Ein Millenial soll Mutter werden und will alles, nur nicht die eigene deutsche Familie reproduzieren. Ein gesellschafts- und sprachkritischer Roman erzählt drei Trimester – und die Zeit danach. »Alle Befürchtungen waren wahr, und alles war gerecht gewesen.« Ein Test im Büro bringt die Gewissheit: Teresa Borsig ist schwanger. Von der Idee einer Familie fühlt sie sich gleichzeitig angezogen und abgestoßen. Da sind die Erinnerungen an ihre Kindheit, an Distanz, Disziplin und Schläge. In der Abtreibungsklinik von den Schwestern zum Schlucken der Tablette gedrängt, geht Teresa in den Widerstand: Sie will doch Mutter werden. Nein, Mama will sie werden. Kann man geben, was einem selber fehlt? Das Gesundheitssystem nimmt die Schwangere auf wie einst die Eltern. Effizient. Kalt. Man will doch nur ihr Bestes. Und ihr Baby in einem Wärmebett isolieren. Wie hoch ist die Überlebenswahrscheinlichkeit ihres Säuglings? Ärzte und Schwestern sprechen über ihren Kopf hinweg. Teresa schreit. Sie solle sich mal nicht so wichtig nehmen, sagt das Krankenhaus. »MTTR« erzählt von den Auswirkungen deutscher Nachkriegserziehung, erzählt die Unfähigkeit der Babyboomer, Gefühle zu zeigen, und wenn dann nur durch Ersatzhandlungen: Kauf, Korrektur und Sorge. Jeder Dialog ist eine Boshaftigkeit. Fast bemerkt man sie nicht, denn aktengraue Gefühlstemperatur und grobe Unbeholfenheit sind Alltag in Deutschland. Werden Millennials, wie Teresa, sie reproduzieren? MTTR: Mean Time To Recover bzw. auch Mean Time To Repair (abgekürzt jeweils MTTR) wird als die mittlere Reparaturzeit nach einem Ausfall eines Systems definiert. Diese gibt an, wie lange die Wiederherstellung des Systems im Mittel dauert. Sie ist somit ein wichtiger Parameter für die Systemverfügbarkeit. (Quelle: Wikipedia)
„Du sollst Vater und Mutter ehren, heißt es. Und es ist der größte Fehler überhaupt. Du sollst Vater und Mutter verlassen. So ist es richtig. Die Beziehung zu einem Kind ist doch von Anfang an darauf ausgerichtet, beendet zu werden.“ S. 36
„Ich hasse Mineralwasser. Es gibt nichts Deutscheres als Mineralwasser. Es schmerzt, wenn man es schluckt. Im Rachen. Geht runter wie Scherben.“ S. 53
„Im Nichtkönnen liegt Sehnsucht, im Alleskönnen nur Lethargie.“ S. 396
Zu Ende. Das war für mich streckenweise echt harte Kost, da die Szenen zwischen ihren Eltern sowie Schwiegereltern und ihr sehr eindringlich erzählt wurden. Aber so gut beschrieben. Einzig das Ende ließ mich etwas unterversorgt zurück. So ganz habe ich den Zeitsprung und die neue Situation nicht packen können.
„Ich kann ihn nicht einziehen. Bauch und Nabel stehen unter jedem Stoff. Verraten mich, uns, verraten, dass er nicht angegessen ist. Intimstes wird der Umwelt einfach so mitgeteilt, ob ich will oder nicht.“
MTTR = Mean Time to recover: Mittlere Reparaturzeit nach Ausfallzeit eines Systems. … spannende Titelwahl … so dachte ich erst, es hieße „Mutter“ oder „Muttertier“ … macht der Buchtitel nun aber so einen perfekten Spagat zu den Inhalten des Buches.
Teresa, 32 Jahre, lebt seit kurzer Zeit erst mit ihrem Freund Erk zusammen. Eigentlich möchte sie nicht Mutter werden. Dennoch treibt es sie immer wieder in Drogerien, um Folsäure und Schwangerschaftstests zu kaufen. Der Zwiespalt ist groß. Der Gedanken daran ein Kind mit Erk zu bekommen ist faszinierend und zeitgleich stößt er sie ab. Ein Kind ist ein Eindringen in die „normale“ Welt und so stürzt Teresa in ein Gedankenkarussel. Werde ich eine gute Mutter sein? Werde ich etwa so furchtbar wie meine Mutter sein? Will ich überhaupt schwanger sein? Will ich denn überhaupt eine Mutter werden? Kann ich eine Mutter sein, ein gute? Kann ich mich denn überhaupt um einen kleinen Menschen kümmern?
