

„Wir müssen eine Rakete bauen! Wir nickten. Das mussten wir! Bambule, Bambule! Wir griffen alles, was wir finden konnten, es war nicht viel, aber jedes Bettlaken und jede Lampe, jede Spielfigur, der Würfel vom Boden, war für unsere Rakete geeignet. Beim Start würde es eine große Explosion geben. Die Rakete wurde immer höher, wir waren stark und rissen die anderen Betten aus ihren Fesseln, stapelten alles aufeinander, das war die großartigste Rakete, die die Welt je gesehen hatte, wir waren unbesiegbar.“

Der Roman „Herumtreiberinnen“ bleibt jedoch unklar. Ob bewusst oder unbewusst, er unterscheidet nicht wirklich zwischen Opfern und Tätern. Opfer verraten sich, lügen, schlagen um sich, treten auf wehrlos gewordene Staatsdiener ein. Täter treten in den Hintergrund. Ein großes, diffuses Chaos baut sich in den knapp dreihundert Seiten langen Roman auf. Alles gerät in einem fort aus den Fugen. Eine geheimnisvolle Macht verhindert das Gelingen, das Aufstehen, den Aufbruch in die Freiheit. Von glühenden Momenten und intensiven Szenen einer fröhlichen Jugendfreundschaft zwischen Manja und Maxie abgesehen, entfaltet sich wenig Raum im Drangsal der Frauen. Auch sprachlich. Die Protokollsätze, die hastigen Skizzierungen, das Huschen und Wegwischen über Details, das Desinteresse an Umgebung, an Formen jenseits von Recht- und Dreiecken, an verbindlichen Kontakten, Vorhaben und Utopien lassen das Erzählgebäude unter seiner spärlichen Ausdruckskraft zusammenbrechen. Was bleibt, ist der Rausch:

„Wir fanden in einem Schrank noch eine undefinierbare Flasche Alkohol, Maxie meinte, es sei Wodka, ich hatte ja keine Ahnung. Irgendwann übergab ich mich in eine Ecke des Gartens, danach schliefen wir auf der zu kleinen Couch ein, das Windrad über uns kreischte.“

Bettina Wilperts Roman agitiert mit resignierter Nonchalance. Er will zu viel oder zu wenig. Jedenfalls bleibt er unentschieden. Wer sich für das Jugendleben in der DDR interessiert, bekommt in Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“ oder in Bernhard Schlinks „Die Enkelin“ mehr geboten. Wer sich für den Alltag der DDR interessiert, lese Christoph Heins „Der Tangospieler“, oder Jenny Erpenbecks „Kairo“. Besonders empfehlenswert aufgrund der Darstellung der Staatssicherheitsmethoden auch Hari Kunzru „Red Pill“, in dessen Roman eine sehr ähnliche Geschichte zu der von Marion aus „Herumtreiberinnen“, nur sehr viel intensiver und weniger distanziert, erzählt wird.

Summa summarum bleibt Wilperts Roman nämlich ein leeres, unwirtliches Gebäude, in dem hier und da sehr viel ungerichtete Gewalt passiert.
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