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Freundschaft in finsteren Zeiten: Die Lessing-Rede mit Erinnerungen von Richard Bernstein, Mary McCarthy, Alfred Kazin und Jerome Kohn

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Die politische Dimension der Freundschaft entfaltet Hannah Arendt in ihren klassisch gewordenen "Gedanken zu Lessing", die das gemeinsame Interesse an der Welt betonen. Denn die geschlossene Welt der "Brüderlichkeit", in die "Erniedrigte und Beleidigte" sich ehemals zurückziehen konnten, ist in "finsteren Zeiten" zerstört worden, der Rückzug ins Private gescheitert und das Vergangene nicht zu bewältigen. Hannah Arendt setzt diesen verlorengegangenen Möglichkeiten eine Vision der Freundschaft entgegen, deren politische Leidenschaft vom gemeinsamen Interesse für die Welt lebt. Ihre ebenso polemische wie tröstende Auffassung des Miteinanders erhält im Licht der gegenwärtigen Polarisierung der Gesellschaft und politisch-gesellschaftlicher Krisen neue Bedeutung und Kraft.

Paperback

Published December 1, 2018

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About the author

Hannah Arendt

404 books4,859 followers
Hannah Arendt (1906 – 1975) was one of the most influential political philosophers of the twentieth century. Born into a German-Jewish family, she was forced to leave Germany in 1933 and lived in Paris for the next eight years, working for a number of Jewish refugee organisations. In 1941 she immigrated to the United States and soon became part of a lively intellectual circle in New York. She held a number of academic positions at various American universities until her death in 1975. She is best known for two works that had a major impact both within and outside the academic community. The first, The Origins of Totalitarianism, published in 1951, was a study of the Nazi and Stalinist regimes that generated a wide-ranging debate on the nature and historical antecedents of the totalitarian phenomenon. The second, The Human Condition, published in 1958, was an original philosophical study that investigated the fundamental categories of the vita activa (labor, work, action). In addition to these two important works, Arendt published a number of influential essays on topics such as the nature of revolution, freedom, authority, tradition and the modern age. At the time of her death in 1975, she had completed the first two volumes of her last major philosophical work, The Life of the Mind, which examined the three fundamental faculties of the vita contemplativa (thinking, willing, judging).

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Profile Image for Paul .
61 reviews13 followers
January 29, 2025
Das ist mein erstes Mal, Hannah Arendt lesen und ich traue mich fast gar nicht meinen Senf dazu abzugeben, aber wenn ich was verstanden habe in diesem Buch, dann, dass Hannah Arendt sich auf jeden Fall gewünscht hätte, dass ich meinen Senf dazu abgebe, weil so gewissermaßen überhaupt erst unsere Welt entsteht. Also will ich das auch tun. 
Zentraler Inhalt dieses Buches ist Arendts Dankesrede mit dem Titel "Gedanken zu Lessing - Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten", die sie anlässlich des ihr verliehenen Lessingpreises, der Stadt Hamburg, verfasst hat. Man darf von mir nun wirklich keine zusammenhängende, tiefgreifende und gar vollständige Analyse dieses Textes erwarten, dazu fehlen mir schlicht die Fähigkeiten. Ich möchte einfach nur ein paar von Arendts Gedanken aufgreifen, die in mir persönlich Resonanz gefunden haben, und ich mache das vielleicht echt ganz unansehnlich in einem Strichpunktstil oder so. 
Vorher möchte ich allerdings betonen, wie viel Spaß ich daran hatte, mir diesen Text zu erarbeiten. Politische Philosophie ist nun wahrlich nicht mein Metier, also ich lese Sätze wirklich zigmal hintereinander durch, bis ich meine, verstanden zu haben, was deren Inhalt sein soll. 

- Die Welt und die Menschen sind nicht dasselbe. Die Welt liegt zwischen den Menschen. Durch das Sprechen über die Welt wird das Unmenschliche erst menschlich, das wiederum heißt, die Welt verändert sich. 

- Es geht ganz viel um die Wahrheit. Gibt es die? Gibt es die nicht? Sie wird in dem Text auch klar abgegrenzt zur Wissenschaft festgelegt. Da gehe es darum, wer recht hat, mit dem Hinweis darauf, dass das auch nur so lange gelte, bis die Forschung eben auf einem neuen Stand ist. Die Wahrheit aber habe ich in ihrem Denken als einen dynamischen Begriff erfasst. Alles, was überhaupt ausgesprochen wird, wird demnach zur Wahrheit, dazu muss es aber erst einmal ausgesprochen werden, also menschlich gemacht werden. Dazu gab es auch ein schönes Kafka-Zitat: "Es ist schwer, die Wahrheit zu sagen, denn es gibt zwar nur eine, aber sie ist lebendig und hat deshalb ein lebendig wechselndes Gesicht." Interessant ist das gerade auch in politischer Hinsicht, hier schreibt Arendt:

"An die Stelle der 'bekanntesten Wahrheiten' haben sich die furchtbarsten Irrlehren gesetzt, aber der Irrtum dieser Lehren ist kein Beweis, keine neue Stütze für die alten Wahrheiten. So kann auch im Politischen die Restauration niemals ein Ersatz werden für notwendig gewordene Neugründung; sie ist bestenfalls eine Notmaßnahme, die allerdings unvermeidlich ist, wenn die Neugründung nicht gelingt. Gleichermaßen unvermeidlich aber ist, dass in einer solchen Konstellation, noch dazu, wenn sie sich über so lange Zeiträume erstreckt, das Misstrauen der Menschen gegen die Welt und Öffentlichkeit ständig wächst."