Julia Friese hat viele wichtige Themen in die Geschichte konstruiert: eine Millenial-Frau. Eltern, die in der Nachkriegszeit erzogen wurden und auch gefühlsmäßig genau so immer noch sind. Die ihre Tochter mit Gefühlskälte erzogen haben. Sie beschreibt den Konflikt einer jungen Frau mit sich selbst und den Erwartungen der Gesellschaft. Den Generationenkonflikt zwischen Eltern und Kindern. Und was Familie mit einem Menschen anstellen kann – sowohl negativ als auch positiv.
Zu Beginn in kurzen Gedanken-Sätzen (was ich etwas anstrengend empfand) der Protagonistin, gewinnt die Geschichte an Fahrt, da wir mitterleben, wie sich Teresa entwickelt und entwickeln möchte. Wie sie versucht sich gegen ihre Mutter aufzubäumen, die Entwicklung zwischen ihr und Erk … und noch vielen Ereignissen, die aus meiner Sicht aber spoilern würde.
Ein besonderes Werk, das mich mitgerissen hat, ohne Mutter zu sein, und welches ich gerne ans Herz lege!
This entire review has been hidden because of spoilers.
Teresa Borsig ist schwanger. Lange war sie sich nicht sicher, ob sie überhaupt jemals Mutter werden möchte, doch nach einigem Hadern stellt sie sich der Herausforderung. Ihr Partner unterstützt sie, freut sich auf das Kind und auch Teresa sieht der Mutterrolle optimistisch entgegen. Immer detaillierter entwickelt sie eine Vorstellung davon, was für eine Mutter sie sein möchte, was sie sich für ihr Kind wünscht und was auf gar keinen Fall. Doch ihr Umfeld macht es ihr nicht leicht, fest zu ihren Entscheidungen zu stehen, alle haben etwas zu den Themen Schwangerschaft und Erziehung zu sagen -und nicht immer nur Hilfreiches. Vor allem Teresas Eltern und Schwiegereltern kommen immer wieder mit gutgemeinten Ratschlägen um die Ecke, ohne ihre eigenen, physisch und psychisch missbräuchlichen Erziehungsmethoden zu hinterfragen. In Rückblenden erfahren wir von den Schlägen und den ständigen Zurechtweisungen, die Teresa in ihrer Kindheit ertragen musste - und wie sehr manche Erlebnisse immer noch in ihr nachwirken. Sie will es besser machen, ihrem Kind eine liebevolle Mutter sein. Und somit erzählt Julia Friese in "MTTR" auch die Befreiungs-, die Heilungsgeschichte einer Frau, die herausfinden muss, wer sie eigentlich ist, um gleichzeitig herauszufinden, was für eine Art Mutter sie sein kann. Das clevere Spiel mit dem Wort Mutter im Titel und die gleichzeitige Bedeutung als "die mittlere Reparaturzeit nach einem Ausfall eines Systems" (MTTR = Mean Time To Repair/Recover), ist quasi eine Vorausdeutung dieses Prozesses. Viel passiert nicht in Julia Frieses Debütroman, vielmehr lässt sie uns bis ins kleinste Detail an den Gedanken ihrer Protagonistin teilhaben. Mit einer perfekt passenden, eher sachlichen Sprache, die teilweise abgehackt und redundant wirkt, aber eben genau dadurch Teresas Gedankenfluss authentisch widergibt und einen Sog entwickelt, dem ich mich kaum entziehen konnte. Zudem habe ich noch nie einen so unromantischen, ehrlichen Roman über Schwanger- und Elternschaft gelesen, der mich gleichzeitig sehr bewegt hat. Obwohl Kinder für mich persönlich gar kein Thema sind, hallt "MTTR" noch immer in mir nach und zeigt, dass sich einiges im System ändern muss. Ein wuchtiges, wichtiges Buch mit Uff! Und auch wenn es für mich ruhig 100 Seiten kürzer hätte sein können: Eine definitive Leseempfehlung von mir!
