Aus der Provinz nach St. Pauli. Ein Roman, so intensiv wie eine durchfeierte Nacht.
Albert hatte kaum das geleerte Schnapsglas auf den Tresen gestellt, als Gernot mit schiefer Brille auf ihn zu stob und »Weiter, weiter! Wir müssen weiter!«
Gerade aus der oberbergischen Provinz nach Hamburg gezogen, findet sich Albert Bremer mitten im Irrsinn einer Nacht auf St. Pauli wieder. Er trinkt Großmutters Aprikosengeist und Unmengen von Bier, trifft die tollste Frau und die skurrilsten Typen, die er je gesehen hat. Und im Laufe weniger Stunden findet er Freunde, ein WG-Zimmer und eine Band.
Vorglühen erzählt von Hamburg 1994 und von der Musik, die nach diesem Sommer ganz Deutschland begeistern wird. Vom Aufbruch aus der Provinz in die Großstadt, von alkoholgeschwängerten Nächten und Tagen, von Rausch und Begeisterung, von Freundschaft, Liebe, Verrat und Enttäuschung. Vom elektrisierenden Gefühl, an dem Ort zu sein, an dem gerade etwas ganz Großes entsteht.
Es ist Hamburg. Es regnet. Er ist das erste Mal alleine auf einem Konzert.
Und auf einem solchen dauert es zum Glück nie lange, bis man neue Freunde findet – die Band macht Krach, die Leute fliegen im Pogo durch den Club und das Bier fliesst in stetigen Strömen. Albert Bremer ist neu in Hamburg, raus aus der kulturellen Wüste der oberbergischen Provinz, rein ins Leben. Schnell findet er sich im nächtlichen Irrsinn einer Nacht auf St. Pauli wieder, findet neue Freunde, ein WG-Zimmer und eine Band.
«Ein Roman wie eine durchfeierte Nacht» – das haben sich Jan Müller und Rasmus Engler vorgenommen. Die beiden umtriebigen Hamburger Musiker (u.a. Tocotronic, Gary) gehen nun also unter die Schriftsteller. Das muss nicht zwingend eine gute Idee sein. Eines sei aber vorweggenommen: mit «Vorglühen» ist ihnen ein ausgezeichneter Wurf gelungen.
In Hamburg sagt man Tschüss
«Vorglühen» erzählt von Hamburg 1994, einem Lebensgefühl und von Musik. Was mit einer stark alkoholgeschwängerten Nacht beginnt, entwickelt sich zu einer Geschichte über Freundschaft, Liebe und die mit ihnen einhergehenden Enttäuschungen. Die WG, in der Albert landet, beinhaltet unter anderem Bandmitglieder, die zufälligerweise auch noch einen weiteren Gitarristen gebrauchen können – er ist engagiert. Proben, Konzerte und seine neue, hinreissende Bekanntschaft Diana nehmen ihn so ein, dass er die Existenz seines Germanistik-Studiums erfolgreich zu verdrängen weiss. Genauso wie die Tatsache, dass er in Barmbek immer noch ein Zimmer gemietet hat, das es zu kündigen gälte. Und das vermutlich gerade von seinem allzu spontan eingesetzten Untermieter verwüstet wird.
Ein Lebensgefühl, kein Schlüsselroman
Müller und Engler präsentieren die literarische Antithese zum neuen Berlin-Roman mit Latte Macchiato, Hipsters und Techno: Hamburg, Mutters Aprikosengeist und Rockmusik. Die Figuren sind impulsiv, skurril und umtriebig, wobei sie ab und zu tatsächlich etwas zustande bringen. Neben Mitbewohnern, Band und der hinreissenden Diana sind da zum Beispiel die alte Frau Baszak in der Wohnung über der WG, bei der man in Notsituationen Unterschlupf findet. Oder die Gebrüder Brett, die auf alles mit Verkleidung stehen. Oder Dido, die fleischfressende Pflanze, die zum Shootingstar wird.