Das ist für mich deshalb so spannend, weil ich denke, dass unsere Gesellschaft oder unser System genau an so einem Punkt angelangt ist. Das Misstrauen, die Unzufriedenheit und die Planlosigkeit, gerade politisch, lässt sich eigentlich fast in allen Demokratien auf dieser Welt an Wahlergebnissen und Meinungsumfragen ablesen. 

"Denn die Zerbrechlichkeit dieser immer wieder restaurierten Stützen der öffentlichen Ordnung wird naturgemäß nach jedem Einsturz evidenter, so daß schließlich die Öffentlichkeit gerade diejenigen 'bekanntesten Wahrheiten' als allen ohne weiteres einleuchtend voraussetzt, an die doch im Geheimen kaum noch einer glaubt." 

Wenn ich das analysieren müsste, dann würde ich hier genau unseren systemimmanenten Wachstumszwang und unsere Fortschrittsdogmatik und unser Konsumverhalten für die 'bekannten Wahrheiten' einsetzen. Im Prinzip alles, was jetzt im Wahlkampf auch alle etablierten Parteien wieder von sich geben. Das wird von niemandem im Geheimen geglaubt, aber trotzdem gewählt. 
So sehen finstere Zeiten aus, schlussfolgert Arendt. 

Sie kommt von Ihrem Denken her, natürlich auch ganz persönlich geprägt, vom Nationalsozialismus. Ich  glaube, das ist ganz oft Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Könnte man also vielleicht noch steigernd bezeichnen als die finsteren, finsteren Zeiten. Und hier starten dann ihre Überlegungen über die Brüderlichkeit, die Freundschaft in finsteren Zeiten: 

- Zur Brüderlichkeit habe ich mir notiert: In der Brüderlichkeit zeigt sich die Menschlichkeit und sie taucht als Vorrecht der unterdrückten Völker in finsteren Zeiten auf, weil mit der Unterdrückung ein so gewaltiger Weltverlust einhergeht, dass es für die Unterdrückten keiner Erkenntnis oder freier Entscheidung mehr bedarf, um sich selbst in sich zurückzuziehen. 
"Bei dieser gewissermaßen natürlich gewachsenen Menschlichkeit ist es, als ob unter dem Druck der Verfolgung die Verfolgten so eng zusammengerückt sind, dass der Zwischenraum, den wir Welt nannten, einfach verschwunden wäre."
Was von Arendt als Vorrecht bezeichnet wird, wird u.a. damit begründet, dass die revolutionär gesinnte Humanität erfolglos versuchte, sich durch Mitleid mit dem Elend zu solidarisieren und damit in die Sphäre zu dringen, in der die Brüderlichkeit beheimatet ist. 
Ihre Schlussfolgerung hier ist, dass die Brüderlichkeit allerdings politisch irrelevant sei. Sie macht das Elend ertragbar, löst sich aber im Moment der Befreiung wieder auf, wie ein 'Phantom' in Nichts. 

- Es gibt ein paar spannende Überlegungen zur inneren Emigration, die versuche ich am Ende meines Textes noch mit einfließen zu lassen.

- Und weil mein Kopf so brummt, halte ich es auch mit der Freundschaft, so kurz wie es nur geht: 

"Diese Menschlichkeit, die sich in den Gesprächen der Freundschaft verwirklicht, nannten die Griechen 'philantropia', eine "Liebe zu den Menschen", die sich daran erweist, dass man bereit ist, die Welt mit ihnen zu teilen." 

Das Gegenstück bildet dann der Misanthrop, der keinen anderen Menschen findet, der es wert ist die Welt mit ihm zu teilen. Auch hier geht es wieder um das, was zwischen uns liegt, die Welt. 

"Wie sehr wir von den Dingen der Welt betroffen sein mögen, wie tief sie uns anregen oder erregen mögen, menschlich werden sie für uns erst, wenn wir sie mit unseresgleichen besprechen können."

Freundschaft hat immer eine politische Dimension. Selbst wenn ich innerlich emigrieren möchte, wenn ich mich abgrenzen möchte, geht das nur erfolgreich, wenn ich die Zustände, von denen ich mich abgrenzen möchte, nicht ignoriere. Und um meine Wahrheit zu sprechen, brauche ich eben einen Raum, in dem ich mir das zutraue, damit das überhaupt wahr wird, damit es menschlich wird. Und das kann in finsteren Zeiten fast nur die Freundschaft sein. 

Ansonsten gibt es noch einige interessante Beiträge von Weggefährten, Freunden oder Schülern von Hannah Arendt, die das Buch rund machen und für mich einen äußerst anregenden Einstieg in ihr Denken ermöglicht haben. Ich gebe jetzt mal vier Sterne, einfach um mir noch ein bisschen Puffer nach oben zu lassen, aber dieser Text hätte für mich eigentlich nicht inspirierender sein können. 
Profile Image for Felix Rode.
89 reviews
November 20, 2024
Wirklich brilliant.

Wie Arendt ihre Thesen mit jenen von Lessing verwebt und mit aktueller Geschichte verwebt, ist wirklich genial.

Ihre Erkenntnis ist, Freundschaft (wie alles andere auch bei Arendt) kann nur im politischen Kontext ihrer Gegenwart gesehen werden. Trotzdem darf die soziale und politische Realität die Freundschaft und ihren Dialog nicht einschränken.
Interessante These und gut entwickelt.
Profile Image for Linus.
26 reviews1 follower
July 25, 2024
Arendt’s Lessing Vortrag ist großartig, macht aber nur ca 1/3 des Buches aus. Die begleitenden Artikel bewegen sich zwischen wunderschönen und dichten Texten (zB Mary Mc Carthy) und halb prätentiös halb nostalgischen Aneinanderreihungen von Anekdoten, die ich wenig anregend fand (v.A. Alfred Kazin, sind auch nur 15 Seiten). Alles in allem ein dichtes und schönes Buch!
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