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„Deutschland, deine Kolonien“: Geschichte und Gegenwart einer verdrängten Zeit

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Das historische Erbe einer verdrängten ZeitDeutschland – eine Kolonialmacht? Die Legende von der zaghaften kleinen Möchtegern-Kolonialmacht, die sich zivilisierter betragen hat als andere, kommt allmählich ins Wanken. Und das zu Recht, denn das deutsche Kaiserreich beutete kolonisierte Länder in Afrika, in China oder der Südsee nicht weniger gierig und gewalttätig aus als andere Kolonialmächte.Dieses Buch zeichnet den deutschen Kolonialismus von den Anfängen nach und bietet anhand eindrücklicher Zeitzeugenberichte und Abbildungen Einblicke in den Alltag in den kolonisierten Ländern. Vor allem aber zeigt es, wie andauernd die Folgen des deutschen Kolonialismus zu spüren sind und warum eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Epoche überfällig ist.

257 pages, Kindle Edition

First published January 1, 2022

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Displaying 1 - 13 of 13 reviews
Profile Image for leynes.
1,317 reviews3,688 followers
January 15, 2025
Diese Essaysammlung findet sich schon seit Jahren im Katalog der Landeszentrale für politische Bildung Berlin. Doch erst im Mai diesen Jahres habe ich es geschafft, sie mal mitzunehmen. Ich war überrascht, wie leicht mir die Lektüre fiel und wie schnell ich mit dem Buch durch war – ich hatte zunächst befürchtet, dass dies ein Kandidat sein könnte, der länger auf meinem SuB verweilt. Bei der erneuten Durchsicht des Buches für meine Rezension fiel mir dafür auf, wieviel ich von den erlesenen Informationen auch gleich wieder vergessen hatte. Finde ich immer super ärgerlich, aber das ist wohl eher ein Problem meiner Hirnleistung als des Buches selbst. Das Buch wird's wohl noch eine Weile in der LpB hier in Berlin geben – also Berlin people, falls ihr Zeit habt, nichts wie hin!
Beim Rassismus geht es nie nur um Vorurteile, sondern immer auch um eine Rechtfertigung für die asymmetrische Ausbeutung von Arbeitskraft.
— Sebastian Conrad, Professor für Neuere Geschichte an der FU Berlin
»Deutschland, deine Kolonien« bietet einen guten Einstieg in die Kolonialgeschichte Deutschlands. Das Buch ist gut recherchiert (wenn auch teils die Belege fehlen!), hat aber keinen akademischen Anspruch. Die Sprache ist leicht, die Sachverhalte werden anschaulich erklärt. Es kommen sowohl Zeitzeugen als Forscher*innen zu Wort. Es gibt Thementafeln, Zeitsträhle, Bilder und Übersichten. Und jeder Essay beleuchtet einen unterschiedlichen Aspekt des deutschen Kolonialismus. Es wird sowohl die Vergangenheit aufgerollt, als auch koloniale Kontinuitäten bis in die Gegenwart sichtbar gemacht. Persönlich hätte ich mir gewünscht, dass die Essays noch tiefer ins Thema einsteigen und unbekanntere Aspekte der deutschen Kolonialgeschichte beleuchten. Des Weiteren hätte ich mir gewünscht, dass sich mehr Essays mit den ehemaligen deutschen Kolonien in Asien und in Übersee beschäftigt hätten. Es ist grundsätzlich nichts Schlechtes, wenn der Fokus auf den ehemaligen afrikanischen Kolonien liegt, aber es gab wirklich nur einen einzigen Essay über eine ehemalige chinesische Kolonie und ein Kurzinterview zur bedrohten Sprache "Unserdeutsch" in Australien und Papua-Neuguinea. Das ist dann doch etwas wenig.

Bereits im Vorwort wird deutlich, was der Anspruch dieses Buches ist: die Herausgeber*innen wollen mit der vorherrschenden verklärenden Kolonialromantik in Deutschland aufräumen. Schluss mit "Deutschland hatte doch gar nicht so viele Kolonien", Schluss mit "Deutschland war doch gar nicht so schlimm wie England oder Frankreich", Schluss mit all diesen Mythen. Deutsche Kolonialgeschichte hat leider noch keinen Einzug in den breiten deutschen Diskurs erhalten. Deutsche Schulcurricula weisen Lücken und blinde Flecken auf, wo die schonungslose Auseinandersetzung mit deutschem Kolonialismus ihren Platz finden müsste. Der breiten Bevölkerung sind viele Aspekte des deutschen Kolonialismus überhaupt nicht bewusst. Diese Essaysammlung ist ein erster Weg, diese Lücke zu schließen. [Es gibt natürlich auch zig andere Sachbücher, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Sie müssen halt nur gelesen werden!]