Dabei fängt «Vorglühen» das elektrisierende Gefühl ein, in einer Zeit zu leben, in der gerade Grosses entsteht; und das gelingt, ohne dass die Figuren von sich selbst eingenommen wären. Auf verklärende Nostalgie wird glücklicherweise verzichtet. Den Autoren ist damit ein zeitloser und höchst unterhaltsamer Roman gelungen, der sich hervorragend als Sommerlektüre – bei Sehnsucht nach etwas Nebel und Nieselregen – eignet.
Ich mochte das Hörbuch sehr - erinnerte mich an „Herr Lehmann“ bzw eher „Der kleine Bruder“; natürlich später und Hamburg statt Berlin. Jan Müller liest super und meine Erwartungen wurden übertroffen.
Das ganze ist wirklich mitreißend, ein wenig ein Fiebertraum aber auch, einen den ich als Mitte 20-jährige gerade teilweise selber erlebe. Die letzten Seiten waren einfach großartig, es gab zwischendrin Längen leider aber der Rest, das ist genau das Gefühl, was ich den Menschen ansehe, die mit mir zusammen auf New Model Army Konzerten gehen.
sven regener auf schlaftablette. harmlos, zahnlos, tut nicht weh. eine coming of age geschichte in hamburg, kann man lesen, aber es gibt so viele so viel bessere alternativen. für tocotronic-ultras.
Nomen est Omen – es fließt viel Alkohol in diesem Buch, so viel ist mal klar. Doch was habe ich mich amüsiert über die Irrungen und Wirrungen einer jungen Band 1994 in Hamburg. Albert, ein lieber, oberbergischer „Jung“, zieht aus der Provinz nach Hamburg um dort die Luft der großen weiten Welt zu schnuppern. Eigentlich will er studieren, dieses Unterfangen betreibt er aber weniger als halbherzig. Auf Deutsch gesagt: Er kommt nicht aus dem Quark! Dieser im eigene Wesenszug, bleibt ihm auch im ganzen Buch mehr oder weniger erhalten, bis er ein besonderes Talent bei sich entdeckt. Er übergibt seine kleine Wohnung an einen misstrauenswürdigen Untermieter und zieht in eine typische WG nahe der Reeperbahn. Dort lernt er detailliert und liebevoll gezeichnete Protagonisten kennen, die an Skurrilität nicht zu übertreffen sind und deshalb vermutlich aus den Erinnerungen der Autoren stammen. Ich bin überzeugt: Die hat es zumindest zum Teil so gegeben! Z.B Claus, Kind reicher Eltern der in St. Pauli ein Leben zwischen Bürgertum und Rebellion auf die Reihe kriegt. Gernot, ewig knülle und vermutlich zukünftiger Alkoholiker, hat mich total genervt, doch seine Person ist der eigentliche Treiber der Geschichte und dann gibt es noch Susesch, gepflegt, gediegen und ein ruhender Pol in der Band – Bassist halt🤷🏼♀️! Sie haben alle ein gemeinsames Ziel: Ihre Musik so professionell hinzukriegen, dass auch andere drauf abfahren. Albert führt uns größtenteils sprachlos und beobachtend über die klebrigen Fußböden Hamburger Clubs , Imbissbuden und Kneipen der 90er. Alle Befürchtungen und Sorgen des frühen Erwachsenwerdens eine gewisse Ratlosigkeit und manche Fehlentscheidung bestimmen seine Figur. Unzählige weitere sehr skurrile Persönlichkeiten tauchen immer wieder auf und haben mich zeitweise laut lachen lassen. Aber auch Menschen die einem das Herz über laufen lassen, wie zum Beispiel Frau Baschak, verleihen dem Buch auch Tiefgang. Ich hätte auch gerne mal in ihrer Wohnung eine kleine Verschnaufpause gemacht. Die Sprache lebt vor allem durch die Dialoge, die mit einer Mischung aus 90erJahre Slang und Altherrenwörtern dem ganzen Pepp verleiht. Immer wieder tauchen verbale Running Gags auf, zum Beispiel die Suche nach einem Band Namen – zu komisch! Die Hamburger Musikszene der 90er kenne ich nicht explizit, aber ich kann mir vorstellen, dass das alles sehr authentisch ist. Generell glaube ich, dass das Gefühl, dass man sich auf niemanden verlassen kann, aber immer jemanden findet, wenn man wen oder was braucht, tatsächlich der Realität entsprach. so nach der Devise „das bekommen wir schon irgendwie hin“, und das bekamen sie auch. Ein Buch für alle, die eine kleine Zeitreise nach Hamburg unternehmen möchten, oder die vielleicht auch die 90er im Suffnebel , -orientierungslos und ohne Handy-verbracht haben und heute ein bisschen klarer drauf schauen möchten. Für die die gerne schmunzelnd zwischen den Zeilen lesen und vielleicht sogar was neues über Musik erfahren möchten. Ein Musik Roman, jenseits des Mainstream – die passende Playlist hab ich mir dazu angelegt und ich hätte niemals gedacht dass Freddy Quinn neben B. B. King und Canalterror auftauchen könnte 😂. Sehr lustig!
