Bestseller-Autorin und Friedenspreis-Trägerin Carolin Emcke denkt in diesem persönlich-politischen Journal über das Ausnahme-Jahr 2020 nach. Am 22. März 2020 beschließen Bund und Länder »Kontaktbeschränkungen« – die neue Wirklichkeit der Pandemie greift ein in unsere psychische, soziale, politische Verfassung. Am Tag darauf beginnt Carolin Emcke mit ihrem »Journal«. Sie notiert nächtliche Albträume oder die unmöglichen Abschiede von geliebten Menschen so wie sie die nationalistischen Reflexe Europas und die autoritäre Verführung des Virus analysiert. Es sind subjektive, philosophische Notizen, die dieser historischen Zäsur nachspüren. Immer wieder widersetzt sich Carolin Emcke der Neigung, nur die eigene Stadt oder Region zu betrachten, immer wieder weitet sie den Fokus, reflektiert die Pandemie als globale Konstellation. Es ist die schonungs- und schutzlose Chronik eines Ausnahmezustands, von dem niemand weiß, wann er zu Ende sein und wie er uns verändert haben wird.
Carolin Emcke, geboren am 18. August 1967 in Mülheim an der Ruhr, lebt als freie Publizistin in Berlin. Sie studierte ab 1987 Philosophie, Politik und Geschichte in London, Frankfurt am Main und an der Harvard University. Ihre Doktorarbeit „Kollektive Identitäten. Sozialphilosophische Grundlagen“ wurde 2000 im Campus Verlag veröffentlicht.
Von 1998 bis 2006 arbeitete Carolin Emcke als festangestellte Redakteurin beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL. Ab 1999 bereiste sie als Auslandsredakteurin zahlreiche Krisenregionen und berichtete unter anderem aus dem Kosovo, Afghanistan, Pakistan, Irak und dem Gaza-Streifen. Aus den Briefen, die sie zwischen 1999 und 2003 an ihre Freunde schrieb, entstand 2004 ihr erstes Buch „Von den Kriegen – Briefe an Freunde“ (S. Fischer Verlag).
2003 bis 2004 ging Carolin Emcke für ein Jahr als Visiting Lecturer an die Yale University und lehrte unter anderem über „Theorien der Gewalt“. Seit 2004 kuratiert und moderiert sie zudem die monatliche Diskussionsreihe „Streitraum“ an der Berliner Schaubühne. Von 2007 bis 2014 arbeitete sie als freie Autorin für DIE ZEIT und veröffentlichte Reportagen aus dem Irak, Haiti, dem Gazastreifen sowie zahlreiche Essays. Seit Oktober 2014 schreibt sie für die Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung eine wöchentliche Kolumne.
Carolin Emcke wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Lessing-Preis des Freistaats Sachsen (2015), dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay (2014) und dem Theodor-Wolff-Preis (2008). 2010 wurde sie zur Journalistin des Jahres gewählt. Im Oktober 2016 wird mit „Gegen den Hass“ eine essayistische Auseinandersetzung mit dem Rassismus, dem Fanatismus und der Demokratiefeindlichkeit erscheinen.
2016 erhält sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Quelle: Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
"Nichts jedoch jagt mir mehr Angst ein als die Auftritte derer, die nurmehr Wahn als Angst ausgeben, die sich nicht mehr scheren um das, was allen gemein ist, die keine Bezugsgrößen mehr anerkennen außer ihrer eigenen Phantasie, die ihre Wut nicht mehr erklären, sondern nur noch ausagieren wollen, immer vertikal, gegen "die da oben", gegen eine vermeintliche "Diktatur", gegen "die Medien", gegen "Bill Gates", gegen irgendein "Komplott", das bekämpft werden muss." - Carolin Emcke, "Journal: Tagebuch in Zeiten der Pandemie"
Als letztes Jahr im März der erste Lockdown aufgrund der Covid-19-Pandemie beschlossen wurde, beginnt Carolin Emcke, ein Tagebuch zu schreiben, bis in den Sommer 2020 hinein führt sie es fort, legt dann eine Pause ein und beginnt im November nochmals mit einer kleinen Rückschau. Sie hält ihre Gedanken zum aktuellen Tagesgeschehen fest, verarbeitet ihre Ängste, spendet aber auch Trost und Mut machende Überlegungen. Ich habe mich auch in diesem Buch wieder sehr wohl gefühlt mit und in Emckes klugen Worten, sie hat mich damit aufgefangen und meine eigenen im Kopf herumschwirrenden Gedanken etwas geklärt und oft in den richtigen Kontext gebracht.
Eine Große Stärke von "Journal" ist die Aufarbeitung des Zeitgeschehens. Ich konnte mit diesem Buch einige für mich sehr einschneidende Geschehnisse im letzten Jahr Revue passieren lassen und mir dazu nochmals etwas den Kopf zerbrechen. Moria, George Floyd, Querdenker-Demos oder Donald Trump - die Autorin schafft es, in einem ganz bestimmten Ton und mit einer ganz besonderen Einordnung, die Themen, die mich bewegt haben, zu betrachten. Ich denke, dass es auch in einigen Jahren einen großen Mehrwert haben wird, dieses Tagebuch aufzuschlagen, um sich an dieses Jahr zu erinnern.
