1960 begann in der DDR eine Debatte über die Messbarkeit des Arbeitswerts. Zur selben Zeit empfahlen in der Sowjetunion Anatoli Kitow und Viktor Gluschkow ein landesweites einheitliches Netzwerk von Computerzentren zur Planung von Arbeitsaufkommen, Produktion und Verteilung. Beide Ansätze blieben ohne Nachwirkung. In der DDR wurde stattdessen die Konzeption einer »sozialistischen Warenproduktion« als Grundlage eines »Neuen Ökonomischen Systems« entwickelt. Diese Reform, die in fast allen europäischen sozialistischen Ländern ähnlich verlief, und vor allem das Festhalten an ihr ist für Helmut Dunkhase ein Irrweg. Er nimmt sowohl die vorangegangenen Erörterungen in der noch jungen DDR über die Messbarkeit des Arbeitswerts als auch den alternativen Entwicklungsweg in der Sowjetunion auf und verweist auf die Arbeitszeitrechnung als Basis des ökonomischen Kalküls in einer sozialistischen Planwirtschaft. Dunkhase hält es für möglich, auf Grundlage der Arbeitswerttheorie und bei Verwendung moderner Computertechnik eine Planung zu verwirklichen, die die Gebrechen einer jeden Variante von »Marktwirtschaft« überwindet. Mit Personen- und Sachregister.
INHALT
Einleitung ...7
1. Mythos NÖS oder: Über den Umgang mit Widersprüchen ...11
1.1 Das Kernproblem: Verhältnis von Plan und Markt ...11 1.1.1 Debatte über Arbeitszeitrechnung in der DDR ...11 1.1.2 Plan und Markt in der jungen DDR ...14
1.2 Theoretische Begründung des NÖS ...16 1.2.1 1961 – Behrens: Ware, Wert und Wertgesetz ...16 1.2.2 1967 – Ulbrichts Fanal: Warenproduktion in der »sozialistischen Produktionsweise« ...25 1.2.3 1969 – Das Quasi-Lehrbuch: Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR ...26 1.2.4 1977 – Richter/Schließer: Die Warenproduktion im Sozialismus ...29 1.2.5 Steuern und Wertgesetz in einer sozialistischen Ökonomie ...32
1.3 Schieflagen ...36 1.3.1 Parallelen zwischen NÖS und Neuer Ökonomischer Politik (NÖP) in der Sowjetunion? ...36 1.3.2 Wann wird der Widerspruch zwischen Plan und Markt ein antagonistischer? ...40 1.3.3 Sozialdemokratische Degeneration ...44
Intermezzo: China ...53
2. Neue Wege ...58
2.1 Probleme und Errungenschaften in der Planung der Sowjetunion ...59 2.1.1 Ungeliebte Mathematisierung ...59 2.1.2 Lineare Optimierung ...60 2.1.3 Nowoschilow ...64
2.2 Planung nach Stalin ...66 2.2.1 Der Ablauf des Planungsprozesses ...66 2.2.2 Schwierigkeiten bei der Erstellung eines konsistenten Plans ...67 2.2.3 Welche Auswege wurden gesucht? ...69 2.2.4 Ein alternativer Entwicklungsweg: Sowjetmacht plus Internet ...70 2.2.5 Exkurs: Input-Output-Rechnung und lineare Optimierung in der DDR 73
2.3 Neues in der Gegenwart ...75 2.3.1 Neue Einsichten in der Arbeitswerttheorie ...75 2.3.2 Was ist Arbeitszeitrechnung? ...77 2.3.3 Input-Output-Analyse ...78 2.3.4 Cockshott & Cottrell ...80 2.3.5 Cyber-Kommunismus in Kurzfassung ...84 2.3.6 Welcher Staat? ...89
Anhang 1: Konspekte und Notizen zur 1960er Debatte über die Messbarkeit des Werts ...96 Anhang 2: Feldman-Modell ...108 Anhang 3: Rechnungen zur linearen Optimierung ...112 Anhang 4: Metrik des Warenraums ...116 Anhang 5: Ein Beispiel für Input-Output-Rechnung ...121
Helmut Dunkhase, graduate mathematician, worked as a teacher in Berlin. Publications primarily on questions of political economy and information technology.
Als Kommunist:innen müssen wir davon abkommen, nur lose von einer "besseren Welt" zu sprechen. Wir müssen den Sozialismus soweit zeichnen, soweit es möglich ist. Dazu gehört: Die bestehenden und vergangenen sozialistischen Staaten als Vorbild zu nehmen, sie zu kritisieren und Fehler zu beheben. Als Materialist:innen kämpfen wir im Wissen um die Richtigkeit der marxistischen Wissenschaft. Aus dem historischen Materialismus ergibt sich die Notwendigkeit der sozialistischen Gesellschaft als Nachfolge des Kapitalismus. Doch wie sieht diese Gesellschaft aus und was ist das "bessere Leben"? Die wesentliche Veränderung betrifft die Basis, die Produktionsweise. Sie bedeutet das Ende der Marktwirtschaft und den Beginn der Planwirtschaft. Doch wie sieht diese konkret aus? Das sollte eine der relevantesten Fragen für Kommunist:innen sein. Denn erst durch die konkrete Vorstellung einer grundlegend anderen Produktionsweise lässt sich auch eine grundlegend andere Gesellschaft, ein neuer Mensch, der Homo Sovieticus, imaginieren. Die Planwirtschaft ist selbstverständlich die moralischste, die effektivste und die beste Wirtschaftsordnung. Doch ist sie deshalb nicht die einfachste und so machten die Genoss:innen Fehler während der ersten Versuche. Welches waren diese Fehler der DDR und UdSSR, was müssen, was können wir besser machen? Dunkhase gibt dazu erste Anreize, analysiert gerecht und würdigt gutes. Es lohnt sich, es gelesen zu haben und sich mit diesem Thema auseinander zu setzen.