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Gekränkte Freiheit - Aspekte des libertären Autoritarismus

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Corona-Leugner mit Blumenketten, Künstlerinnen, die naturwissenschaftliche Erkenntnisse infrage stellen, Journalisten, die sich als Rebellen gegen angebliche Sprechverbote inszenieren: Der libertäre Autoritäre hat Einzug gehalten in den politischen Diskurs. Er sehnt sich nicht nach einer verklärten Vergangenheit oder der starken Hand des Staates, sondern streitet lautstark für individuelle Freiheiten. Etwa frei zu sein von Rücksichtnahme, von gesellschaftlichen Zwängen – und frei von gesellschaftlicher Solidarität.

Der libertäre Autoritarismus, so Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey, ist eine Folge der Freiheitsversprechen der Spätmoderne: Mündig soll er sein, der Einzelne, dazu noch authentisch und hochgradig eigenverantwortlich. Gleichzeitig erlebt er sich als zunehmend macht- und einflusslos gegenüber einer komplexer werdenden Welt. Das wird als Kränkung erfahren und äußert sich in Ressentiment und Demokratiefeindlichkeit.

Auf der Grundlage zahlreicher Fallstudien verleihen Amlinger und Nachtwey dieser Sozialfigur Kontur. Sie erläutern die sozialen Gründe, die zu einem Wandel des autoritären Charakters führten, wie ihn noch die Kritische Theorie sich dachte. Die Spätmoderne bringt einen Protesttypus hervor, dessen Ruf nach individueller Souveränität eine Bedrohung ist für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen: die Verleugnung einer geteilten Realität.

480 pages, Hardcover

Published October 10, 2022

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Carolin Amlinger

6 books7 followers

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4 (2%)
1 star
6 (3%)
Displaying 1 - 17 of 17 reviews
Profile Image for Anna Carina.
682 reviews339 followers
January 22, 2023
Die Autor:innen haben aufgrund von vielen Interviews mit Mitgliedern der Querdenkerszene und Auswertungen von Fragebögen das Phänomen des "libertären Autoritarismus" definieren können und verarbeiten in diesem Buch ihre Erkenntnisse als Beobachtung einer Tendenz in der Gesellschaft, die meines Erachtens weit über die Querdenkerszene und Coronaproteste hinaus geht.
Der Einstieg ist nicht ganz leicht in das Buch, jedenfalls für jemanden wie mich, der wenig Vorwissen zu verschiedensten Philosophen, Soziologen und Theorien des kritischen Denkens mitbringt. Auf mich wirkte es zunächst etwas wirr, da die Autor:innen von allen Seiten Referenzen heranziehen, zitieren und sämtliche Betrachtungen zum Freiheitsbegriff, des Autoritären Typen und kultureller Entwicklungen seit des Nazi-Regimes in Deutschland aufs Papier bringen.
Dieses Sachbuch ist allerdings ein sehr gutes Beispiel dafür, wie anspruchsvolle Themen, viele Bildungssprachliche Begriffe (habe so etliches nachschlagen müssen) mit einer klaren und gut verständlichen Sprache vermittelt werden.
Ein wahnsinnig tolles und umfangreiches Literaturverzeichnis lädt dazu ein, sich während des Lesens auf Abwege zu begeben.

Die Definition des Libertären Autoritarismus schreitet durch die Betrachtungen des Buches voran und bekommt immer mehr Form. Der Unterschied zu klassisch Rechten: die Menschen wollen keinen starken Staat, sondern einen abwesenden. In diesem Interview bei Jung&Naiv : https://youtu.be/IAkJQi2MGQk spricht Nachtwey über das Buch und sagt, dass der libertär Autoritäre nicht mit dem "autoritären Liberalen" aus den USA zu vergleichen sei, der eindeutig einer Führerfigur nachjagt und einer externen Autorität folgen würde. Das Phänomen des libertär autoritären, der hier beobachtet wird, stellt die eigene Souveränität in den Mittelpunkt.

Ein Großteil des Buches beschäftigt sich gar nicht mit der Querdenker Szene oder Corona, sondern arbeitet sich an der Definition des Freiheitsbegriffes ab und nimmt mit Beispielen auf Gesellschaftliche Probleme, Dilemmata und Dynamiken Bezug.
Die Ganzen Debatten um gendergerechte und rassistische Sprache, "alte weiße Männer", der Shitstorm auf diverse Comedians und Intellektuelle in Talkshows wird mit eingewoben und ergibt für mich unter der Argumentaion des Buches ein völlig schlüssiges Bild.