Julia Frieses Schreibstil ist besonders - Sätze enden abrupt, bestehen manchmal sogar nur aus einem Wort. Und trotz so weniger Worte sitzt jeder Satz. Fügt sich zusammen zu einem Text, den man nur schwer aus der Hand legen kann.
Der Roman ist eine Mischung aus tragisch, unterhaltsam, witzig und komisch. Am ehesten komisch. Unsere Welt ist komisch und in dieser Kinder zu bekommen scheint das Komischste zu sein, was einem passieren kann.
Ein Schwangerschaftstest auf der Bürotoilette verändert Teresas Leben, aber will sie wirklich Mutter sein? Erinnerungen an eine lieblose Kindheit und ein angespanntes Verhältnis zu den eigenen Eltern machen die Entscheidung nicht einfacher. Doch als man sie in der Abtreibungsklinik zum Eingriff drängt, erwacht ihr Kampfgeist. Teresa wagt den Schritt in ein neues Leben als Mutter – wird sie ihrem Kind das geben können, was ihr selbst verwehrt blieb?
Julia Friese erzählt in „MTTR“ die Geschichte ihrer Protagonistin Teresa in der Ich-Perspektive und der Gegenwartsform. Zu Beginn ist der Stil ungewohnt kühl, wie ein Bericht, mit knappen, stakkatoartigen Sätzen und ungekennzeichneter mündlicher Rede. Teresa schildert wie in einem einzigen langen Gedankenstrom alles, was ihr widerfährt und was sie epmfindet. Dabei entspricht sie so gar nicht dem Klischee der freudigen werdenden Mutter, die schon vor der Geburt die Antworten auf alle Fragen hat.
Teresa ist eine ungemein „echte“ Figur. Die Beziehung zu ihrem Partner Erk hat Unsicherheiten, aber beide wollen gute, gleichberechtigte Eltern sein. Über ihnen schwebt das jeweilige Elternpaar, in den Nachkriegsjahren erzogen und sozialisiert. Vor allem Teresas Eltern behandeln ihre Tochter sehr abwertend und machen erst gar nicht den Versuch, deren Bedürfnisse zu befriedigen. Als Kind, das selbst mit Eltern dieser Generation aufgewachsen ist, sind mir viele der von ihnen verwendeten Sätze nicht unbekannt.
„MTTR“ steht als Abkürzung eigentlich für „Mean Time To Recover“, also die Zeit, welche ein System nach der Reparatur zur Wiederherstellung benötigt. (Sinnigerweise ist hier aber auch das Wort „Mutter“ ohne Vokale versteckt.) Wie ein defektes System, so fühlt sich Teresa – eine Frau, die an sich und ihren Qualitäten als Mutter zweifelt. Einige Schilderungen, zum Beispiel über die Tage im Krankenhaus, vor und nach der Entbindung, sind schwer zu ertragen, aber umso wichtiger. Es gibt schon genug Romane, die Schwangerschaften als einfache, romantische Angelegenheit verklären und damit Frauen unnötig unter Druck setzen. Ein bedeutsames und längst überfälliges Buch!
Ich hätte nicht gedacht, dass ich per Buch noch mal Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett intensiv durchleben würde. Mutter sein und Mutter werden sind zwei unterschiedliche Lebensphasen. Bestimmt werden sie häufig von äußeren Einflüssen, Meinungen und Rahmenbedingungen. Haben wir überhaupt die Möglichkeit ist besser zu machen?
MTTR bedeutet „Meantime to Recover/Repair“ - wer immer sich das als Titel hat einfallen lassen – Chapeau!
