In ihrem ersten Geschichtenband Damenbart erzählt Sarah Pines von Menschen, die überall auf der Welt einer maßlosen Einsamkeit zu entkommen versuchen. Zum Beispiel von der dick und müde gewordenen Martha, die in ihrer Garage in Beverly Hills die immer gleichen Mixer und Toaster ansammelt. Oder von dem Großvater, der jeden Winter auf die Orangenlieferung vom Bremer Südfruchtgroßversand wartet, um sich seinen Erinnerungen an Afrika hinzugeben. Im Dörfchen Bouchard im Norden Frankreichs findet man die wilden Zwillinge Valle und Olympe tot und voneinander abgewendet, wie sie es nie gewollt hätten, kurz nachdem ihnen die Jungfrau Maria im schürfwundenroten Mantel erschienen ist. Und Hind denkt im Gefängnis von Casablanca an die Zeit, als sie sich in eleganten Hotels heimlich mit K. getroffen hat, während Frédérique an einem blassen Wintertag einen Straßenmusiker missbraucht, um endlich wieder etwas zu spüren. Sarah Pines meistert in ihren Geschichten den Abgrund ebenso wie die Oberfläche, verknüpft den alten Glamour Hollywoods mit der griechischen Antike und Popkultur mit Baudelaire. Vor allem aber zeichnet sie so empfindsam wie gnadenlos, so humorvoll wie poetisch unsere Sehnsucht nach der Vergangenheit und unsere Hoffnung auf eine hellere Zukunft nach.
Diese Sammlung von 17 Kurzgeschichten liest sich recht wechselvoll: Einige interessante Ansätze, aber auch viel in die Leere laufendes, nicht ganz Ausgereiftes. Hängen bleibt vor allem das oft wiederkehrende Thema der einsamen alten Diva/divaesken Frau, weniger die verschiedenen Ausarbeitungen. Für den Start also für mich leider nicht mehr als okay, aber es wird auch deutlich: Da geht noch mehr, also gerne mal "in lang".
Rezension: Der Kurzgeschichtenband ‚Damenbart‘ ist das Debüt der Journalistin und Autorin Sarah Pines, die in Deutschland aufgewachsen ist und aktuell in den USA lebt. Das Buch enthält auf knapp 200 Seiten 17 Kurzgeschichten, in denen die Autorin von einsamen Menschen erzählt, die unterschiedlich mit ihrem Schicksal umgehen. Sie alle eint, dass sie nicht zufrieden in ihrer aktuellen Lebenssituation sind und in den jeweiligen Geschichten wird ein kurzer Ausschnitt ihres Lebens gezeigt.
Meine Meinung | Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, dass sowohl die Figuren sich selbst, als auch die Autorin die selbstgeschaffenen Figuren nicht ausstehen und leiden kann. Den Geschichten haftet aus meiner Sicht eine negative Grundstimmung an, der ich mir als Leserin schwer entziehen konnte. Sicherlich wird die Autorin genau dies beabsichtigt haben und bewusst diese Stimmungen erzeugen wollen. Dennoch fehlt es mir bei fast allen Geschichten an der Tiefe und dem Feinschliff, sie streifen die Oberfläche, teilweise fehlen mir auch einfach mehr Informationen als Leserin, um die Geschichte wirklich verstehen zu können und zum anderen Teil wirken einige Geschichten einfach belanglos. Die hauptsächlich weiblichen Protagonistinnen kennzeichnen sich selbst durch Selbsthass oder zumindest große Ablehnung, ihre Einsamkeit, oftmals auch äußerlich sehr detailliert beschriebenen Unzulänglichkeiten sowie, dass fast alle Sex haben bzw. nutzen, um sich selbst Bestätigung von Dritten zu holen, die sie aber auch nicht glücklicher oder zufriedener macht. Alles in allem werden mir weder die Protagonistinnen sympathisch noch deren Handlungen durch Empathie nachvollziehbar.
Am besten hat mir die Kurzgeschichte ‚Ein Mann kehrt den Rücken' gefallen: Für mich ist dies die einzige Geschichte, in der die Protagonistin nicht an ihrem Leben verzweifelt und trotz tiefer Liebe einen guten Abschluss für sich finden kann. "vielleicht sollte es nicht sein. das." (S. 88) Dieses Zitat passt für mich auch sehr gut zu meinem Leseereignis mit dem Buch: Vielleicht sollte es einfach nicht passen.
Mein Fazit | Einige wenige Erzählungen und insbesondere die sprachliche Versiertheit der Autorin haben mir wirklich gut gefallen. Ich hatte auf eine interessante und abwechslungsreichere Geschichtensammlung gehofft, und die Lektüre lässt mich ratlos und auch enttäuscht zurück.
Sarah Pines Kurzgeschichtenband "Damenbart" befasst sich in den meisten Geschichten mit Damen, allesamt traurige, verbitterte, resignierte Vertreterinnen ihres Geschlechts, denen die Hoffnung auf mehr, auf ein besseres Dasein bereits abhanden gekommen ist. In den gelungeneren Stories kranken die Damen an der Krankheit der Vergänglichkeit des Ruhms, der Liebe, der Jugend - durch diese Geschichten weht gekonnt der Hauch der Nostalgie, auch wenn es leider, leider immer wieder passiert, dass das Ende der Geschichte nicht das tut, was es eigentlich gattungstechnisch aufgerufen ist, zu tun: zu überraschen, zu verwirren, zu erhellen oder zu begeistern. Oft hat es den Anschein, dass die teilweise wirklich gut komponierten Geschichten am Ende zerfasern, so als ob die Autorin sich selbst nicht immer ganz sicher war, wo ihre Erzählung hinsteuern soll.
Emotional sind diese Geschichten durchaus anstrengend, da in ihnen tatsächlich der Optimismus oder der positive Zukunftsblick keinerlei Rolle spielen. In dieser Häufung kann das beim Lesen schon mal stark auf die Stimmung schlagen, es drängt sich auch die Frage nach einem zu schonungslos einseitigen Blick auf Frauenleben auf.
Sprachlich lassen viele der Geschichten nichts zu wünschen übrig. Es gibt unerwartete, üppige Bilder, schöne Wortkombination und Ausdrücke, die für sich schon ganz hervorragend Stimmung transportieren können.
Dies ist zum Beispiel auch in meiner Lieblingsgeschichte "Wintersonne" der Fall, die für mich sehr gelungen ist. Sie schafft es sprachlich zu verzaubern, emotional zu berühren und auch den erhofften Nachklang zu erzeugen.
Insgesamt empfinde ich die Geschichten von sehr schwankender Qualität. Neben "Wintersonne" gibt es noch zwei bis drei Stories, die mir auch über die Lektüre hinaus im Gedächtnis bleiben werden, viele andere leiden jedoch unter der Problematik, dass die Ausformulierung ihres Themas zu vage bleibt, das Ende sein Wirkungspotenzial nicht ausschöpft. Somit ist "Damenbart" ein durchwachsenes Leseerlebnis, dass sich in Teilen aber lohnt.