Das Buch geht auf etliche Probleme der kapitalistisch und noeliberal geprägten Gesellschaft ein :
• Fortschritt als zivilisatorischer Zwang, der Individualität raubt
• Abbau sozialer Hierarchien und Aufhebung starrer Konventionen - Auslotung neuer Machtverhältnisse- Klassengesellschaft wird sichtbar
• Komplexitätssteigerung der Welt
• Desynchronisation: Krisen, schnelle Entscheidung nötig, langsame Politik wird in Meinungsbildung durch social Media überholt
• Gegenepistemiologie: Ziel Wissen zu demokratisieren hat eine regressive Nebenfolge- postfaktisches Wissen
• Paradoxie der Gleichheit
• Beziehungsgefüge das durch den Vergleichs- und Relationszwang entzündet wird: Groll, Zorn, Wut, Ressentiment
• Neoliberale Zurückdrängung des Sozialen - normativer Nihilismus - enthemmte Freiheit
• gekränkte Freiheit: die junge Generation Klimawandel kritisiert den exessiven hedonistischen Lebenswandel der Älteren und die Älteren werden wegen ihres Anspruchs aufs Meinungsführerschaft in Frage gestellt. Folge: Radikalisierung der eigenen Grundorientierung, die ins Autoritäre kippen kann.

Dem Sozialtypus des Narzissten wird hier Raum gegeben.
Es folgt ein komplettes Kapitel über den Intellektuellen als regressiven Gegner des sozialen Wandels und zum Schluss können wir ein paar Interviews mit Querdenkern lesen und kommen auf die Coronaproteste zu sprechen.
Moralische Empörung entzündet sich, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht erfüllt wird. Wie lautet denn unser Vertrag der Spätmoderne? Individuell, leistungsbereit, verdinglichte Freiheit.
"Solidarität gehört seit dem Neoliberalismus nur noch in Spurenelementen zum impliziten Gesellschaftsvertrag... Solidarität gibt es nur für Gemeinschaften, die einen selbstbestimmten Gegenentwurf zu fremdbestimmten sozialen Beziehungen darstellen"
Profile Image for combat0r.
18 reviews2 followers
Read
November 17, 2022
Die Theoriekapitel am Anfang des Buches ziehen sich lange und sind wie von Nachtwey gewohnt recht überakademisiert formuliert, die Lektüre lohnt sich aber. Zum aktuellen Zeitpunkt die beste Analyse der Querdenken-Szene, auch wenn die Repräsentativität der Befragungsdaten wie üblich bei solchen Phänomenen nicht gegeben ist. Zur Vorbereitung ist das Interview von Nachtwey bei Jung&Naiv sehr zu empfehlen: https://www.youtube.com/watch?v=IAkJQ...
Profile Image for Jens Kreet.
Author 3 books18 followers
November 12, 2024
Das vorliegende Werk ist eine soziologische Fachschrift und kein populäres Sachbuch. Es ist geeignet für Menschen, die am wissenschaftlichen Diskurs teilnehmen wollen und vermutlich eher geistes- und sozialwissenschaftlich oder wirtschaftswissenschaftlich unterwegs sind.

Ich tat mich schwer mit dem Lesen, weil ich seit 20 Jahren aus der Wissenschaft raus bin. Die theoretischen Grundlagen sind sehr tiefgreifend. Besonders die Frankfurter Schule mit ihren Forschungen zur autoritären Persönlichkeit dienen als Grundlage der Arbeit.

Es soll überprüft werden, inwiefern sich diese autoritäre Persönlichkeit in den letzten 50 Jahren weiterentwickelt hat. Besonders die letzten 10 Jahre sind hierbei von Interesse. Denn in dieser Zeit traten alle möglichen Phänomene auf, die unseren Glauben an die Menschheit erschüttert haben.

Als empirisch sozialisierter Soziologe gefielen mir natürlich am meisten die Auswertung der qualitativen und quantitativen Interviews. Es wurde festgestellt, dass vier neue Typen sich als Nachfolger der von Horkheimer, Adorno & Co. dargestellten Gruppen sich entwickelt haben.

Sie haben alle gemeinsam, dass die Menschen, die sich so entwickelt haben, häufig kosmopolitische Menschen waren oder sind, denen Spiritualität, die Einheit von Körper und Geist und Transzendenz wichtig waren.

Ihre Freiheit ist ihnen wichtig. So wichtig, dass sie bereit sind, dafür einen hohen gesellschaftlichen Preis zu bezahlen, etwa die Zerstörung der Erde durch die Klimakatastrophe, der Tod vieler Menschen in der Coronavirus-Krankheit-19-Seuche oder die Eroberung der Ukraine durch die Russen. Diese Menschen wollen keinen Führer, sie akzeptieren keine Experten, die einzige Instanz, denen sie huldigen, sind sie selbst.