In diesem Buch setzt sich Teresa Borsig intensiv mit ihrer zukünftigen Rolle auseinander. Sie ist schwanger und will das Kind abtreiben, überlegt es sich aber in letzter Minute anders. Ab hier dürfen wir teilnehmen, an ihren Gedanken, ihrer Vergangenheit und der Interpretation des Verhaltens anderer. Schnell habe ich gemerkt, dass Teresas Thema die Abgrenzung ist. Sie möchte vor allem nicht, wie ihre Mutter sein. Sie scheint in einer kalten Umgebung aufgewachsen zu sein und fragt sich, ob sie überhaupt in der Lage ist, ein Kind liebevoll Zu ziehen. Alles möchte sie anders machen. Zu keiner Bubble möchte sie gehören. Weder zu den Eltern, die sich intensiv auf die Geburt vorbereiten, noch zu den nachlässigen oder konservativen Müttern die Ansichten vertreten, die an das Nachkriegsdeutschland erinnern. Den ganzen Klimbim rund um das große Geschäft „Schwangerschaft“ möchte sie nicht mitnachen. Jeglicher Druck von außen beschäftigt. Sie lässt sie aber vermeintlich auch kalt. Manchmal wird das etwas unglaubwürdig. Allerdings wissen wir auch, dass immer contra zu sein, einen emotional m oft nicht weiter bringt. Genauso geht es Teresa.
Wir sind auch bei der Geburt des Kindes dabei, welches sie nicht in einem der gefragten Geburtshäuser bekommt, sondern in einem herkömmlichen Krankenhaus. Und wir begleiten sie in der ersten Lebensphase ihres Kindes.
Hervorragend hat Julia Friese hier die Lebensumstellung von Teresa geschildert. In kurzen, knappen Sätzen, die teilweise nicht zu Ende geführt sind manchmal nur aus einem Wort oder zwei bestehen, bohren wir uns in die neue Materie hinein. Das ist am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig, aber wirklich gut gelungen, nachdem man sich an diesen Stil gewöhnt hat. Das Buch wirkte einen unglaublichen Sog auf mich aus und mutierte wie ein Pageturner. Wir sind ganz nah dabei. Wir sind in Teresas Kopf. Wir dürfen an allen Gedanken teilhaben. Man merkt sehr schnell wie ambivalent sie denkt, wie verunsichert sie ist.
Außerdem begegnen wir Menschen aus ihrer nahen Umgebung. Ihre Arbeitskollegin Yelda, die selber schon Mutter ist und die ab dem Moment von Teresa Schwangerschaft wie ein Magnet auf sie wirkt. Mit all dem Wissen und der Erfahrung. Im Gegensatz dazu wird die Beziehung zu ihrer besten Freundin Isabell schwieriger, denn sie führt ein ganz anderes Leben, weit weg von Schwangerschaftsstreifen und Windeln. Natürlich ist auch ihr Freund Erk ein nicht, unwesentlicher Bestandteil dieses Romans. Doch er bleibt mir blass und wirkt eher hilflos und fehl am Platz. Mal abgesehen davon, dass er auch nicht ehrlich im Umgang mit seiner Exfreundin ist. Wie kann er ( und später Teresa) so ein Verhalten hinnehmen? Und diese dann anschließend auch noch besuchen? Unglaublich! Am allerschlimmsten fand ich die Eltern von Theresa und Erk. Durch und durch toxisch sind Sie mit ihren Ansichten in den 60er Jahren hängen geblieben und genau das ist der Punkt, der mir an dem überhaupt Buch nicht gefällt. Es ist wirklich aus der Zeit gefallen. Es müssten ja Eltern meiner Generation sein und da finde ich mich null wieder und auch in meiner Umgebung kenne ich niemanden, der so drauf ist.
Auch die Geburt, der Umgang mit der frischgebackenen Mutter im Krankenhaus sollte, wenn überhaupt nur noch sehr selten in unserer Gegenwart so vorkommen. Ich habe meine Kinder vor 30 Jahren bekommen und habe eine den Schwangeren zugewandte und innovative Geburtshilfe und Betreuung erhalten. Auch damals gab es schon Hebammen die nach Hause kamen, ganzheitliche Vorbereitungskurse, und auch ich habe meine Kinder getragen und bei mir im Bett liegen gehabt. Entweder sind in diesen 30 Jahren extreme Rückschritte in das „Wirtschaftswunder Deutschland“ passiert, oder die Autorin hat schlechte Erfahrung gemacht. Angehende Eltern sollten das Buch nur mit dem Wissen lesen, dass Geburtsstationen heutzutage sehr auf die Bedürfnisse der Gebärenden eingehen. Hier in diesem Buch sind im Krankenhaus alle ( und nicht nur da) unfreundlich, unverschämt und ignorant!
