Von Gewalt, von Zärtlichkeit und von der Macht der Befreiung
Juli wächst in einer Vorzeigefamilie Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie ist Klassenbeste. Doch in der Kleinstadtvilla herrscht das Grauen. Der Vater drillt die Kinder auf Leistung, prügelt sie und seine Frau. Juli wird älter, fordert ein Ende der Gewalt, deren Realität von der Mutter vehement abgestritten wird. Einzig ihre Geschwister und eine Maus geben Halt. Doch wie kann man sich befreien, wenn man weder den Eltern noch den eigenen Erinnerungen traut? Die Befreiung gerät zum Feldzug – gegen die Eltern und das eigene Ich. Drei Jahrzehnte folgen wir Juli, die mit aller Macht versucht, die Deutungshoheit über ihr Leben zu erlangen. Ein eindringlicher Roman über Verletzungen und eine mögliche Heilung, voller Originalität und Wärme.
Claudia Schumacher, 1986 in Tübingen geboren, verbrachte ihre Jugend im Stuttgarter Speckgürtel. Nach dem Studium in Berlin folgten sieben Jahre in Zürich, wo sie als Journalistin und Kolumnistin arbeitete, Redakteurin bei der ›NZZ am Sonntag‹ war. Heute lebt die Autorin in Hamburg und schreibt unter anderem für ›DIE ZEIT‹.
"Liebe ist gewaltig" ist ein schmerzhaftes Buch. Es ist auch ein unangestrengt gegenwärtiges Buch. Online-Gaming, Airbnb, Hastags oder Spotify sind einfach da und werden nicht besonders ausgestellt. Der Roman erzählt von Gewalt und Aufwachsen. Für mich das beste deutschsprachige Buch in 2022. Dass die Jury des Deutschen Buchpreises es nicht einmal auf die Longlist gesetzt hat, ist ein Skandal. Dieses Buch wird bleiben.
Die 17-jährige Ich-Erzählerin Juli Ehre befindet sich in dem Kneipp-Kurort Bad Auenried, einem "Rehaloch". Der Todeswunsch soll ihr ausgetrieben werden. Davon darf aber niemand wissen, sonst verlieren ihre Anwalts-Eltern die Zulassung. Ihr psychopathischer Vater schlägt sie, ihre Geschwister und ihre Mutter. Wir befinden uns im Jahr 2007.
2014 ist Juli in Berlin. Sie verdient Geld als Profi-Gamerin. Sie liebt eine schwarze Frau. Sie geht in Clubs und zu Feminismus-Camps. Ihr Bruder Bruno spielt in einer Indie-Band. Ihr Bruder Max ist Bürgermeister im Heimatort. Dort kommt es auf der Geburtstagsfeier des Vaters zum Eklat.
In 2016 ist aus Juli Julia geworden. Sie ist jetzt in einer toxischen Beziehung mit Aufsteiger Thilo und lebt in der Zürich. Die Vergangenheit lässt sie nicht los.
Die Geschichte der Gewalt hinter verschlossenen Türen in einer vordergründig "erfolgreichen" Familie wird in einer direkten Sprache ohne Schnörkel erzählt. Dadurch bekommt das Erzählte eine große Wucht. Ich konnte mich diesem Text nicht entziehen.
A debut novel recommended by Bachmann Prize winner Helga Schubert - and hell, this book about domestic violence shines with its intense, effective language and psychological explorations of toxic family dynamics. Our protagonist is Juli, who grows up in a small town near Stuttgart as the daughter of two respected lawyers. But her father fosters a competetive dynamic between his four children, and when one of them succeeds, he feels threatened and punishes them. His violent outbursts lead to extreme physical violence against his wife and children as well as to severe psychological trauma, and the book, which is structured in three parts, shows the effects on the family over several years.
In the first part, Juli is 17, and we meet her when she gets institutionalized after a breakdown; in the second part, she is a 24-year-old math student and pro-gamer trying to navigate her relationship with a woman; in the last part, she is 26 and engaged to a man from Saxony who has apparently made it in Switzerland. All the while, we also hear about the parents as well as the siblings, and how the damaged, oppressive and/or abusive dynamics between them develop. This all so plausibel, obviously well researched, intelligently written and captivatingly rendered, it reads like a psychological thriller - which, of course, it is, in a way.