Danke an die*n Autor*in für diesen wichtigen Beitrag für die soziologische Forschung.
This entire review has been hidden because of spoilers.
Profile Image for Frau Becker.
221 reviews48 followers
October 26, 2023
Ein absolut wichtiges Buch: Allzu häufig werden Querdenker, Verschwörungstheoretiker u.a. in der Öffentlichkeit schlimmstenfalls als fehlgeleitete Spinner, bestenfalls noch als von diffusen Emotionen Getriebene dargestellt. Wirklich ernst genommen wird das Phänomen noch zu selten. Zwar konstatieren auch Armlinger und Nachtwey diese Gruppen als problematisch, aber dieses Urteil steht erst am Ende einer durchaus verständigen Auseinandersetzung: Denn wer könnte für sich selbst ausschließen, dass ihn Schicksalsschläge, soziale Isolation und ein gekränktes Selbstbild nicht auch in eine grundsätzliche Ablehnung des politischen Konsens führen würden?
Stärke des Buches ist darüber hinaus, dass es nicht nur auf eine qualitative Untersuchung in Form von Interviews mit Vertreter*innen der Szene abzielt, sondern diese auf einem Gerüst gründlichster Theoriearbeit aufbaut. Da geht es um die Bestimmung des Freiheitsbegriffs und den spezifischen Begriff der "verdinglichten Freiheit" sowie um Adornos Studie zum autoritären Charakter, die als Differenzierungsfolie dient u.v.m. Hier wird so ziemlich auf alles Bezug genommen, was in der Soziologie Rang und Namen hat, womit nicht nur im Hinblick auf die eigentliche Fragestellung ein holistisches Bild unserer Gegenwart entsteht. Das ist zuweilen in einem sehr dichten Fachjargon verfasst, der die Lektüre anfangs nicht ganz einfach macht. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, die Fallanalysen aus den letzten Kapiteln stärker mit dem Theorieteil zu verzahnen. Insgesamt aber war das eine absolut gewinnbringende Lektüre.
Profile Image for Gerd.
53 reviews
November 20, 2022
Ich musste mich erst in den Jargon der Soziolog*innen einlesen. Danach bot sich mir eine fundierte Analyse der verschiedenen Strömungen und Erscheinungsformen dessen, was man unter Querdenkerbewegung zusammenfasst. Für Amlinger und Nachtwey ist dies kein zufälliges Phänomen sondern eine Folge der gesellschaftlichen Entwiclung der Spätmoderne. Diese Bewegung wird uns leider noch sehr lange begleiten.
Profile Image for Letotheon.
65 reviews
November 2, 2025
Leider kann ich hier nur eine dringende Empfehlung das Buch nicht zu lesen aussprechen. wenige Autoren koppeln eine kritische, marxistische inspirierte Sicht so gekonnt mit einer nahezu unerträglichen Arroganz gegenüber Menschen, die nicht dem Ideal eines starken linken Staats anhängen. Diese "problematische Orientierung" wird hier entweder durch narzisstische Züge oder ein verletztes inneres Kind orientiert - wer sich für Grundrechte oder die Selbstentfaltung engagiert wird mit Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen in einen Topf geworfen und kurzerhand für egoistisch erklärt. Das Buch ist leider eine totale Enttäuschung.

Studien werden zwar stellenweise referenziert, aber gerade an den Stellen, an denen die Autoren große Behauptung aufstellen werden keine Belege angeführt. Wiederholt wird betont, dass es eigene Daten gibt, aber diese werden nicht dargestellt.
Profile Image for Sven Beck.
41 reviews
September 25, 2024
der hang zum "libertären autoritarismus" soll hier als nachfolger von adornos "autoritären charakterstudien" betrachtet werden. die widersprüche in unserer kapitalistischen gesellschaft führen zu einer art narzisstischen kränkung, die ins autoritäre geht, allerdings ohne unterordnung, im gegenteil, mit überhöhung des eigenen ichs. auf 350 seiten erklären die beiden autoris, wie die bundesrepublik seit den 70ern diese regression bedingt und schieben dann untermalende interviews mit verschiedensten querdenkis hinterher.
ich denke das phänomen wird nicht verschwinden und das buch trägt definitiv zum verständnis bei. es ist aber für einen nicht-soziologen oder geisteswissenschaftler sehr komplex und oft nicht gerade spannend.
Profile Image for Gavin Armour.
612 reviews127 followers
December 18, 2022
„Wutbürger“, „Querdenker“, „Reichsbürger“, „Corona-Leugner“, „Rechtsradikale“ – die Bezeichnungen für jene, die die Demokratie, wie sie sich in Deutschland darstellt, ablehnen, sind Legion. Doch es ist komplizierter, als so mancher Leitartikler es sich wünschen würde. Nicht alle Corona-Leugner sind Rechte, nicht alle Reichsbürger schließen sich rechtsextremen Gruppierungen an. An der Basis des Problems scheint es lediglich die Sicherheit zu geben, daß sich in Deutschland 2022 etwas zusammenbraut, das für die Demokratie in diesem Land gefährlich werden kann. Die Entwicklung ist nicht aus dem Nichts gekommen, kündigt sich seit geraumer Zeit an – einige meinen, seit 2013, also seit der Gründung der Alternative für Deutschland, kurz AfD, andere machen die Massenmigration des Jahres 2015 verantwortlich – und kulminiert seit geraumer Zeit in immer wieder aufgedeckten konspirativen Zirkeln, die von Umsturz und Staatsstreich träumen. Und oft genug – es sind immer häufiger auch Angehörige der Exekutive, namentlich der Polizei, der Spezialeinheiten der Polizei und der Armee, die an diesen Zirkeln beteiligt sind – sind viele derer, die sich da zusammentun, zumindest in der Lage, sich zu bewaffnen, wenn sie nicht längst bewaffnet sind. So oder so ein bedrohliches Szenario.

