Als Bettina Tietjen im Keller ihre alten Tagebücher wiederfindet, beginnt für sie eine aufwühlende Zeitreise. Sie begegnet ihrem 14-jährigen Ich wieder, das sich leidenschaftlich politisch positioniert, taucht ein in die ersten, manchmal auch nur heiß ersehnten Liebschaften, die Jahre der Abnabelung vom streng gläubigen Elternhaus und die große Suche nach dem Lebensglück. Konfrontiert mit den Träumen, den Idealen und Ängsten ihres jüngeren Ichs, begibt sich die heute einundsechzigjährige Moderatorin, Autorin und Talkmasterin auf eine höchst unterhaltsame, aber auch nachdenkliche Selbsterkundung und stellt fest: auch wenn wir Jahrzehnte später ganz anders auf das Leben blicken, können wir einiges von unserem jüngeren Ich lernen!
Ganz charmant, wie Tagebucheinträge einer bestimmten Entwicklungsphase aus dem Rückblick diverser Jahrzehnte nun mal sind (auch wenn man keine größere TV-Karriere hingelegt hat): Das (notwendigerweise) komplett Selbstbezogene dieser Notizen schafft im Idealfall eine nachsichtige Nähe, kann aber auch zu heftigem Augenrollen führen, und über allem hängt das unterschwellig Übergriffige, hier Aufzeichnungen zu Gesicht zu bekommen, die ursprünglich privat, bzw. "geheim" waren -- auch, wenn hinter den Kulissen natürlich mit Sicherheit mächtig editiert wurde. So auch bei den Tagebüchern der Frau Tietjen, nur, dass sie das, was der Leser ohnehin tut -- das Gelesene in den Kontext setzen --, einfach mal eben selbst beisteuert: Jedem wiedergegebenen Eintrag folgt eine Erläuterung, ein Zeigefinger, ein verständnisvoller Kommentar. Das ist auf den ersten Metern noch ganz nett, aber mit der Zeit ging es mir zunehmend auf die Nerven. Bettina Tietjen erklärt sich selbst; käme die Frau nicht so nett, patent und auf dem Boden geblieben rüber, hätte das schon das Potenzial zum Eitelkeitsprojekt. Soweit kommt es dann zum Glück doch nicht, aber wie gesagt, die Tagebucheinträge allein hätten an sich auch schon gereicht. So hat das Buch ein bisschen was von diesen unerträglichen Sentimental-Nostalgiesendungen, in denen C-Prominenz vor dem Green Screen zum Thema "Größte 80er-Hits von Wanne-Eickel" schwadronieren darf, welchen lebensverändernden Effekt "Living On Video" auf ihre Siebtklässlerseele ausgeübt hat. Nur, dass Frau Tietjen statt über schlimme Synthie-Songs eben von ihrer persönlichen Reifung und Entwicklung erzählt. Im Endeffekt ist das ein Selbstgespräch zwischen dem Jetzt-Ich und dem unfertigen, suchenden jungen Menschen von damals, oder besser: ein Monolog, 70er/80er-Bettina antwortet ja nicht. Ist das ein Buch, das die Welt brauchte? Die Frage lässt sich schon beantworten, indem man sich anstelle der Talk-Moderatorin als Autorin eine PTA aus Buchholz-Kleefeld vorstellt: eher nicht. Da spielt schon viel Promi-Bonus mit rein. Ich persönlich hätte genausogern durch die Tagebücher von Nicht-Prominenten gestöbert, einfach, weil ich dieses Rohe, Unmittelbare, auch ein bisschen selbstverblendet Doofe des Ultimativen Erste-Person-Singulars so schätze. Bloß die Erläuterungskommentare, die hätten nicht sein müssen.
Meinen Dank an Netgalley und der Verlag für die Überlassung eines Lese-Exemplars im Austausch für meine ehrliche Meinung.
Bettina Tietjen gibt uns in ihrem neuen Buch Einblick in ihre Tagebücher. So können wir ihr Leben vom Teenageralter bis zum Ende ihrer Zwanziger hautnah verfolgen. Vieles in ihrem Leben haben wohl die LeserInnen selbst auch erlebt, eine Kindheit in den Siebzigern, die ersten selbständigen Reisen und das Erwachsen werden in den Achtzigern. Ich konnte vieles nachvollziehen, auch wenn ich deutlich jünger als sie bin. Die Unsicherheit, wo will ich hin, was soll ich in meinem Leben machen und werde ich die Liebe meines Lebens treffen, alles Gedanken, die ich auch hatte.
Bewundernswert, wie sie sich schon früh getraut hat allein im Ausland für mehrere Monate zu Leben und sich ein Leben in Paris oder New York aufzubauen. Im Gegensatz steht dazu tatsächlich ihre permanente Unsicherheit, die in den Tagebucheinträgen heraussticht. Diese Ambivalenz fällt ihr im Rückblick auch selbst auf und auch, wie wenig das tagesaktuelle Geschehen in ihren Einträgen stattfindet. Wer hier einen Rückblick auf die aktuellen Geschehnisse dieser Zeit erwartet, wird wohl eher enttäuscht werden.
Mir hat das Buch gut gefallen, vor allem die Erläuterungen und Resümees zwischen den Einträgen. Es ist ein sehr persönliches Buch und zeigt, wie aus einem unsicheren Teenager die bekannte Talkmoderatorin von heute wurde. Von daher kann ich das Buch auf jeden Fall empfehlen.