Schumacher does a terrific job writing about the effects of degradation and manipulation, and the tone she chooses is often laconic and frutilessly aiming for distance by employing dark humor, which is incredibly effective. Granted, one might accuse the book of being rather on-the-nose and often rather unsurprising (drugs, cutting, sex addiction, gaslighting, you name it), but it does what it does masterfully.
Well-worth reading, translating, nominating for the German Book Prize.
Es hat nicht viele Seiten für mich gebraucht, um zu verstehen, dass dieses Debüt (Debüt, Leute! Kaum zu fassen!) von Claudia Schumacher ein Jahreshighlight werden würde. Zugegeben - oft passiert es nicht, dass mich ein Buch von den ersten Sätzen an packen kann und nicht wieder loslässt, ich wie in einem Rausch durch die Seiten fliege, um am Ende atemlos zurückzubleiben. “Liebe ist gewaltig” ist so ein Buch.
Juli leidet mit ihren 17 Jahren an einer "generellen Unentschiedenheit, was das Weiterleben betrifft". Während ihr Leben nach außen hin perfekt zu sein scheint, lauern hinter der Hochglanzfassade die Abgründe - der Vater tyrannisiert und verprügelt seine Kinder, die unterwürfige Mutter sieht weg und kaschiert die Exzesse, denen auch sie sich manchmal ausgesetzt sieht.
Wahnsinnig authentisch fängt die Autorin die Gedanken und Gefühle von Juli ein, findet genau den passenden Ton für die zunächst aufsässige, rotzige Jugendliche, die ungefiltert ihre Gedanken zum Besten gibt. Je älter sie wird, desto distanzierter wird auch der Blick der Erzählerin auf ihre Heldin. So verlagert sich der Fokus im Folgenden vom eigenen Erleben zur Beobachtung der Heldin in sozialen Bindungen und zeigt das Fortwirken des Missbrauchs in vielen unterschiedlichen Facetten ihres Erwachsenwerdens.
Ein großartiges Debüt, das meine Erwartungen übertroffen hat und das ich (trotz TW) unbedingt weiterempfehlen muss!
"Liebe ist gewaltig" is a novel that doesn't duck away, but holds its face up. And we can feel every blow, every cracked skin, every broken bone. But more devastating than the physical pain are the wounds that open up inside, the abysses, into which we plunge unchecked with the protagonist. Scars remain on the outside, while on the inside the injuries grow, proliferate and suffocate Juli's original identity under the expectations, demands and humiliations of those around her.
The novel is a family story. It is a love story. It is a coming-of-age novel. And it is a horror story, although the horror here is reality. Nothing supernatural happens, but this makes the horror all the more gruesome. The reader is subtly confronted with something corrosive, with toxic power games, desperate attempts to escape and a basic constellation that seems almost deterministic: does someone who has been beaten up inevitably look for a beater? Is the happiness we seek really just a disguised version of our unhappiness?
The novel takes a punch, but it also deals it out. It is a punch that approaches at the speed of sound. You close your eyes and see what it was born of and what it wants to cause. You don't even have to really feel it. When you open your eyes again, the fist has opened. Nevertheless, you feel the echoes of a phantom pain.
Ich muss ehrlich sein. Ich dachte, wir würden eher aus der Perspektive der Mutter lesen. Ich fand es aber wahnsinnig gut, dass wir aus Sicht der Tochter lasen und erfuhren, was dieser gewalttätige Vater, diese lethargische Mutter für Julis Erwachsenwerden bedeuteten. Ich habe so eine Wut beim Lesen auf diese “Eltern” entwickelt, die nach außen hin die Vorzeigefamilie gaben und sich dann aber hinter verschlossenen Türen Abgründe ohne gleichen auftaten. Wie lange Juli brauchte und noch brauchen wird, diese immerwährenden Kindheitstraumata zu verarbeiten….. Mir stockte beim Lesen sehr häufig der Atem. Ich habe unheimlich mit den Geschwistern innerhalb der Familie mitgefühlt. Die Autorin hat es anhand weniger Sätze geschafft, diese massive Dramatik darzustellen und zu entfalten. Den Text werde ich noch lange im Kopf haben.