Seit geraumer Zeit gibt es auch ein ganz eigenes Genre der Sach- und Fachliteratur, welches sich im weitesten Sinne mit diesen Aspekten der spätmodernen Demokratie beschäftigt. Da werden kluge Bücher über Verschwörungstheorien geschrieben, es wird die ostdeutsche Seele durchleuchtet, da dort – gemessen am Bevölkerungsanteil – rechtsgerichtete Parteien und Gruppen überdurchschnittlich viel Zulauf und Unterstützung genießen, es wird „der Riss“ genauer untersucht, der vermeintlich durch dieses Land und seine Gesellschaft festzustellen sei, es werden einzelne Aspekte herausgegriffen – Sprachgewohnheiten, Social-Media-Blasen, Begriffe wie „alternative Fakten“ oder „Fake News“ – und analysiert. Es wird die AfD genauer unter die Lupe genommen und betrachtet, wie man den Faschismus heutzutage zu bewerten habe, es werden einzelne Vertreter gerade dieser Partei beschrieben, sei es Herr Gauland, sei es Herr Höcke, und es wird immer wieder darauf verwiesen, daß wir es letztlich mit einem Phänomen zu tun haben, welches nicht mehr an den gängigen Rechts-links-Schemata entlang zu behandeln sei.

Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey legen mit GEKRÄNKTE FREIHEIT. ASPEKTE DES LIBERTÄREN AUTORITARISMUS (2022) eine weitestgehend wissenschaftlich basierte Studie vor, die sich bemüht, Charaktermerkmale jener Menschen zu durchleuchten, die sich diesen Bewegungen, Parteien, Gruppierungen anschließen. Sie haben dafür mit einer ganzen Reihe von Parteigängern der Corona-Leugner und anderer Gruppen gesprochen, räumen allerdings selbst ein, daß sie sicherlich nicht mit denen sprechen konnten, die dem System, das sie ja bekämpfen, bereits gänzlich verloren gegangen sind. Denn die würden auch Vertreter der Wissenschaft – Nachtwey ist Soziologe an der Universität Basel, Amlinger Literatursoziologin, ebenfalls in Basel – als systemimmanent betrachten und schon aus Gründen der Voreingenommenheit nicht mit ihnen sprechen. So ist es wahrscheinlich interessanter, auf welcher Basis die Autoren ihre Untersuchung betreiben, denn ihre Feldforschung, die letztlich wohl Stückwerk bleiben musste.

Amlinger und Nachtwey stützen sich auf einige der wesentlichen Werke des 20. Jahrhunderts, wenn es um die Frage nach dem autoritären Charakter und die Entwicklung der europäischen Faschismen geht, Adorno/Horkheimers Untersuchungen zum Autoritären Charakter und ihre Negative Dialektik. Doch geht es ihnen weniger um jene Figuren und Typen, die den beiden Meisterdenkern wichtig waren, sondern eher um jene, die im ursprünglichen Text eher Nebenrollen spielten, laut Amlinger und Nachtwey heute aber viel mehr im Fokus stehen und bedeutender den modernen Typus dessen verkörpern, womit die Gesellschaft es zu tun hat. Da ist zum einen der „Rebell“, zum andern der „Spinner“.

Der Rebell ist ein oft von links nach rechts gewanderter Skeptiker gegenüber jedem politischen System. Er entstammt oftmals einem eher alternativen Milieu, gelegentlich esoterischen Zirkeln, neigt oftmals dazu, das politische, vor allem aber das institutionelle System in Frage zu stellen. Viele dieses Typus´ entwickelten vor allem während der Corona-Jahre eine Abneigung gegen staatliche Institutionen, die zuvor möglicherweise latent vorhanden war und nun, in einer akuten Krise, aktiviert wurde und zu immer radikaleren Positionen führte. Der Rebell, wie Amlinger und Nachtwey ihn verstehen, ist die für ihre Untersuchungen wesentliche Figur, der sie das Adjektiv „regressiv“ voranstellen, womit beschrieben wird, daß seine charakteristischen Merkmale – vor allem die Abneigung allen Autoritäten gegenüber – zu immer stärkerer Feindschaft und schließlich auch zu Projektionen auf Gruppen, meist Ausländer, „Fremde“, führt, die schließlich zu einer kompletten Ablehnung des politischen Systems führt. Allerdings ohne eine Vorstellung von einer Alternative. Dies steht unmittelbar mit dem Freiheitsbegriff des „regressiven Rebellen“ in Zusammenhang. Ihm zur Seite gestellt wird der „autoritäre Innovator“, in welchem durchaus xenophobe und letztlich autoritäre Ressentiments schlummern; doch will der Innovator Änderungen und Reformen (in seinem Sinne) innerhalb des herrschenden Systems bewirken.