Moin, habt ihr früher eigentlich auch immer vorgeglüht?
Vorglühen Jan Müller / Ramses Engler
1994: Albert kommt zum studieren nach Hamburch. Freunde seina Eltern haben ihm ne coole Butze zur Verfügung gestellt. Nur leida ist diese in Barmbeeek und da ist ja bekanntlich der tote Hund begraben. In der Bahn lernt Albert 'nen coolen Typen kennen: Claus! Als er diesen ein zweites Mal auf'm Konzert trifft, wird das Wiedersehen erstma gebührend gefeiert, und zwar mit nem Zuch durch die Gemeindee. Wo er überall wa, weiss er nich mehr, aber irgendwann in der Naacht hat er sogar noch irgendwo 'n paar Riffs auf der Gitarre geklimpert. (Kommt ihr mit meinem Hamburger Schnodder-Slang klar? Oder soll ich ins Hochdeutsche wechseln? Nö?) Na ja, auf jeden Fall sind die neuen Kumpels von Albert begeistert und nehmen ihn prompt in ihrer Band auf.
Albert zieht kurzerhand um, in Claus seine WG nach St. Pauli - mitten auf'm Kiez. Den Eltern wird das erstmal nicht verklickert, denn Vaddern würde das sicher nicht gefallen. Und morgens zur Uni geh'n is auch viel zu früh und überhaupt.
Als Albert dann schon morgeens um 10 Uhr die erste Knolle (für nicht Hamburger: Bier) am Hals hat, 'ne Kakerlake in seinem WG-Zimmer findet, die Barmbeker Wohnung unabgestimmt an einen Messi untervermietet und zum ersten Mal in der Uni aufschlägt, und zwar gerade dann als vorlesungsfreie Zeit ist, merkt er, dass er ein kleines Problem hat.
Ups, da bin ich wieder! Ich war gerade mal für ein paar Lesestunden in Hamburg. Zurückversetzt in 1994, als ich selber dort als 23-jährige rumtobte. Allerdings in anderen Clubs. Aber das war ja mal ein #flashback der besonderen Art! Herrlich! Und diese liebe Frau Baszak! Ein echtes Hamburger Unikat! Das Autorenteam Müller und Engler haben hier wirklich ein besonderes Buch geschrieben. Auch wenn er meinen Musikgeschmack nicht wirklich traf, so fliegt man mit dem sympathischen Albert nur so durch die Seiten. Locker und leicht ist das Buch geschrieben. Ich konnte förmlich diese dreckige WG (wer kennt sie nicht?) vor mir sehen … Kleinere Passagen im Musikbereich waren mir zu lang, aber sonst ein wirklich kurzweiliges Buch.