Als besonders bereichernd habe ich auch Carolin Emckes Ausführungen zu den Themen Angst und Verlust empfunden. Wir alle haben so viele Ängste in dieser Pandemie: Angst davor, uns anzustecken. Angst davor, dass ein geliebter Mensch an Corona erkrankt. Angst davor, dass ein Familienmitglied oder ein*e Freund*in an Covid-19 verstirbt. Angst davor, dass die Welt sich unwiederbringlich verändert hat. Angst davor, dass alles noch mehr aus den Fugen gerät. Und Angst vor rechten Ideologien, die sich immer weiter verbreiten - und vor Menschen, die sich dieser blindlings anschließen. Die Autorin geht auf all diese Ängste und noch mehr ein, sie findet exakt die passenden Worte und hat mich damit auch in meiner eigenen Trauer aufgefangen.
Ich möchte das Buch wirklich allen empfehlen. Egal, ob ihr einfach das letzte Jahr rekonstruieren wollt, um eure Gedanken ein bisschen zu ordnen oder ob ihr einfach einen kleinen Rückzug braucht, um mit der ganzen Situation ein wenig besser klar zu kommen - "Journal" bietet genau das. Ein wirklich wunderbares Tagebuch!
5 - In einem Gespräch immer den richtigen Ton zu treffen ist alles andere als leicht - Carolin Emcke schafft das in ihrem “Journal“ mit jedem einzelnen Satz. Jeder Ausdruck der Angst und Sorgen, jede Wut gegen die, die diese Pandemie zu ihren Zwecken leugnen oder instrumentalisieren, jede besonnene Hinwendung zur Gegenwart liest sich so, wie man es selbst im letzten Jahr in irgendeiner Form erlebt oder gefühlt hat. Dabei lassen ihre Beobachtungen und Nachfragen an die Gesellschaft immer den Raum, sich nicht pessimistisch im aktuellen Zustand des Social Distancing zu verstricken, sondern ins Außen zu blicken: raus aus der Ein-Zimmer-Wohnung, raus aus der Bedrängnis. “Journal“ ist eine wunderbare Chronik, die noch lange relevant und trostspendend sein wird.
Das zweite Ostern im sogenannten Lockdown führt die zähe Ewigkeit dieser Pandemie so deutlich vor Augen. Da hilft tatsächlich ein ruhiger Blick zurück auf die Nachrichten, Gedanken, Gefühle von vor einem Jahr. Jedenfalls wenn der Rückblick in derart klugen, fokussierten, reflektierten Texten verfasst ist, wie ich sie von Carolin Emcke gar nicht anders erwarte. Manches im "Journal. Tagebuch in Zeiten der Pandemie" liest sich fast schon zeithistorisch, anderes erstaunlich aktuell, klar vorausschauend. Die Betrachtung der Pandemie wird genauso in das politische Weltgeschehen (George Floyd, Geflüchtete, Trump) wie in persönliche Erlebnisse in Berlin eingebunden. Und ein Postscriptum aus dem November schlägt die Brücke zum Jetzt. - Ein Zeitdokument, das beim Verstehen und Verarbeiten hilft.
Bewegend und traurig und wahnsinnig klug denkt Carolin Emcke über Körperlichkeit, Gesellschaft, Isolation und Vermissen von Dingen nach, die früher ganz normal waren. Und das, ohne alles allzu sehr auf die eigene Person zu beziehen, ohne sich ausschliesslich um interne, oder ausschliesslich um externe Prozesse zu kümmern. Ein vielfältiges, durchdachtes Zeitzeugnis.
Carolin Emcke ist einfach grandios. Ich hatte zuerst Bedenken, ob ich noch etwas über die Pandemie lesen möchte, wo es uns doch jeden Tag umgibt, aber zum Glück habe ich mich dafür entschieden. Wieder einmal ein sehr durchdachtes Buch, das so intelligent ist und sich dennoch so leicht liest, dass ich es in einem Tag verschlungen habe.
Ich habe mich lange vor diesem Buch gedrückt und im Nachhinein frage ich mich warum. Ja, es sind schwere Themen über die Emcke hier Journal führt, aber einem so intelligentem und tollem Menschen beim Denken "zuzusehen" ist immer ein Gewinn! Vielen Dank dafür!
Was offensichtlich wird: Daß auch große Intelligenz und die Fähigkeit zu tiefgründigen soziokulturellen philosophischen Gedanken nicht davor schützen, ganz kleine, irrationale Ängste zu haben. Und von ihnen nachgerade gelähmt im Tun und, offenbar leider auch, Denken zu werden.
Tip: Finger weg, wer noch jemals irgendeinen Text der Autorin mit Genuß und Respekt lesen können will.
Nice to read some thoughts by a fellow human being on the onset of the Covid pandemic. Especially interesting when these thoughts correspond with one's own thoughts during that time - makes you think you are not that alone after all.
Es ist merkwürdig diesen Text einer schon verdrängten und halb vergessenen Wahrheit zu lesen und sich darin wiederzufinden. Emckes Gedanken im "Journal" sind aufwühlend ehrlich und lassen die Vergangenheit nochmal aufleben.