Anders ist dies beim „Spinner“. Der scheint auch in den Augen der Autoren für das System verloren. Es ist der klassische Verschwörungsmystiker. Dieser Typus lehnt das System nicht nur ab, sondern ist im Zweifelsfall auch bereit, mit Gewalt und vor allem konspirativ – also mit eben jenen Mitteln, die er eigentlich ablehnt – gegen die bestehende Ordnung vorzugehen. Vielleicht ist er der in der heutigen Zeit gefährlichere Typus, allerdings ist der eine ohne die anderen nicht zu denken. Die gefährliche Melange, die da entsteht und nicht zuletzt durch Pläne sogenannter „Reichsbürger“ – eher dem „Spinner“ zuzuordnen – , einen gewaltsamen Staatsstreich zu begehen, um die Rechtsordnung in diesem Land zu stürzen (so wurde im Herbst/Winter 2022 eine solche Verschwörung durch den Verfassungsschutz aufgedeckt und mit einer groß angelegten Razzia unterbunden), einmal mehr bewiesen werden konnte, braucht all diese unterschiedlichen Typen, die oft wie eine bunt zusammengewürfelte Truppe wirken, die inhaltlich – oder gar ideologisch – kaum zusammen zu passen scheint, um wirklich Gefahr für den Rechtsstaat und die Rechtsordnung darzustellen.

Was aber ist es, was all diese unterschiedlichen Typen des Autoritären zusammenbringt? Wie können die Autoren das scheinbare Oxymoron des libertären Autoritarismus nutzen? Wo ist die Schnittmenge all dieser scheinbar so unterschiedlichen Typen?

Nach einem kurzen Ritt durch die Geschichte des europäischen und amerikanischen Liberalismus und seiner diversen Ausbildungen, einer Kurzgeschichte der Ausbildung der Freiheitsbegriffe in den unterschiedlichen Demokratisierungsbewegungen, widmen sich die Autoren etwas ausgiebiger den libertären Entwicklungen nach den Umbrüchen, die unter der Chiffre „1968“ zusammengefasst werden können. Nach dem vermeintlich gemeinsamen Aufbruch einer Genration, die sich in den USA den Bürgerechten und dem Widerstand gegen einen fürchterlichen Krieg in Südostasien zuwandte, in Europa die Reste der autoritären Vorkriegsgeneration angriff und – vor allem in Deutschland – eine Emanzipation von der Elterngeneration darstellte, die die Schrecken des 20. Jahrhunderts zugelassen oder gar forciert hatte, zersplitterte diese Bewegung, wenn man sie denn so nennen will, in zahlreiche Gruppen. Einige blieben politisch – und zogen sich in wiederum immer autoritärer regulierte und vor allem auch autoritär agierende Zirkel, u.a. die sogenannten K-Gruppen, zurück; andere begannen den „Marsch durch die Institutionen“ und fanden auf diesem Wege auch Frieden mit einem einst abgelehnten System, einige fanden sich bei den GRÜNEN wieder und drangen so auch ins politische System direkt ein, und einige lösten sich gänzlich aus dem politischen Umfeld und betraten den Weg in die „neue Innerlichkeit“, beschäftigten sich mit sich und dem eigenen Befinden. Daraus wiederum entstanden nicht nur dann wieder politisch motivierte und wirksame Untergruppen – genannt seien die Feministinnen oder auch die Schwul-lesbische Bewegung – sondern auch esoterische Zirkel, Aussteigerkommunen, letztlich aber auch das, was mittlerweile in eine Wellness- und Yoga-Freiheit führt. Man kümmerte sich um Ernährung (Vegetarismus und Veganismus), um den Körper (Yoga), natürlich auch den Geist (Anthroposophen) etc. Oft gab es auch Schnittmengen in diesen bis zur Unkenntlichkeit zersplitterten Untergruppen.

Die Freiheit, die in all diesen Gruppen noch gemeint war, war immer eine Freiheit zu. Hin zu einer besseren Zukunft – individuell wie gesellschaftlich betrachtet. Amlinger und Nachtwey stellen nun aber eine Entwicklung fest, die sie mit dem Begriff der „verdinglichten Freiheit“ belegen. Freiheit wird nun nicht mehr in den klassischen Bezugsrahmen betrachtet – eingebettet in einem Klassenbewusstsein bspw. – sondern als etwas zutiefst Subjektives und Individuelles. Freiheit bedeutet nun, daß das Ich sich nicht mehr eingeengt fühlen will, auch nicht durch die Zumutungen einer gemeinsam austarierte Realität. Diese Beobachtung zieht sich für die Autoren durch nahezu alle Schichten, ist bei Intellektuellen ebenso anzutreffen, wie bei Angestellten, bei Freiberuflern, unter Beamten oder Selbstständigen. Hier macht sich – die Autoren führen dies darauf zurück, daß jene Werte, die in den 70ern noch in kleinen Gruppen galten, mittlerweile in den Mainstream eingedrungen seien – das Gefühl breit, daß die höchstpersönliche Freiheit eingeschränkt sei. Es beginnt bei den ganz großen Themen – Meinungsfreiheit, Cancel Culture, vermeintlich diktatorische Zustände in den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie – und reicht bis in die ganz private Umgebung. Denn diese Kreise stören sich im Grunde an jeder Regel, die sie persönlich nicht mögen. So wird der Kampf um gendergerechte Sprache – soll der „Mohrenkopf“ noch so heißen, ist das „Zigeuner“-Schnitzel verwerflich, wie geht man mit dem generischen Maskulinum um? – zu einem Kulturkampf um persönliche Freiheit.

