Ein Roman über einen, der sich gegen den Wandel der Zeiten auflehnt und dabei ins Wanken gerät.
Zwei Tage sind sie hinter Papier versteckt, dann werden die sieben großen Schaufenster feierlich enthüllt – und lassen die Waren des alteingesessenen Quatre Saisons in neuem Glanz erstrahlen. Für diese Momente lebt und arbeitet Schaufensterdekorateur Stettler, und das schon mehrere Jahrzehnte. Nun, mit knapp sechzig, wird ihm überraschend ein jüngerer Kollege zur Seite gestellt – ein Rivale, ein avisierter Nachfolger, ein Feind!
Stettlers Welt beginnt zu bröckeln. Es ist das Jahr 1968, und es bröckelt auch sonst alles, die jungen Leute tragen Bluejeans und wissen nicht mehr, was sich gehört. Am Münsterturm hängt auf einmal eine Vietcong-Fahne. Stettler ist entsetzt. Immer mehr fühlt er sich bedroht, spioniert dem Rivalen sogar nach, sinnt auf Rache. Es ist auch ein zähes Ringen mit der Zeit und mit dem Alter, bei dem Stettler nur verlieren kann.
Allein mit einer von ihm bewunderten Radiopianistin, Lotte Zerbst, wechselt er Briefe und fühlt sich nicht so verloren. Er hofft sogar auf eine Begegnung …
Alain's first novel was published in 1983 and he has since written four furthur novels, including Annas Maske (2001) and numerous short stories. A Perfect Waiter is his first novel to be published in English. He lives in the Alsace region of France.
Seit Jahrzehnten arbeitet Stettler als Schaufensterdekorateur im Quatre Saisons, dem grossen Warenhaus seiner Stadt (ich tippe anhand der Beschreibungen auf Bern). Und seit Jahrzehnten ist es schon fast ein Grossereignis, wenn seine Kunstwerke zur neuen Saison jeweils enthüllt und mit Ehrfurcht und Bewunderung betrachtet werden. Nun, jeder ist ersetzbar, und so bekommt Stettler eines Tages einen neuen Kollegen, der prompt das Weihnachtsschaufenster übernehmen darf. Das ist dann auch noch viel toller und kreativer und aufwändigerals alles bisher Dagewesene, und Stettler wird zur Ausschussware.
Natürlich dreht er daraufhin ein bisschen – das heisst, im gutschweizerisch-bünzligen Rahmen – durch. So schafft er sich einen dieser neumodischen Fernseher an, betritt zum ersten Mal in seinem Leben eine Bar (UND trinkt dort ein Bier) oder malt sich aus, wie er den Neuen am besten verleumden könnte. Okay, gegen Schluss lässt er sich dann auch noch ein bisschen mehr gehen.
Während all dieser Vorgänge bleibt aber Stettlers Charakter ziemlich flach; man kann eigentlich nur anhand seiner Handlungen ablesen, was jetzt eventuell in ihm vorgehen könnte. Man fühlt nichts von der Ohnmacht, der Angst vor der Bedeutungslosigkeit oder dem Bedauern, dass ihn doch eigentlich erfüllen müsste. Da ist lediglich sein angekratztes Ego. Das Ganze ist dann auch so witzlos beschrieben, dass es mir absolut nicht gelungen ist, irgendeine Verbindung zur Figur herzustellen. Schade, denn das Thema des Romans finde ich eigentlich sehr spannend.
Es tut mir leid, unhaltbar ist das Cover, welches dem neuen Roman von Alain Claude Sulzer spendiert wurde. Weder ansprechend noch hübsch, schräg und aus der Zeit gefallen. Letzteres trifft gleichermassen auf den Inhalt des Romans "Unhaltbare Zustände" zu, der sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen in den Sechzigerjahren beschäftigt. Genauer gesagt, mit dem Schaufensterdekorateur Stettler, welcher sich in den Umwälzungen und Modernisierungen nicht mehr zurechtfindet.
Sulzer beschreibt mit einer einfachen und höflichen Sprache den Alltag des Mannes, verliert mit der Zeit allerdings die Nachvollziehbarkeit. Stettler wagt sich plötzlich an neue Taten, welche zwar die Geschichte unterhaltsam neu ausrichten, aber zu konstruiert wirken. Schöner passt das die zweite Handlungsebene mit der Pianistin, in die sich der alte Tugendreiter und Moralist verliebt. Der gegenseitige Austausch der Charaktere lässt tiefer in deren Denkweise schauen, "Unhaltbare Zustände" bleibt trotzdem ein zu flaches und irgendwie belangloses Buch.
