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Der Intellektuelle als Unruhestifter. Wolfgang Pohrt. Eine Biographie

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Als Anfang der achtziger Jahre Wolfgang Pohrt die öffentliche Bühne betrat, wurde den Lesern schnell klar, dass da jemand einen neuen Ton anschlug. Pohrt verstand es, seine Thesen mit großer Schärfe, Klugheit und Eleganz zu formulieren. Seine Kritik an den Grünen und der Friedensbewegung ist legendär, vor allem, seit diese nationale Töne anschlugen und die Nation nicht mehr abschaffen, sondern retten wollten. In der Biographie wird daran erinnert, dass die Linke in Deutschland zwar versagt hat, aber dank Wolfgang Pohrt das Niveau der Kritik an ihr weit besser war, als sie es verdient hatte, man kann sagen, dass ein realistisches Bild von ihr nur deshalb erhalten geblieben ist, weil Pohrt sich ihrer Fehler und Eigenarten angenommen und damit die Mythenbildung erschwert hat. Mit seiner großen Massenbewusstseinsstudie der Deutschen und dem Konkret-Kongress 1993 kündigte sich sein Abschied an, aber noch heute macht sich sein Einfluss bemerkbar, als ob seine Gedanken wie ein schwacher unterirdischer Strom immer wieder einen Nerv treffen und eine Reaktion erzeugen.

696 pages, Hardcover

First published February 16, 2022

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Displaying 1 - 2 of 2 reviews
Profile Image for Dimitrios.
2 reviews1 follower
July 31, 2023
Wer einmal mit dem Lesen Pohrts anfängt, hört so schnell nicht mehr damit auf – so erging (und ergeht) es zumindest dem Rezensenten. Zu brillant sind die Formulierungen, zu lebhaft der Stil, zu kompromisslos die Argumentation, als das man nicht davon mitgerissen werden würde. Vielem möchte man widersprechen, weil es einem abwegig oder übertrieben erscheint. Man stellt jedoch schnell fest: Man kann es nicht – zumindest nicht, ohne dabei in platteste Psychologismen abzugleiten, wie es viele seiner Kritiker taten. An Pohrt bissen sich alle die Zähne aus.

Was gibt es zu Wolfgang Pohrt zu schreiben, was nicht in dieser Biographie seines langjährigen Verlegers Klaus Bittermann stünde? Darum nur schlaglichtartig angedeutet, wer Pohrt war und warum es sich lohnt, sich mit ihm und seiner Biographie zu beschäftigen: Aus Pohrt (*1945), dem Sohn von Flüchtlingen aus Riga, in kleinbürgerlichem Milieu vaterlos aufgewachsen, wird ein stacheliges Gewächs: Im Klima der Frankfurter 68'er Protestbewegung gezüchtet, durchaus mit den Elixieren von Karl Marx, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Hannah Arendt gewässert, aber auch mit Klassikern der US-amerikanischen und britischen Kriminalliteratur, von Dashiell Hammett über Raymond Chandler bis Eric Ambler sowie Autoren des 19. Jahrhunderts wie Joseph Conrad und Honoré de Balzac, dem Pohrt eine kongeniale Studie widmete. Ein Gewächs, das sich im Gegensatz zu sehr vielen anderen, die auf ähnliche Weise aus der verbrannten Erde des Nachkriegsdeutschlands sproßen, seine kritischen Stacheln bewahrt hat und im Grunde bis zu seinem Lebensende kaum müde wird, mit ihnen die gesellschaftlichen Verhältnisse (auch für Pohrt selbst) schmerzhaft aufzuspießen: Sie in Zeitungsartikeln, Essays und soziologischen Studien zu analysieren, zu kritisieren, Fehler, Lebenslügen, Antisemitismus und versteckten National(sozial-)ismus bis in die innersten Triebregungen nachzuweisen. Vor allem den großmäuligen und selbstgefälligen Tonangebern der öffentlichen Debatten, die von Auschwitz nichts mehr wissen, aber dafür mit schwerer Last und Täterstolz den Rest der Welt (insbesondere Israel) in Sachen Menschenrechte belehren wollen sowie und den ganz gemeinen West- und Ost-Deutschen, die sich nach der so genannten "Wiedervereinigung" zum unausstehlichen, sich selbst zerfleischenden Kollektiv zusammen schweißten.

Seit 2018 erscheint in der Edition Tiamat die mehrbändige Werkausgabe, die ebenfalls Bittermann besorgt hat. Man merkt der Biographie diese Tätigkeit an.

Klaus Bittermann wählt für seine Biographie eine klare Sprache, vermeidet Schnörkel, kommentiert und ordnet ein. Man merkt, dass er Pohrt viel zu verdanken hat, als Freund, als publizistischer wie politischer Weg- und Denkgefährte. Der Autor geht immer wieder auf die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse ein, um die Kontexte zu erhellen, in und zu denen Pohrt schrieb. Man erfährt viel Zeitgeschichtliches aus der Zeitspanne, die Pohrt als Schriftsteller und Redner begleitete: Die Unruhen der 60er in Frankfurt, die bleiernen Jahre des so genannten "Deutschen Herbstes", in denen ein Teil der Protestbewegung zu den Waffen griff, während der andere in ein immer unübersichtlicheres Szene-Kleinklein zerfiel, sich verkämpfte und deren Klientel sich schlussendlich in alternative Lebenskonzepte flüchtete. Über die deprimierenden 80er Jahre, in denen Antiamerikanismus und Antisemitismus grassierten – schlecht bemäntelt von einem Pazifismus, der von apokalyptischen Wahnvorstellungen begleitet war und in dem es zum guten Ton gehörte, von einem bevorstehenden Atom-Tod zu fabulieren. Über die von Pohrt als zombiehaft beschriebenen 90er Jahre, die Post-9/11-Phase, die bis zum heutigen Tag anhält und nicht vergehen will.

Immer wieder, aber ohne dass die Lektüre je anstrengte, werden die Irrungen und Wirrungen der bundesrepublikanischen Linken und die Abgeschmacktheiten eines quotengeilen Kulturbetriebs geschildert, denen Pohrt mit beißendem Spott, einer Chuzpe, die ihresgleichen sucht, und mit einer bewundernswerten Unkorrumpierbarkeit begegnete, obgleich er ihr doch selbst so nah (und gleichzeitig meilenweit fern) war. Am Ende steht die Erkenntnis, dass vieles, was Pohrt in seiner Zeit kritisierte bis heute noch fort west und für viel "Scheiße in den Köpfen" (Ronald M. Schernikau) sorgt. Aber das auszuführen, würde hier den Rahmen sprengen. Die Biographie jedenfalls ist rundum gelungen!
Profile Image for Patrick.
Author 1 book5 followers
March 4, 2023
Wolfgang Pohrt's writings have had an immense influence on me, yet I knew very little about him. I think the author biography in one of his later books had implied that he was unemployed, and when I saw him once at a talk, probably in 2012, he also didn't look too well.

This biography puts his writings into historical and also personal context. The former is useful at times, as I sometimes just enjoyed Pohrt's humor and intellect without fully understanding what current affairs he was referring to.

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I imagine that he'd have hated to have his personal life laid out like this. His social awkwardness, his love to his wife, how a mandatory training during one of his unemployment spells turned him into a computer nerd, what appears like years of unhappiness, how he, during his final years of seeming silence, was busy as an anonymous shitposter on an unnamed website: I could have possibly lived without knowing that. But did I enjoy reading about it: I did. Was I touched by the help he received from his readers (and Hans Magnus Enzensberger) in his final years: I was.
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