Agnes ist verheiratet und hat einen vierjährigen Sohn. Materielle Sorgen hat sie nicht, sie könnte also rundum zufrieden sein. Wäre da nicht die ständige Angst, den Anforderungen des Alltags nicht gewachsen zu sein. Alle sind tüchtiger als sie. Keiner braucht sie wirklich. Nicht ihr Mann, der seine Freizeit als Musiker in Schwabing verbringt, und nicht einmal ihr Sohn. Denn Schwiegermutter und Schwägerin wohnen im gleichen Haus und nehmen nichts lieber als auch das Leben von Agnes in die Hand. Verzweifelt fährt die junge Frau nachts durch die Straßen Münchens und findet doch keine Ruhe. Bis fast alles zu spät ist ...
Es war der Hinweis auf Schwabing (das Greenwich Village Münchens in den 60ern/70ern in welchem ich so viel Zeit verbrachte), welcher mich zu diesem Buch brachte - auch dass Asta Scheib einst einen Roman schrieb welchen R.W. Fassbinder verfilmt hatte (lang ist's her). Aber es ist kein happy-go-lucky-in-Schwabing - Roman, nein, es ist ein Psychogramm einer jungen Frau mit Namen Agnes, welche nie ihr eigenes Leben, sondern nur das was man von ihr erwartete, lebt und daran beinahe zugrunde geht. Sie sieht immer nur die Erwartungen der Mutter, der Schwiegermutter, des Mannes, der Familie, klammert sich an ihren Sohn, hält dem gesellschaftlichen Druck nicht stand, gibt nur sich selbst alle Schuld und verfällt dadurch in immense Angstzustände (welche die Familie zur Einschätzung sie sei "nicht ganz dicht" bringen). Sie sieht zwischen sich und ihrem Mann eine Mauer wachsen, vermag aber wieder nur sich als Schuldige zu sehen, wird medikamentenabhängig und stuft sich selber schließlich sogar als Gefahr für ihren Sohn ein.
Die letzten 20 Seiten des Buches zählen für mich zu den schmerzlich-intensivsten, welche ich in deutscher Literatur der 80er-Jahre jemals vorfand. Agnes kommt in die geschlossene Nervenheilanstalt, wird dort mit allem Valium, Librium, Nobrium udgl. vollgestopft, hat panische Angst vor den schwierigen Fällen der Klinik, erfährt aber auch Sonnenstrahlen des Mitgefühls bei einer Schwester und schließlich sogar Einfühlungsvermögen in Gestalt der Anstaltsleiterin. Es bedurfte fremder Personen, welche in ihr den Menschen und nicht eine endogene Depression sahen.
Es ist kein Wunder dass Schriftstellergrößen wie Martin Walser die Arbeit von Asta Scheib hoch einschätzten. Es ist keine Unterhaltungslektüre, auch keine Frauenliteratur (was immer das sein mag, ich lehnte diese Bezeichnung immer ab), es ist ein Lebensstoff der uns zeigt wie fahrlässig es ist, wenn wir Menschen nicht wirklich wahrnehmen sondern nur als funktionierende Wesen in einem normierten Leben betrachten.