Es ist der Morgen des 1. April, als etwas Ungeheures geschieht: Ein gelber Nebel zieht auf, der die Menschen buchstäblich in Luft auflöst. Aber nicht alle Menschen sind verschwunden, stellt Franz Lindner fest, der Erzähler dieses alle Grenzen sprengenden Romans. Er selbst hat als Patient einer Einrichtung für psychisch beeinträchtigte Künstlerinnen und Künstler die Katastrophe überlebt – wie auch die anderen Patienten, Ärzte und Besucher. So unfasslich das Ereignis ist, so konkret muss der Alltag jetzt organisiert werden. Eine Dorfgemeinschaft aus Bienenzüchtern entwickelt sich, und Franz Lindner wird ihr Chronist. Aber die neue Welt ist keine friedliche: Gewalt, Hass und Eifersucht sind nicht verschwunden, und auch die Natur scheint sich vom Menschen befreien zu wollen. Zwei Jahre begleiten wir »die Imker« durch eine Welt, in der Traum und Wirklichkeit nicht zu unterscheiden sind. Dann macht ein weiteres unerklärliches Ereignis der Geschichte ein überraschendes Ende. Gerhard Roths »Die Imker« ist ein philosophischer Roman im Setting einer Dystopie. Er behandelt die Entstehung von Gesellschaft und das Wesen des Menschen, vor allem die Bedeutung des Unbewussten und das Rätsel des Todes. Es ist das Spätwerk eines großen Autors, der in einem parabelartigen Gedankenspiel noch einmal alle Motive seines Denkens und Schreibens versammelt.
Gerhard Roth is perhaps the most important writer to emerge from that “hot-bed of geniuses,” the Forum Stadtpark, which has radically influenced German letters in the last two decades. His broad range of works, from experimental novels to plays and a children’s book, has earned him a number of major prizes, and several of his books have been filmed. An uncomfortable writer whose work revolves around extreme mental states and behaviour.
Ich bin etwas zwiegespalten bei diesem Roman, ich wollte ihn wirklich mögen, aber er hat mir letztlich doch nur ein recht begrenztes Lesevergnügen bereitet. Von den 550 Seiten waren maximal 250 Seiten anregend und interessant, ca. 300 Seiten etwas mühsam und teilweise für mich auch nur schwer nachvollziehbar. Über den Verlauf changiert es von manchen 1🌟 Passagen bis zu 4🌟.
Aber der Reihe nach: Es hat ja wirklich etwas Herzerweichendes. Ein leidenschaftlicher, fast fanatischer Autor, der sich über Jahrzehnte mit Leib und Seele seinem Gegenstand verschreibt, verfasst ein letztes Buch, ein Abschiedsbuch, in dem er nochmal alle ihm wichtigen Elemente seiner Literatur abbilden will. Der Roman erscheint im Mai 22, der Autor stirbt bereits im Februar. Er wird die ersten Leseexemplare vermutlich in Händen gehalten haben, der Gedanke hat etwas Tröstliches. Ich wollte das Buch haben, wollte es mögen und beim ersten Versuch hat es mich schon nach spätestens 100 Seiten rausgeschleudert, hab es also zunächst weggelegt und nun seit ein paar Tagen mit mehr Ruhe noch mal durchgeackert.