Die Übergriffe, die hier teilweise im Krankenhaus stattfinden, würden heutzutage sofort Anwält auf die Matte holen. Theresa das wirkte dort wie eine rechtlose Person, mit der man machen kann, was man will, der man nichts erklären muss und die dem dortigen Personal vollkommen ausgeliefert ist. Nun gehört es zum Teil auch zu Theresas Charakterzügen nicht rechtzeitig die Hand zu einem deutlichen „STOPP“ zu heben und dafür dann irgendwann unangemessen auszuflippen. Vielleicht habt ihr es zwischen den Zeilen rauslesen können - das Personal des Buches ist durchgehend unsympathisch und trieft vor Gift und Microaggression, (bis auf vielleicht Yelda). Aber vielleicht ist das genau der Reiz des Romans, dass Kopfschüttel und nicht glauben wollen, dass das wahr ist! Mir hat es irgendwie Spaß gemacht😅 So, jetzt seid ihr gewappnet, es auch mal zu versuchen.😉
ich kann der geschichte nicht folge. meine gedanken schweifen umgehend ab. der schreibstil bereitete mir keine freude und mich interessierte nicht, wie die geschichte weitergeht. es gibt noch zu viele bücher auf meinem SuB, darum musste ich dieses buch abbrechen.
Was ist Mutterschaft in unserer kapitalistischen Gesellschaft anderes als die Zeit, die Menschen mit Uterus brauchen, um eine weitere Arbeitskraft aus sich herauszupressen und zu einem vollwertigen, arbeitenden Mitglied zu erziehen? Und dann selbst wieder arbeitsfähig zu sein.
Andere brechen an dieser Steilvorlage, nicht so Julia Friese: Seite um Seite haut sie weitere Aussagen raus, die mich gar nicht mehr haben hinterherkommen lassen mit dem Anstreichen und Notieren.
Frieses Sätze sind elliptisch, kurz und knapp. Auf den Punkt. Sie knallen wie Peitschenhiebe, diese Sätze.
Teresa Borsig ist schwanger. Und eigentlich stand die Kinderfrage für sie nie im Raum. Teresa und ihr Freund Erk leben in einer gemütlichen (bewusst sage ich nicht „glücklichen“) Beziehung und plötzlich soll da ein Kind kommen. Erst wollen sie abtreiben, doch Teresa entschließt sich im letzten Moment, die Pille nicht zu schlucken. Es ist ein letztes Aufbäumen, ein letztes „Nein“, bevor sie der Fremdbestimmung unterliegt.
»MTTR« erzählt diese Schwangerschaft, erzählt die Geburt von Teresas Tochter, erzählt von dem Willen, alte Muster nicht mehr zu reproduzieren.
Die elliptische, knappe Sprache ließ mich nur so durch die mehr als 400 Seiten fliegen. Die enge Taktung eines Mutterwerdens, eines Mutterlebens findet sich darin wieder. Die Fremdbestimmung. Das Keinen-Satz-Zu-Ende-Führen-Können. Es tat weh, das alles. Diese passive Aggressivität von Teresas eigener Familie und der ihres Freundes. Der raue Ton des Klinikpersonals. Und: Dass Erk sich kaum zuständig fühlt, seine Freundin allein lässt, obwohl er anwesend ist. Er steht stumm daneben, weiß auch nicht so recht, wohin mit sich, aber das ist scheinbar okay, er ist ja ein Mann. Er muss das nicht wissen.
Teresa wirkt manchmal wie ein Spielball, der vom Leben – vor allem aber von ihren Mitmenschen – umhergeworfen wird. Die Tristesse, die Gewöhnlichkeit wie auch die Aussichtslosigkeit des Alltags schimmern zwischen den Zeilen. Und ich fragte mich immer wieder: Wie macht Julia Friese das. Dass ich mich immer wieder schützend vor Teresa stellen will, dass ich am liebsten alles kurz und klein hauen würde, diese Muster, die wiedergekäut werden, wieder und wieder. Bis ein Mensch daran zerbricht.