Leseempfehlung für alle, die eine a Affinität zu Musik und/oder Hamburg in den 90er haben! 4½/ 5 und tschüss!
während der lektüre dieses buches war ich auf drei tocotronic-konzerten (19.8. hamburg, 20.8. berlin, 3.9. potsdam). auch wenn das nicht so klingt, hab ich das buch trotzdem mehr oder weniger in 2 sitzungen weggelesen, weil es einfach flüssig geschrieben und in der liebe zum detail auch durchaus begeisterungsfähig ist. aber - das liegt leider auch in erster linie daran, dass es ein gefühl von heimat vermittelt. auch ich war in den 90ern student, hatte eine band, unser proberaum war ähnlich versifft. wir haben ähnlich hoffnungsfroh gigs gespielt, wenn auch bei uns dann letztlich nichts weiter draus geworden ist. und das ist absolut ok. deswegen fühlte ich mich in dem buch sehr zuhause. darüber hinaus fehlt es mir dann aber an charakteren, die sich entwickeln würden. an bildern, die in erinnerung bleiben könnten. das ständige gesaufe nervt, die weiblichen figuren sind klischeehaftes beiwerk. da hilft es auch nicht, dass tocotronic bei den konzerten in hamburg und potsdam sicherlich bewusst jeweils zwei künstlerinnen eingeladen hatten, die bühne mit der band zu teilen.
Hat mich vor allem als Wahl-Hamburgerin überzeugt, es macht immer Spaß erwähnte Orte zu erkennen. Doch auch darüber hinaus sehr witzig geschrieben. Die Hauptperson zieht in die große Stadt um zu studieren, verliert und findet sich aber relativ schnell in der Musikszene St Paulis wieder. Themen wie Erwachsen werden, Selbstfindung, Freundschaften, junge Liebe werden auf chaotische aber witzige Weise behandelt. Die Grundstimmung ist eine von Aufbruch, Grenzenlosigkeit, alles ist möglich - ganz wie an einem guten Vorglühabend
Hamburg Mitte der 90er-Jahre. Alberts große Destination, raus aus dem Kuhdorf, rein ins Abenteuer an der Elbe. Das Studium muss ruhen, Musik, Liebe und Goofy sind wichtiger. Hier die WG, da die Band, mittendrin Diana. Und Albert? Taut auf und zelebriert das Leben in der Großstadt. Vorglühen, BRAND, das musikalische Feuer entfacht vollends.
This entire review has been hidden because of spoilers.
Als jemand der in Norddeutschland aufgewachsen ist und als Jugendlicher Hamburg verehrt hat, verstehe ich dieses Buch sehr gut. Macht Spaß und für Hamburg Affine der 90er/2000er ein tolles Ding.
Nostalgisch gut, wenn man in dieser Zeit in HH unterwegs war, das schon... und dann auch noch von Jan Müller, Basser von Tocotronic und bester Podcaster, co-verfasst. Aber worum ging es denn nochmal? Junge Männer lavieren sich durch den Alltag, trinken ständig und viel und überall (und selbst im Rückblick total unreflektiert), sind im Nachtleben unterwegs, in Proberäumen, leben in WGs streiten und vertragen sich... Hab ich was vergessen...? Alles in Allem hinterlässt es bei mir leider keine großartigen Spuren... Aber wer bin ich... Toco-Fan bleib ich dennoch und "Reflektor" bleibt mein absolutes Must am Musikpodcastfirmamen!
Heranwachsende Männer, die ständig saufen, und Frauen, die scheinbar in einem Paralleluniversum, das nicht betreten werden darf leben. Schwierig zur Hauptperson eine Form der Identifikation aufzubauen. Hinzu kommen sprachliche Fehler, wie dass die Personen Slang der Jetztzeit sprechen, aber das Ganze in den 90ern spielt (wie "nice").
Ich mag Jan Müller sehr gerne und schätze auch seinen Literaturgeschmack. Diesen Roman habe ich aber nach der Hälfte abgebrochen, weil er mich einfach nicht genug interessierte. Vielleicht bin ich aus dem Alter raus, vielleicht habe ich keine Lust mehr auf diese Dudes, durchsoffene Nächte und Band-Versuche, vielleicht ist er mir zu konventionell erzählt - vielleicht alles zusammen. Sorry, Jan.