Es beginnt ziemlich spannend, der Plot weist zunächst auf eine Dystopie hin, ein mysteriöser gelber Nebel zieht auf und plötzlich sind alle Menschen verschwunden, bis auf die Menschen, die sich zu dem Zeitpunkt in einer abgelegenen Psychiatrie für Künstler aufhalten, Patienten, Personal, Besucher. Im Unterschied zu Thomas Glavinic’ Die Arbeit der Nacht (da ist nur mehr ein einzelner Mensch in Wien übrig), der den dystopischen Plot dann bis zum Ende konsequent durcharbeitet, geht Roth einen anderen Weg. Die kleine Gesellschaft stellt sich neu auf, Beziehungen und Rollen, die vorher klar definiert waren, werden neu interpretiert. Analogien der Gesellschaft zum Bien werden gezogen. Psychische Erkrankungen bleiben natürlich bestehen und so erleben wir als Leser die Geschichte aus der Wahrnehmung der Hauptfigur, eines Patienten. Da er offensichtlich manchmal unter Wahnvorstellungen leidet, erleben wir dann zum Teil Western- oder Action-Szenen, die möglicherweise so gar nicht stattfinden bzw. erst stattfinden werden, weil er die Zukunft in Visionen voraussieht. Auch die anderen Figuren, Malia, seine Geliebte, der Feldwebel usw. verfolgen ihre Interessen und der Alltag plätschert so dahin. In diesem langen Mittelteil wird es für mich ziemlich langatmig, weil ich mit der mäandernden und etwas chaotischen Handlung (über ca. 300 Seiten) nicht wirklich warm werde und den Gedankenströmen des (in diesem Kontext natürlich extrem) unzuverlässigen Erzählers nicht gut folgen kann. Immer wieder wird der Lesefluss zudem durch collageartige Einsprengsel unterbrochen, Beschreibung irgendwelcher Persönlichkeiten, die mit der Geschichte eigentlich nichts zu tun haben, dann fast schon essayistische Passagen zur Bienenzucht oder seitenlange „Gedichte“, die aus einer Abfolge von unzusammenhängenden (?) Sätzen bestehen, wie etwa:
„Unter der Brücke werden chinesische Zauberformeln angeschwemmt. Der Bienenstock ist der Hut der Elster. Wenn der Schornstein zusammenbricht, wird die Fabrik zum Schlangennest.“
Vieles hab ich nicht kapiert, aber im letzten Viertel wird das Ansinnen des Autors direkt formuliert: „Ich schweife ab. Ich will etwas schreiben, das einem Ornament gleicht und Fragment des endlosen Raums ist, der endlosen Zeit, der Unendlichkeit.“
Fazit: ich war vorbereitet, mich durchquälen zu müssen, darin bin ich aktuell trainiert, weil ich versuche, ein paar Bücher fertigzulesen, die ich schon mal angefangen und noch nicht abschreiben wollte. Glory von Noviolet Bulawayo war gefolgt von Schnee von Pamuk bisher die größte Qual. Die Imker war vergleichsweise weniger Qual und macht zwischendurch sogar Freude, weil es deutlich frischer und literarisch ansprechender geschrieben ist. Pamuk (Roth und Pamuk sind ungefähr die gleiche Generation) stelle ich mir in stocksteifer Haltung, im Dreiteiler mit Krawatte in einer winzigen, dunklen, schlecht gelüfteten Stube vor, im Vergleich dazu Gerhard Roth in der Strickweste und Sandalen im Obstgarten, ein Krug Rotwein am Gartentisch, der während er über seine Sätze nachdenkt, immer wieder die im Wind schaukelnden Äste in den Bäumen (und natürlich die Bienen) betrachtet.
Das geblümte Speiseservice verdorrt, selbst das Düngen hilft nicht mehr. Wer jünger aussehen will, muss die Volksschule wiederholen. Zu Mittag werden die Helfer mit Lachgas versorgt. Alles sieht anders aus, als es ist, auch wenn es aussieht, wie es ist. Der Blitz schlägt in die Glockenblume ein und setzt das Spielwerk in Gang, das augenblicklich am Donner zerbricht.
Ein gelber Nebel zieht auf und die Menschheit verschwindet. Grösstenteils zumindest – ein paar Menschen sind übriggeblieben. So auch der Erzähler Franz Lindner – er hat als Patient einer Einrichtung für psychisch beeinträchtigte Künstlerinnen und Künstler die Katastrophe überlebt. Nun gilt es, den Alltag neu zu organisieren. Es entsteht eine Dorfgemeinschaft aus Imkern, und Lindner wird ihr Chronist. Allerdings ein mässig zuverlässiger ...
Gerhard Roths letzter Roman «Die Imker» ist nicht die Dystopie, die ich erwartet hatte. Vielmehr wird hier eine philosophische Betrachtung zur Gesellschaft gemacht – mit zahlreichen Einschüben aus Gedichten, zu Filmen, Kunst und natürlich zum Wesen der Bienen. Die Struktur spiegelt den wirren Geisteszustand des Erzählers, der sich zwar klare Gedanken zu diesen Themen macht, dem der Alltag aber ansonsten komplett entgleitet. So auch mir die zugrunde liegende Handlung. Auch wenn ich mich etwas durchkämpfen musste: Das Ganze ist hervorragend geschrieben und lädt zum Grübeln und Geniessen ein.