Alles ist schon immer seinen geregelten Gang gegangen, doch im Jahre 1968 ist plötzliches vieles nicht mehr so eindeutig und die Jugend rebelliert gegen die Verhältnisse. Der Schaufensterdekorateur Stettler kann das alles nicht nachvollziehen, aber was hat es denn schon mit ihm zu tun? Sehr viel als plötzlich die Leitung des Berner Kaufhauses „Quatre Saisons“ entscheidet einem Jüngeren die Dekoration des wichtigen Weihnachtsfensters zu übergeben. Statt des erhofften Scheiterns muss Stettler den großen Erfolg des Konkurrenten miterleben und heimlich dessen überzeugende Wirkung anerkennen. Auch in der Liebe läuft es nicht, hatte er sich auf den Auftritt und ein anschließendes Treffen mit der Pianistin Lotte Zerbst gefreut, wird diese plötzlich aus politischen Gründen ausgeladen. Alles scheint aus den Fugen geraten in seinem bis dato so klar geordneten Leben. Doch Stettler gibt so schnell nicht auf.
Damit, einen Schaufensterdekorateur ins Zentrum einer Geschichte zu stellen ist Alain Claude Sulzer ein wahrlich außergewöhnlicher Coup gelungen. Die Tatsache, dass es nicht nur bei der Nennung des Berufs bleibt, sondern die Profession mit ihren Facetten tatsächlich zentral für die Handlung wird, hat mich zunächst stutzen und zögern lassen. Aber hierin zeigt sich der wahrlich brillante Autor: er hat das Auge für das Besondere im nahezu Banalen und kann im Alltäglichen etwas Außergewöhnliches entdecken und dies zu einer ganz überragenden Erzählung machen.
Bemerkenswert gelungen ist Sulzer die Verbindung des globalen Großereignisses „1968“ mit dem Leben des kleinen Schaufensterdekorateurs in der Schweizer Großstadt, die ja aber doch eher als provinziell und wenig bedeutend auf dem internationalen Parkett anzusehen ist. Sahen sich Regierungen und ganze Länder von der aufmüpfigen Jugend bedroht, wird auch Stettler in seiner Rolle als erster Dekorateur am Ort plötzlich von einem Jüngeren bedroht. Seine ästhetischen Vorstellungen sind ebenso wenig mehr gefragt wie die Werte und Ansichten seiner Generation. Das schlimmste jedoch ist, dass er alldem nichts entgegenzusetzen hat. Er muss einem Untergang beiwohnen bis hin zur völligen Demütigung.
Man kann dem Protagonisten leicht nachempfinden, hat einerseits Mitleid mit ihm und doch möchte man sich von dem alten, konservativen und gestrigen Mann lieber distanzieren. Er kann nicht aus seiner Haut, die neue Welt überfordert ihn und hat auch augenscheinlich keinen Platz für ihn mehr. Niemand wird ihn vermissen, wenn er nicht mehr zur Arbeit kommt, zu Hause wartet ebenfalls keiner.
Bildlich verdeutlicht Stettler und somit Sulzer, wie es den Menschen mit diesem Gefühl geht und wie sie keinen Ausweg mehr für sich sehen. Konkurrenzdruck, wandelnde Ansichten – entweder der Mensch passt sich an oder er muss weichen. Ein Roman, der bisweilen zum Schmunzeln einlädt, aber doch von einer wenn auch leichten Ernsthaftigkeit im Sujet getragen wird. Der Verlegung der Handlung 50 Jahre in die Vergangenheit suggeriert ein längst überholtes Problem, dabei ist es aber heute aktueller denn je. Vielleicht ermöglicht aber gerade die historische Distanz den Beginn des Nachdenkens über die Zeit, in der wir leben. Für mich einer der stärksten und gesellschaftlich relevantesten Romane bislang in 2019.