»MTTR« ist eines dieser Bücher, die ich besitzen muss. Die ich zwar elektronisch gelesen habe, aber die ich mir kaufen muss, um sie im Regal stehen zu haben. Um mich bei seinem Anblick jedes Mal daran zu erinnern, wie großartig es war. Wie schmerzhaft.
Einen Satz aus »MTTR« will ich abschließend noch hierlassen: Einen, der mich besonders getroffen hat. Über den ich immer noch nachdenke.
»Was, wenn das der ganze Trick ist: Wenn man nicht will, dass man wie seine Eltern wird, darf man nicht Eltern werden.«
Okay, und diesen:
»Kindheit ist ein Angestelltenverhältnis. Und was ist der Lohn? Existenz.«
Teresa ist schwanger. Aber eigentlich wollte sie das nicht. Oder doch? Zunächst ringt sie mit der Entscheidung zur Abtreibung. In letzter Sekunde entscheidet sie sich dagegen und bekommt das Kind.
Mutterwerdung ist hier aber nur der Anlass, die Kulisse für das, was die Autorin erzählen will. Es geht um die deutsche Gesellschaft. Die Kälte, die Härte, die Oberflächlichkeit. Und all das ist in jedem Satz, in jedem Wort eindringlich spürbar.
Gefühlt liegt die Sprache in Scherben und doch ergibt sie ein stimmiges Bild. Die Sätze enden abrupt. Manche bestehen nur aus einem Wort. Die Sprache ist sperrig und dabei unglaublich präzise. Zu Beginn denkt man vielleicht noch: Wie lange kann man so einen Stil durchhalten? Nicht nur als Leser:in, sondern auch als Autor:in. Ein paar Seiten später hat man es beinah vergessen. Man beginnt selbst so zu. Denken.
Und immer wieder liest man Sätze, die man nicht mehr vergisst. Mit Erkenntnissen, die man treffender kaum beschreiben kann. Wie konnte das bisher niemand so analysieren?
Die Welt, die die Autorin Julia Friese aufmacht, ist keine einfache. Sie ist deprimierend. Um es mal vorsichtig auszudrücken. Es gibt kein Entkommen. Teresa will es anders machen. Aber sie ist Teil dieser Welt. Ihre Tochter ist es. Als Leser:in muss man sich auf diese Welt einlassen wollen. Es ist unsere Welt. Aber durch einen Zerrspiegel betrachtet. Hier kommt kein Wohlgefühl auf. Dabei ist der Roman in manchen Szenen wahnsinnig komisch. Besonders wenn Teresas Eltern, die Schäferhunde ins Spiel kommen. Besonders diese Szenen sind es, die einen unglaublich reinziehen in diese Welt. Und dann gibt es welche mit einer unfassbaren Wucht. Vor allem wenn es ins Krankenhaus geht. Wo das System keinerlei Rücksicht nimmt.
Der Titel MTTR spielt übrigens natürlich auf „Mutter“ an, steht aber für „Mean time to recover/repair“, die mittlere Reparaturzeit also die durchschnittliche Zeit, die für die Fehlersuche und Reparatur ausgefallener Geräte anfällt. Eine wunderbare Analogie zum Inhalt des Romans.
Teresa ist schwanger. Eigentlich wollte sie gar nicht schwanger werden. Sie ist erst fünf Monate mit Erks zusammen - viel zu früh, um jetzt ein gemeinsames Kind zu bekommen. Wenn man nicht verhütet, kann man schwanger werden, das ist Fakt. Warum nahm sie täglich Folsäure ein, wo man doch weiß, das Folsäure nur für schwangere Frauen ist oder für diese, die es werden wollen? Vielleicht wollte sie herausfinden, ob sie überhaupt schwanger werden kann? Schließlich konnten ihre Tanten keine Kinder bekommen - und ihre Mutter nur eins. Ein Kind, das ihre Mutter ständig berufen hat: „Mach dies nicht, tu das nicht.“ Und wenn sie nicht hörte, setzte es etwas. Und jetzt? Soll sie die gleichen Fehler wie ihre Mutter machen? Deren Fehler wiederholen? Alles aufgeben für ein Kind? „Nicht mehr ausgehen, nicht mehr leben, sich nichts mehr gönnen und auf jede Kleinigkeit verzichten - alles nur für dich!“, hört sie ihre Mutter noch immer meckern. Erks würde das Kind behalten wollen, aber Teresa entscheidet sich dagegen. Bis zu dem Tag, als sie in der Abtreibungsklinik die Tablette schlucken soll, dort entscheidet sie sich anders. Sie möchte Mutter werden und lässt uns sehr intensiv an ihrer Schwangerschaft, Geburt und dem Wochenbett teilhaben.