Natürlich habe ich in diesem Jahr schon viele großartige Romane gelesen, habe schon so einige mit 5 Sternen aus- und als Highlight bezeichnet. Aber "Liebe ist gewaltig" von @dia_schumacher war für mich das richtige Buch zur richtigen Zeit. Aktuell fällt's mir schwer, am Ball zu bleiben, mal mehr als 20 Seiten am Stück zu lesen. Job, Kind, Hitze, Hand Mund Fuß, Schulung und alles nochmal von vorn. Stecke da gerade in einem kleinen Hamsterrad und auf meinem Nachttisch liegen 6 angefangene Bücher. In das siebte reinzulesen, fällt dann auch nicht mehr ins Gewicht. Dachte ich und konnte das Buch seit gestern Abend nicht aus der Hand legen, habe für die Momente, in denen es nicht anders ging, zum Hörbuch (wunderbar gelesen!) gegriffen.
Sogwirkung ist ein so inflationär gebrauchter Begriff, der nicht richtig trifft, was mir da passiert ist. Ich nenne es für mich den Fallwickl-Effekt. Bis jetzt hat noch kein anderer Roman ähnlich viel mit mir gemacht. Bis jetzt 🧡
"Blut ist dicker als Wasser. Das gilt nur für die dysfunktionale Familie. Aus dem guten Elternhaus spazierst du raus, sobald du volljährig bist, und machst, was du willst. Aber die schlechte Familie, ausgerechnet die lässt dich nicht los."
Wenn Claudia Schumacher über die dysfunktionale Anwaltsfamilie aus der Suttgarter Vorstadt erzählt, tut sie das mit sanfter Brutalität. Oder brutalem Sanftmut? Die einzelnen Szenen sind intensiv, lassen mich teils atemlos zurück. Die Grausamkeit, vor allem im ersten Drittel, muss man aushalten können. Schumachers Wortwitz und die pointierten Bilder jedenfalls treffen bei mir direkt ins Schwarze, da sitzt jede Alanis Morissette Anspielung 🤌🏻💯
Was ist das für ein Roman?! - Eine gerechtfertigte Frage, wenn mensch seit gefühlt mindestens drei Jahren kein 350 Seiten mehr am Stück weggeatmet hat. Claudia, du machst mich fertig. Auf die bestmögliche Art. 🧡
Dreimal schon habe ich einen Text getippt und wieder gelöscht in dem Versuch die richtigen Worte für dieses Buch zu finden.
Aber ich scheitere...all das Tiefsinnige scheint irgendwie nicht zu passen, aber über den bloßen Inhalt zu sprechen scheint mir ebenso abwegig. Also ein neuer Versuch, der Vierte...
Ich konnte Juli sehen in ihrem Schmerz, in ihrem Versuch trotz oder gerade wegen ihrer Kindheitstraumata ihr Leben zu meistern. Ihre Wut und ihr Verlorensein in einer Welt, die viel zu oft nur auf die Fassade schaut, in der nicht sein kann, was nicht sein darf und die dabei bereitwillig Seelen opfert.
Juli ist durch ihre Eltern zum Opfer geworden und doch ist sie alles andere als schwach - Claudia Schumacher hat Julis Charakter so glaubhaft gezeichnet, mit so vielen Eigenarten und Tiefe, dass Schwäche wohl das letzte Wort ist, was mir für Juli einfallen würde.
Besonders der letzte Teil des Buches hat mich sehr berührt. Sich selbst zu kennen, sich zu erlauben man selbst zu sein, ist abseits aller Perfektionismusgedanken die wahre Paradedisziplin des Lebens.
Ein sprachgewaltiger Roman über das Leben und die Gefühlswelt eines missbrauchten Mädchens, das auch als Frau mit den Dämonen ihrer Vergangenheit kämpft. Direkt, ehrlich, scharf und authentisch. Eine Geschichte, die in den Bann zieht, sodass man nicht aufhören kann zu lesen.
Ich fand leider ganz viel ganz off und verstehe nicht so ganz, wieso es hier so wenige bis gar keine kritischen Reviews gibt.
Erst mal unabhängig von der Handlung und vom Schreibstil: einfach die random Fremdbezeichnung für Rom:nja und Sinti:zze? Das war so unnötig und rassistisch.