Freiheit, wie sie nun verstanden wird, ist also ein persönliches Besitztum, eben „verdinglichte Freiheit“. Allerdings ist oft durchschaubar, daß hier bisherige, gesellschaftlich privilegierte Gruppen um ihre Pfründe kämpfen. Einst liberale oder gar linke Intellektuelle machen interessante Entwicklungen durch, nicht zuletzt, weil sie ihre Vormachtstellung im Spektrum der Meinungsmacher bedroht sehen. Andere, die sozial und kulturell womöglich wirklich von Abstieg und Ausgrenzung betroffen sind, gleich ob durch Alter, Arbeitsmarkt oder einfach die eigene Sozialisation, fühlen sich generell bedroht durch eine „woke“, urbane Kultur, die sie zurückzulassen scheint usw.

Alminger und Nachtwey sind vorsichtig, all diese Menschen über einen Kamm zu scheren. Sie sind nicht alle rechtsradikal, sie sind nicht alle ideologisch gefestigte Feinde der Demokratie, sie sind auch nicht alle grundlegend gegen diesen Staat. Doch sie alle betrachten Freiheit als etwas Persönliches, das sie letztlich ermächtigt, sich gegen jede (gesellschaftliche) Regel zu erheben, die diese persönliche Freiheit einschränkt. Und diese Haltung ermöglicht es auch, ganz persönliche Kränkungen und Verletztheiten als Grund anzuführen, sich gegen die herrschende Ordnung aufzulehnen.

Wie bei vielen der Bücher, die sich mit den Entwicklungen beschäftigen, die hier beschrieben wurden, mühen auch Alminger und Nachtwey sich, Antworten und Handlungsanweisungen zu geben. Doch muß man ihnen zugutehalten, daß sie anders als etliche ihrer Vorgänger nicht zu glauben scheinen, Allheilmittel an der Hand zu haben. Sie sind Wissenschaftler und in dieser Position sind sie auch ehrlich genug, die Schwächen der eigenen Studien zu benennen (bspw. die Frage, wer mit ihnen zu sprechen bereit war). So bleibt am Ende dieser Lektüre vor allem der Eindruck, daß man endlich einmal Beobachtungen, die man durchaus auch selbst im Laufe der Zeit gemacht hatte, systematisiert und in einen größeren Zusammenhang (Kritische Theorie/Frankfurter Schule) wissenschaftlich, also mit eben jener Expertise behandelt findet, die ebenfalls so gern und umfassend von denen angegriffen wird, um die es hier geht.

Es ist eine manchmal schwierige, manchmal auch etwas dröge Lektüre, was in der Natur der Sache liegt, wenn man es mit einem wissenschaftlich standardisierten Werk zu tun hat. Doch lohnt es sich, weil dies auch ein Debattenbeitrag ist, der sich nicht aufplustert, sich nicht größer macht, als er ist, auch nicht behauptet, irgendwelche Lösungen zu bieten, sondern nüchtern und bestimmt seinen Gegenstand unter die Lupe nimmt und eine – vielleicht letztlich auch nur vorübergehende, momentan gültige – Analyse vornimmt. Die erschreckt, keine Frage, da sie vor allem die Perspektive auf weitergreifende Fragen eröffnet: Was, wenn sich das verfestigt? Was, wenn sich das, was im Rückgriff auf das Vokabular der Weimarer Republik gern als „Querfront“ bezeichnet wird, immer stärker ausbreitet? Und was geschieht, wenn sich wirklich immer mehr Menschen von der Demokratie abwenden, zumindest vom Modell der repräsentativen Demokratie, wie wir sie kennen? Wohin wird dieser Kulturkampf (und machen wir uns nichts vor, genau das ist es schlußendlich) führen? Unangenehme Fragen, unangenehme Aussichten und letztlich eine unangenehme Lektüre, wenn man sich damit beschäftigen will. Aber was bleibt uns übrig, wenn wir diese Staatsform nicht aufgeben, sondern verteidigen wollen, ohne den Kopf in den Sand zu stecken?
91 reviews
January 20, 2023
Der Theorieteil, die ersten vier Kapital, waren recht mühsam zu lesen. Vor allem, weil einem recht viele Anspielungen auf Aspekte der kritischen Theorie um die Ohren gehauen werden, die entweder zu oft wiederholt werden oder dann gar nie richtig erläutert. Keine Ahnung, ob das hier ein populäres Buch sein will oder eine akademische Schrift, aber der Theorieteil ist meines Erachtens in keiner dieser Rollen erfolgreich.