Im ersten Kapitel, "Im Goldrausch", geht es um die ersten deutschen Kolonien. Diese waren nämlich private Unternehmungen. Alle Kapitel, die die deutsche Kolonialgeschichte vor 1884 beleuchteten, fand ich super spannend. Das ist nämlich auch ein blinder Fleck für mich. In dem Kapitel wird die Augsburger Handelsfamilie Welser vorgestellt, die im 16. Jahrhundert in Venezuela auf reiche Ausbeute (=Gold) hoffte und die erste deutsche Kolonie, 'Klein-Venedig', gründete. Das Gebiet reichte vom westlichsten Punkt Cabo de la Vela im heutigen Kolumbien bis Maracapaná, nahe der heutigen Stadt Cumaná im Osten Venezuelas. Als einzige deutsche Handelsfamilie hatten sie 1528 einen Vertrag zur Ausbeutung spanischer Kolonien in Südamerika erhalten. Die sogenannte Welser-Kolonie war eine frühe Stufe des globalen Kapitalismus. Doch die Kolonialisten stießen in der Region weder auf das erhoffte Gold noch Silber. Da die Bilanz miserabel war und das ganze Unterfangen zu einem wirtschaftlichen Desaster zu werden drohte, versklavte Alfingers Eroberungstrupp Indigene und verkaufte sie auf den karibischen Märkten, um wenigstens noch etwas "Profit" aus dem Unterfangen schlagen zu können.

In einer späteren Infotafel wird zudem die Geschichte der 1682 gegründeten "Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie" dargestellt, die in im 17. Jahrhundert 30.000 Afrikaner*innen in die Karibik verschleppte.

Ein weiterer für mich interessanter Essay, "Wie Deutsche die Sklaverei finanzierten", beschreibt, dass Dynastien wie die Fugger bereits in den frühen 1600er-Jahren den portugiesischen Sklavenhandel finanzierten und damit zum Aufschwung der Regionen beitrugen, die Waren für den transatlantischen Handel herstellten. Tuch- und Leinweber in Süddeutschland, Schlesien und später Westfalen profitierten davon, dass ihre Waren gegen versklavte Menschen getauscht wurden. All dies sind Aspekte, die mir in dieser Form nicht bewusst waren.

Im Essay "Friede ist zugleich mein Tod" wird das Schicksal des Nama-Anführers Hendrik Witbooi (eigentlich ǃNanseb ǀGabemab) beleuchtet. Dieser war seit Ende des Jahres 1888 Kaptein des mit den Nama verwandten Volks der Orlam und führte die Nama-Aufstände gegen die deutsche Kolonialmacht Anfang des 20. Jahrhunderts an. Der deutsche Oberbefehlshaber von Trotha ging mit etwa 1.500 Soldaten, zwanzig Geschützen und zwei Maschinengewehren gegen die ca. 750 mit Gewehren bewaffneten Kämpfer Witboois vor. Witbooi selbst starb 1905 im Gefecht. Was beachtlich ist, ist, dass Witboois Briefe, die in diesem Jahrzehnt entstanden, enthalten sind. Heute gehören sie zum UNESCO-Weltkulturerbe und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Die deutsche Übersetzung, Afrika den Afrikanern! Aufzeichnungen eines Nama-Häuptlings aus der Zeit der deutschen Eroberung Südwestafrikas 1884-1894, wurde 1982 von Wolfgang Reinhard herausgegeben.

In dem Essay "Von der Musterkolonie zum Massaker" wird die Geschichte der deutschen Kolonie Kiautschou aufgerollt. Kiautschou war ein 1898 vom Kaiserreich China an das Deutsche Kaiserreich zwangsverpachtetes Gebiet im Süden der Shandong-Halbinsel an der chinesischen Ostküste, mit der Hauptstadt Qingdao. Kiautschou sollte zu einer Vorzeigekolonie werden. Dazu gehörten neben dem Aufbau einer Kolonialverwaltung v.a. die Schaffung einer modernen Infrastruktur mit der Anlage von Straßen, dem Aufbau eines Frischwasserversorgungssystems und einer funktionierenden Kanalisation. Doch das dieser Traum nur heiße Luft war, zeigte sich schnell. Auf dem Gebiet der Rechtsprechung waren unterschiedliche Gerichte für Einheimische, Zivilisten, Marinesoldaten und für Streitigkeiten zwischen Chinesen und Nicht-Chinesen zuständig, wobei Europäer milder bestraft wurden als Einheimische. Zudem wurde Rassentrennung der Wohngebiete von Anfang an zu einem Markenzeichen der Stadt. Als Motiv wurden "hygienische Gründe" angeführt. Auch das Gesellschaftsleben war durch die rassische Trennung zwischen Chinesen und Europäern geprägt. Und obwohl 1909 eine Deutsch-Chinesische Hochschule errichtet wurde, mit der sich das Deutsche Reich schmückte, schlossen bis zur japanischen Machtübernahme 6 Jahre später nur 20 Studenten ihr Studium ab.