„Er stand in der Küche und kochte sich zwei Eier. Obwohl er zunächst Spiegeleier hatter braten wollen und deshalb die schwere gusseiserne Pfanne aus dem Küchenschrank hervorgeholt hatte, kochten die Eier nun im Wasser. Er hatte sich anders besonnen. Er hatte einen Topf mit Wasser gefüllt und aufkochen lassen. Er hatte die beiden Eier vorsichtig ins kochende Wasser gleiten lassen. Sie blieben heil.“
Wir haben es hier mit einem Mann zu tun, der ein besonders abwechslungsreiches Leben führt. Und soeben sind wir Zeuge eines besonders bedeutenden Ereignisses geworden.
Leider verrät der Autor nicht mehr. Warum hat sich der Held anders besonnen? Was bringt einen Menschen dazu, plötzlich Eier zu kochen, wenn er sogar schon die gusseiserne Pfanne aus dem Küchenschrank geholt hatte? Keine Frage könnte spannender sein. Aber nichts. Wir bekommen nichts als das blosse Faktum.
Der Mann ist Schaufensterdekorateur, kurz vor der Rente. Beinahe verliebt er sich noch in eine Radiopianisitin, der er Briefe schreibt, und die sogar sich mit ihm zu treffen bereit wäre. Leider kommt die Politik dazwischen, das ist beinahe schon aktuell, und so muss ein Schostakovitsch-Konzert ausfallen, das sie in seine Stadt geführt hätte.
Später kommt sie doch noch, aber da ist es schon zu spät, und er hat sich zu einem Akt des Aufstands entschieden, der eine Zweisamkeit mit ihr ausschließt.
Nicht, dass der Mann nicht schreiben könnte, aber leider ist das, was er für erzählenswert hält, nicht geeignet diesem Leser zu gefallen.
This is a very Swiss novel in my opinion with a very Swiss hero, at least it seems like this to me, not being Swiss but having lived in Switzerland for almost ten years. The story has been described before, so I will not repeat it in detail. Stettler to me seems very similar to some older people I have had random conversation with in queues: Set in his ways, conservative, orderly, punctual "Bünzli". the new age in the late sixties is as upsetting to him as the recent influx of lots of foreigners was to the people I spoke to, so it is quite a topical novel. The language is beautiful, also reflecting the way Stettler thinks. It is very precise, maybe a little too detached. I enjoyed this book a lot, although, somehow something was missing, even though I cannot quite say what.
Im Wandel Der Schweizer Schriftsteller Alain Claude Sulzer schreibt in seinem Roman „Unhaltbare Zustände“ von der Einsamkeit und dem Alter. Zwei Personen stehen im Mittelpunkt und es ist 1968. Der 60jährige Schaufensterdekorateur Stettler lebt seit dem tot seiner Mutter allein. Der Wandel der Zeit Sein einziger Lichtblick ist seine Korrespondenz mit der Radiopianistin Lotte Zerbst. Der Autor zeichnet beide Personen mit eigenen Schrullen. Lotte Zerbst Karriere endet beim Radio. Stettler ist ein alternder Hagestolz, der sich mit der neuen Zeit nicht anfreunden kann.
Sulzer schreibt mit schnellen und trockenem Stil. Der Roman ist gute Literatur.
Die Geschichte eines alternden Mannes, der sich nicht damit zufrieden gibt, entbehrlich zu werden. Ich muss sagen, den Schlussstrich, den Stettler zieht, hätte ich dem recht tadellosen, aber jähzornigen Protagonisten nicht zugetraut. Es war eine große Überraschung! Fast schon bittersüß ist hingegen der Briefwechsel mit der Radiopianistin. "Und am Ende finden sie sich doch" trifft hier auf sehr eigenwillige Weise zu. Trotzdem fehlte mir dieses Mal etwas Atmosphäre, die ich sonst trotz ihrer Knappheit an Worten in jedem Sulzer-Buch wiederfinden konnte.
#lesejahr2019 #schweizerbuchpreis #shortlist Ein Schaufensterdekorateur, der aus der Zeit gefallen ist, eine Pianistin, die den Sprung in die erste Reihe nicht geschafft hat, eine Klavierlehrerübergriffigkeit, die sich unerkannt über Jahre erstreckt. Das alles bringt #alainclaudesulzer unter einen Roman, stellt auch noch eine zaghafte Verbindung her. Naja, das muss man nicht gelesen haben.
Ziemlich seltsame Geschichte um einen alleinstehende älteren Schaufensterdekorateur, dem ein Jüngerer zur aseite gestellt wird, der mehr Erfolg und neuere Ideen hat.