Was für ein großartiges Buch! Zugegeben, zu Beginn hätte ich es fast abgebrochen. Dieser Schreibstil mit den viel zu kurzen Sätzen, den wirren Gedanken und dann die fehlenden Satzzeichen! Aber auf Seite 40 hatte ich mich eingelesen. Vielleicht sind Satzzeichen doch überbewertet?! Wie dem auch sei, das Buch ist ein starkes Debüt. Teilweise dachte ich, ich säße mit Loriot, Ekel Alfred und Teresas Eltern im Wohnzimmer beim Kaffee. Köstlich für uns, aber nicht für Teresa. Warum haben die jungen Leute den Eltern nicht Einhalt geboten?
Theresa stellt in ihrer Mittagspause fest, dass sie schwanger ist. Zunächst will sie die Schwangerschaft abbrechen, aber dann entscheidet sie doch für das Kind und dafür eine Familie mit ihren Freund Erk zu gründen. Wir als Leser*innen begleiten Theresa nun durch die Schwangerschaft, Geburt und die ersten Monate mit dem Kind. Immer mit dabei die Stimmen ihren Eltern (selbst dann, wenn sie nicht vor Ort sind), die kalte von Gewalt geprägter Kindheit und die eigenen Selbstzweifel Am Anfang hatte ich ein paar Probleme in das Buch hineinzufinden. Theresa war mir über weite Strecken zu passiv. Was sich, nicht nur die Eltern und Schwiegereltern, ihr gegenüber über weite Teile des Buchs rausnehmen. Auch in den Schreibstil musste ich mich ebenfalls einlesen: abgebrochene Sätze und keine Kennzeichnung der wörtlichen Rede. Aber das Buch entwickelt einen starken Sog und beschreibt klar und präzise eine sehr intensive Zeit. Alles ungeschönt und unbequem. Der Konflikt mit den Eltern/Schwiegereltern ohne richtigen Zugang zu Gefühlen, die ständig nur ein „das macht man nicht“ auf den Lippen haben, ist eindringlich geschildert und auch was diese lieblose Behandlung am Ende mit einem selbst und den Blick auf andere Menschen macht. Das Buch ist grandios aber keine leichte Lektüre, insbesondere die Geburt und die Zeit im Krankenhaus haben mich sehr mitgenommen und ich musste das Buch einige Male zu Seite legen. Ich würde mich freuen, wenn dieses Buch dazu beiträgt, dass mehr über Mutter bzw. Elternschaft gesprochen wird.
3.75 Sterne. Ich hab den Stil von delulu definitiv wiedererkannt. Hat mir eindeutig mehr zugesagt, vor allem durch die authentischen Interaktionen zwischen den beiden Elternpaaren und den erwachsenen Kindern. Das kam mir sehr authentisch und herrlich unangenehm vor. Auch die Beschreibung von Geburt und Wochenbett war meiner Meinung nach sehr realitätsnah. Ich finde aber man hätte ein bisschen kürzen können an einigen Stellen.
Gewaltige Schilderung einer ungeplanten und am Ende doch gewollten Schwangerschaft und Geburt einer Ü30-Frau, die durch Mutterwerden aus den elterlichen/mütterlichen Zwängen herausbricht.
Es hat mir an vielen Stellen aus der Seele gesprochen.
Fesselnd. Eine Geschichte über das Mutterwerden, die vielmehr eine gestochen scharfe Analyse vom erwachsenen Kindersein ist. Die Mikroaggressionen, die Sprüche, das Essen als Waffe und das unbändige Gefühl, beim Lesen schreien zu müssen. Ganz klare Empfehlung!
Ein bissiges und wütendes Buch, aber auch ein zärtliches. Ganz besonders die Beschreibung der Geburt hat mich beeindruckt. Sehr viele Themen für 425 Seiten, ab und an hätte ich mir ein bisschen mehr Verdichtung gewünscht.