Als linguistisch interessierte Person fand ich das Interview zu Unserdeutsch besonders spannend. Unserdeutsch ist eine sterbende Kreolsprache im Südwestpazifik, die heute hauptsächlich in Australien und zu einem geringen Teil in Papua-Neuguinea gesprochen wird. Sie ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Umfeld einer katholischen Internatsschule in der einstigen deutschen Südseekolonie Deutsch-Neuguinea entstanden. Nach heutigem Kenntnisstand ist Unserdeutsch die einzige Kreolsprache der Welt, deren Wortschatz auf dem Deutschen basiert. Ihre grammatische und lautliche Struktur ist jedoch deutlich stärker vom örtlichen Tok Pisin beeinflusst. Im Jahr 2020 wird Unserdeutsch nur noch von weniger als 100 älteren Menschen als Erstsprache gesprochen (Durchschnittsalter: 75 Jahre).

Die Kinder wurden in der Missionsschule in Hochdeutsch unterrichtet und durften auch im Alltag nur Hochdeutsch sprechen. Die Verwendung von Tok Pisin, das von den meisten Kindern bei Eintritt in die Mission als Erstsprache gesprochen wurde, war als Sprache der "Kanaken" strikt verboten. Im Zuge des erzwungenen Erwerbs des Hochdeutschen etablierten die Kinder eine pidginisierte, d. h. vereinfachte und restrukturierte Form des Deutschen für die Kommunikation unter sich, deren Vokabular einerseits weitgehend dem Deutschen entnommen wurde, deren grammatische und lautliche Struktur aber andererseits stark an Tok Pisin angelehnt war.

Zu Kolonialzeiten war es üblich, dass Forscher skrupellos mit Afrikanern experimentierten, allen voran die Deutschen. Auch Robert Koch zwang kranke Menschen in Konzentrationslager und testete an ihnen neue Gegenmittel. Auch diesen grausamen Aspekt deutscher Kolonialgeschichte verhandelt dieses Buch. 1906 zog Koch im Auftrag der deutschen Reichsregierung für zwei Jahre auf die Ssese-Inseln im Viktoriasee. Dort fand er einen Seuchenherd für die Schlafkrankheit, die in nur wenigen Jahren eine Viertelmillion Menschen im heutigen Uganda dahingerafft hatte. Als Medikament testete Koch das arsenhaltige Mittel Atoxyl. Dass es in hoher Dosierung giftig ist, war bekannt. Trotzdem erhöhte er die Dosis schrittweise auf ein Gramm Atoxyl, spritzte in Intervallen von sieben bis zehn Tagen und nahm Schmerzen, Erblindung und den Tod tausender Menschen billigend in Kauf.

Diese Experimente wurden in Deutschland an Tieren durchgeführt. An Menschen waren sie verboten. In Afrika hat Koch aber die Menschen als Forschungssubjekte benutzt, auf eine Art und Weise, in der es in Deutschland nie erlaubt gewesen wäre. Um pro Tag rund 1000 Patienten zu untersuchen, isolierte er vermeintlich Kranke in sogenannten Konzentrationslagern: Einer Ansammlung von Strohhütten und rudimentären Zelten, die bei Sturm umgeweht wurden. Es fehlte an allem: Decken, sauberem Wasser, zu essen gab es oft nur Mehl und Salz. Wie viele Menschen allein wegen dieser Zustände starben, weiß niemand.
Profile Image for Leah.
527 reviews70 followers
January 18, 2024
Bietet einen guten Einstieg in Deutschlands Kolonialgeschichte.
Besonders gefallen haben mir die unterschiedlichen Ansichten der Wissenschaftler, die zeigen, dass es nicht nur richtig oder falsch gibt, was zum Beispiel die Raubkunst angeht. Ich hatte noch gar nicht so über die Debatte nachgedacht.
Profile Image for Jacqui.
36 reviews2 followers
January 7, 2023
In diesem Buch habe ich viel über deutsche Kolonien gelernt. Es ist kein "trockenes" Buch mit Daten und Fakten, sondern beinhaltet berichte, Interviews und Forschungsmaterial über Schlüsselpersonen wie Kolonisatoren, einzelne Beteiligte, aber auch Opfer und Widerständler. Die Kolonialgeschichte wird eingebettet in Rassismuskritik und aktuelle Debatten, die immer wieder auftauchen. Es wird deutlich, dass Rassismus keine Erscheinung ist, die erst mit dem Zweiten Weltkrieg auftaucht, sondern dass dieser sehr viel weiter zurückliegt.