Ab Kapitel fünf finde ich es lesenswert. Ich glaube nicht, dass ich allzu bahnbrechende Einsichten gewonnen habe, aber die Beispiele sind sehr interessant und mit der Theorie verknüpft. Es wär wohl besser gewesen, die Theorie von Anfang an stärker im Zusammenspiel mit Beispielen einzuführen.
Profile Image for Florian Lorenzen.
151 reviews154 followers
December 6, 2022
In "Gekränkte Freiheit" arbeiten die beiden Soziologen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey empirisch als auch theoretisch überzeugend heraus, dass es sich bei den Querdenkern in den Regel um keine klassischen Rechten handelt, sondern vielmehr um esoterik-affine, alt-linke Weltverbesserer, welche sich oftmals in Verschwörungstheorien verloren haben.

Vollständige Review hier: https://www.instagram.com/p/Cl0YFS6qhyY
428 reviews12 followers
October 23, 2023
Most of the book is taken up by the theoretical exploration (written in a mix of sociology jargon and the earnest desire to be generally understood). The actual empirical findings get short shrift – only the last two chapters deal with them. A contextualization of how typical the findings are for the participants in the Querdenken movement would have been helpful – or, at least, a statement that such a contextualization cannot be made yet as nobody has conducted the respective research.
61 reviews
March 8, 2025
„Wie kann es sein, dass Menschen, die sich bei Campact für progressive Anliegen wie Kritik an Privatisierungen engagieren, eine Affinität zur AfD entwickeln?“
Mit einem preisgekrönten Paukenschlag schreiben sich Amlinger und Nachtwey in die Autoritarismusforschung ein. Wie kommt es, dass Menschen lauthals nach Freiheit schreien und damit just ihren Untergang hervorrufen? Weil sie eine mögliche Metamorphose einer Charakterstruktur (autoritärer Charakter) an den Tag legen, welche seinerseits bereits Erich Fromm in: „Die Furcht vor der Freiheit“ und danach Theodor W. Adorno et al. mit der Faschismusskala erforschten. Kernproblem ist neben der einer narzisstisch gewendeten Radfahrermentalität (Oben buckeln, unten treten) ein Missverständnis des Freiheitsbegriffs durch die titelgebenden libertär Autoritären: Freiheit wird nicht als durch die Gesellschaft ermöglichtes Miteinander verstanden (soziale Freiheit), sondern als individueller Besitzstand, den man gegen jegliche Einschränkung tobsüchtig verteidigen müsse (verdinglichte Freiheit).

Gelungen an dem Buch ist die Aufarbeitung der Traditionslinien der Kritischen Theorie; so dient es auch als tolles Einführungswerk in die Autoritarismusforschung. Genauso gelungen sind die einschlägigen Analysen authentischer, wie haarsträubender Äußerungen aus qualitativen Interviews: „… was ich mir wünsche, ist ein kleiner Rechtsruck“ (Herr Bollinger), welche gerade nach der Bundestagswahl helfen, so manche Diskurssituation mit autoritären Charakteren einzuordnen und ihre projektive Identifikation mit der AfD zu begreifen. So versteht man insbesondere besser, warum Argumente nicht mehr zu helfen scheinen – der Selbstwert wird bis aufs Blut gegen alle imaginären Bedrohungen verteidigt. (Soziale und epistemische) Kränkungen, individuelles Scheitern, Spuren von Antisemitismus und vermeintliches Rebellentum gären zu einer autoritären Sülze. Problematisch am Buch jedoch ist das (unabsichtliche) Wecken des Eindrucks eine jegliche Kritik an den Pandemie-Maßnahmen lasse auf eine libertär-autoritäre Charakterstruktur schließen, so z. B. durch die Fallstudien, in welchen vielerlei Personen von Esoterik bis hin zu expliziter Verschwörungstheorie schwadronieren. Dies gilt umso mehr, da sich wie sich heute herausstellt, durchaus auch solide wie autoritarismusfreie Argumente für die Infragestellung mancherlei Maßnahmen finden lassen. Goldwert hingegen ist an den Fallstudien die gewonnene Einsicht, dass sich die untersuchten Querdenker*innen letztlich nach Gemeinschaft sehnen: was sie mit dem AfD-Klientel einen dürfte.

Was tun? „Die Freiheit der Zukunft braucht Solidarität“. Wir müssen also „Freiheit“ gesamtgesellschaftlich „als etwas zutiefst Soziales begreifen“. So enden Amlinger/Nachtwey mit nichts weniger als einem Appell für „[e]ine Demokratisierung der Demokratie und der Wirtschaft“.
Profile Image for Susu.
1,781 reviews19 followers
February 5, 2023
Kritik der Freiheit und der Individualisierung - bis hin zu einer Typisierung der Querdenker basierend auf Interviews - liefert viele interessante Anstöße und da uns die Denk- und Handlungsweise der libertäre Autoritaristen noch länger erhalten bleiben wird, ist das ein wichtiger Beitrag.

Aber: An der Stelle, an dem der Niedergang der Familie als Sozialisationsinstanz und privater Schutzraum behandelt wird - vergessen die Autoren, dass Männer damit auch einen Teil ihrer privaten Machtausübung verloren haben. Und dass obwohl sie zuvor lang und breit über die Folgen von echten oder vermeintlichen Kränkungen in den Biographien schreiben, die zu Scham/Wut/Zorn führen.

Die Stichprobe an Interviews definieren die Autoren korrekterweise selbst als nicht vollkommen repräsentativ für die gesamte Szene der Querdenker. Generell spricht das Buch von "Personen" und geht nur selten auf Themen wie "marginalisierte Männlichkeit" ein. An der Stelle, an der sie Sinus Milieus als Kategorisierung nutzen, listen sie die für sie zentralen auf, die jeweils 7 oder 8% der Bevölkerung repräsentieren sollen. Rein statistisch ist da also ein Überhang einzelner demographischer Kriterien durchaus ein wichtiges Thema, das wenig angesprochen wird.

Ich hab dann mal die Liste der Literatur-Verweise gemustert - von ca 490 zitierten Autoren sind 4 Institutionen - weitere 12 haben Vornamen, die ich weder als typisch männlich oder weiblich lesen kann - 93 haben eher weibliche Vornamen - 382 haben eher männliche. Und dabei sind auch Werke aus Zeiten, in denen man sich über die von Feministen häufig belegte Qualität der Datenerhebung, die Frauen ausblendet, noch keine Gedanken gemacht hat. Da sollte man sich fragen, ob wichtige Aspekte in der Betrachtung noch gänzlich ausgeblendet geblieben sind.

Dennoch: Ein Buch, das ein gesellschaftlich zentrales Phänomen in den Mittelpunkt stellt und damit eine wichtige Debatte aufmacht.
Profile Image for Felicitas.
79 reviews10 followers
August 10, 2023
In Gekränkte Freiheit erarbeiten Amlinger/Nachtwey ihr Konzept des libertären Autoritarismus. Es soll erklären, wie Menschen etwa Querdenker*innen wurden, die ursprünglich eher dem linken politischen Spektrum zuzurechnen waren und sich selbst als progressiv verstehen. Es handelt sich dabei nicht um klassische Rechte, denn sie fordern keinen starken, sondern im Gegenteil einen schwachen bzw. abwesenden Staat.

Zunächst befassen Amlinger/Nachtwey sich mit dem Freiheitsbegriff. Negative Freiheit meint die Abwesenheit von äußerem Zwang, während positive Freiheit auch die persönlichen/gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den Blick nimmt. Wie Freiheit verstanden wird, sagt viel über eine Gesellschaft aus. So werden heute staatliche Interventionen in erster Linie als Beschränkungen wahrgenommen. Soziale Abhängigkeiten werden geleugnet. Übersehen wird dabei, dass formale Freiheiten nicht zwangsläufig auch ein reales Potenzial zur Selbstbestimmung bedeuten.

Bezüglich des Autoritarismus-Begriffs lehnen sich Amlinger/Nachtwey an die Studien zum autoritären Charakter (Adorno et al.) an. Darin wird als "autoritäres Syndrom" die Kombination verschiedener Merkmale verstanden. Sechs von ihnen treffen auch auf den libertären Autoritarismus zu, zwei hingegen nicht: die starre Verfolgung konventioneller Werte und die Unterwerfung unter eine idealisierte Autorität. Anstelle der Identifikation mit einer Führerfigur steht bei den libertären Autoritären die Identifikation mit der eigenen Autonomie.

Aufbauend auf diesem theoretischen Ansatz berichten Amlinger und Nachtwey von quantitativen Studien, die sie im Querdenken-Milieu durchgeführt haben. Man erkennt - etwa an der Auswahl der zitierten Theoretiker*innen sowie des sehr komplexen Schreibstils - deutlich den akademischen Hintergrund der Autor*innen, was das Buch herausfordernd zu lesen macht. Es liefert dennoch spannende Erkenntnisse und versucht, Phänomene zu erklären, die wir alle alltäglich um uns herum beobachten können. Allein schon deshalb halte ich es für ein sehr wichtiges Buch.
Profile Image for Carlijn Brugging.
6 reviews1 follower
August 20, 2024
This book offers reasonable explanations for contradictions in current radical right-wing political discourse that we cannot find in the classic literature on authoritarianism.
2 reviews
May 25, 2025
man beginnt, die libertären pathologien der spätmoderne zu verstehen. muss iwann mal mehr kritische theorie lesen
46 reviews1 follower
August 10, 2025
Ich habe mir dieses Buch von einem Freund ausgeliehen, der Sozialpädagogik studiert. Da ich einen anderen fachlichen Hintergrund habe, war es anfangs nicht ganz einfach bei allen Begriffen mitzukommen. Dafür fand ich es aber sehr hilfreich, dass die Autor*innen die ganzen Grundlagen und Theorien nochmal zusammenfassen, da ich nicht mit allem davon vertraut war.
Das Buch ist sehr aufschlussreich und analysiert die Querdenken-Bewegung meiner Meinung nach ziemlich treffend. Sehr zu empfehlen! Ich habe das Gefühl, während des Lesens schlauer geworden zu sein :D
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