Am Ende des Buchs gibt es eine Zusammenfassung aller deutschen Kolonien, wann diese entstanden, welche Wiederstände es gab und wie es heute um die ehemaligen Kolonien steht. Das ist eine sehr gute zusätzliche Zusammenfassung für alle, die sich eine Übersicht verschaffen wollen.
Profile Image for Grammarian.
86 reviews
August 12, 2024
Oberflächlich, kaum Input, weniger als erwartet. Für jeden der mit Scheuklappen durch die Welt geht sicher gut für mich zu wenig
Profile Image for Simon Reuber.
69 reviews
July 7, 2024
Eignet sich als sehr guter Einstieg in Deutschlands dunkle koloniale Geschichte. Es handelt sich hierbei um eine Zusammenstellung aus mehreren Artikeln und Interviews, versehen mit nützlichen Zusatzinformationen. Die Autoren (allesamt Historiker*innen) sind teils deutscher teils afrikanischer Abstammung und vermitteln eine gute Übersicht und einen grundlegenden Einblick in die Geschichte.

Ich vermisste ein Kapitel, das sich den deutschen Kolonien im Pazifikraum widmete, denn auch hier gingen die Deutschen skrupellos gegen indigenen Widerstand vor.

Grundsätzlich eignet sich das Buch überaus gut, um ins Thema einzusteigen.
5 reviews
February 25, 2023
Geschichte, die leider sehr stark in den Hintergrund gerückt und mit der Aussage „Deutschland nutzte die Kolonialmacht nicht so stark aus wie Frankreich oder Großbritannien“ tituliert wird- bullshit. Dieses Buch basiert auf Fakten. Man lernt viel zum geschichtlichen Kontext. Fragen, die während des Lesens aufkommen, werden im Anschluss beantwortet. Es ist unfassbar wichtig, die koloniale und imperialistische Geschichte Deutschlands aufzuarbeiten. Die Wunden sind noch längst nicht geheilt.
Profile Image for Lukas Dy.
25 reviews
September 10, 2023
Aufschlussreiche und spannende Berichte, Interviews und Artikel über die deutsche koloniale Vergangenheit. Dabei werden unterschiedliche Facetten innerhalb der verschiedenen Kolonien (teils oberflächlich) beleuchtet, sodass man einen gewissen Überblick erhält. Im Anhang sind dann Lesehinweise für vertiefende Literatur enthalten.
Profile Image for Lisbeth.
81 reviews11 followers
October 23, 2025
Sehr guter und interessanter Überblick über diese schreckliche Kapitel deutscher Geschichte. Durch die Vielfalt der Perspektiven ist das Buch sehr abwechslungsreich und kurzweilig. Ich bin aber erschüttert, wie wenig ich vorher über die deutschen Kolonien wusste.
Profile Image for Susu.
1,782 reviews19 followers
August 17, 2022
Zusammenstellung an Artikeln über deutsche Kolonien, mit dem Fokus auf Afrika - keine umfassende Darstellung, aber eine Reihe von Schlaglichtern auf ein Stück unterbelichtete deutsche Geschichte
Profile Image for Corry.
72 reviews
November 4, 2022
Für fünf Sterne zu knapp!
Trotzdem unbedingt lesen
👍🏿
4 reviews
April 2, 2024
Ein guter Einstieg in das Thema.
Kompakte Kapitel mit interessanten Einblicken in die damalige Zeit, die im aktuellen Deutschland noch viel zu wenig thematisiert wird.
Profile Image for Felix.
12 reviews
February 5, 2025
Eine Aneinanderreihung von Artikeln die spannende Einblicke in die deutsche kolonialgeschichte geben und diese von verschiedenen Facetten beleuchten. Es empfiehlt sich jedoch sich schon etwas mit deutscher kolonialgeschichte auszukennen, da es sonst schwer sein kann den Überblick zu behalten, und die Artikel richtig in den Kontext einordnen zu können.
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