Auch dieser Satz, als die Protagonistin darüber nachdenkt, dass ihr Vater ihr eine Beziehung verbietet: „Meine Nebensitzerin in der Schule ist Muslimin, wird aber nicht halb so behütet wie ich.“ Ich glaub ich muss dazu nichts sagen, ich war einfach baff, als ich das gehört habe.
Wie Geschlecht und Sexualität behandelt wurden fand ich teils auch echt komisch. Es wird deutlich, dass der Vater der Protagonistin Juli ihre Sexualität (und auch die ihrer Mutter) streng kontrolliert und verurteilt. Scheinbar als Reaktion darauf versucht Juli sich von ihrer Weiblichkeit abzuschotten, bzw. von dem, was sie als weiblich definiert: sie wird Counter-Strike Profi-Gamerin, schneidet sich die Haare kurz und nennt sich Jules.
Es kommt zu Gedankengängen wie dem Folgenden: „Ich […] frage ich mich, warum ich mich unter Frauen immer als Mann fühle. Ich halte den Schirm, trage Einkäufe, öffne Türen. Ich kann kein Zimmer dekorieren, vergesse Geburtstage, habe Dreck unter den Nägeln. Ich bin nicht gut im Mädchensein.“ Ok weird? Frau-sein = saubere Fingernägel haben?
Der Schreibstil hat mir auch gar nicht gefallen, und es ist mir nicht verständlich, wieso er von allen Seiten in den Himmel gelobt wird. Vor allem den ersten Teil des Buchs, als Juli 17 ist, fand ich sehr schlecht geschrieben. Wie die Autorin versucht, die Sprechweise von Jugendlichen zu imitieren, war so unangenehm. Es wurde im Laufe des Buchs besser, aber besonders überzeugend fand ich ihn auch dann nicht.
Was ich mochte: die exploration von der Mutter als Figur, die nicht nur Opfer von der Gewalt des Vaters ist, sondern zugleich auch Täterin bzw. Komplizin. Interessant war auch, wie der Vater Juli und ihre Geschwister manipuliert und gegeneinander ausspielt.
Overall fand ich es ziemlich enttäuschend und die Punkte, die ich oben beschrieben habe, haben die positive Aspekte schon sehr überschattet. Ich würde das Buch nicht weiterempfehlen.
Irgendwann hat Juli genug. Genug von den ständigen Demütigungen, dem psychischen Druck, den Schlägen. Sie schlägt zurück, im wahrsten Sinne des Wortes, mitten in das Gesicht ihrer Mutter. Hinter ihr liegt eine Kindheit und Jugend in einem brutalen Elternhaus, das sich nach außen gutbürgerlich gibt - mit einem prügelnden Vater und einer passiven, quasi abwesenden Mutter. Vor ihr ein Start in eine ersehnte Unabhängigkeit, die sie nie wirklich erreicht. Denn auch nach dem Auszug aus dem Elternhaus findet Juli nicht zu sich, weiß nicht wer sie ist. Nennt sich mal Jules, mal Julia. Sie stolpert durch Beziehungen, doch selbst bei Sanyu, einer Frau, die sie sehr liebt, kann sie sich nicht wirklich fallen lassen. Später passt sie sich - ähnlich wie ihre Mutter - vollkommen den Vorstellungen eines Mannes an, immer versucht sie ihrer Vergangenheit davon zu laufen, doch nie gelingt es. Claudia Schumacher arbeitet in ihrem Romandebüt "Liebe ist gewaltig" sehr gut heraus, was es bedeutet unter physischer und psychischer Gewalt aufzuwachsen. Wie tief sich all die Erniedrigungen und Schläge in ein Bewusstsein eingraben und wie lange Betroffene mit den Folgen zu kämpfen haben. Ein hartes, ein wichtiges Buch, das temporeich, kraftvoll und voller Wut erzählt wird und trotzdem so nüchtern bleibt, dass man in all dem Elend, das hier erzählt wird, nicht versinkt. Eine dringende Leseempfehlung! (Allerdings mit deutlicher Triggerwarnung.)
Dieses Buch hat richtig wehgetan. Es wird aus der Sicht von Juli erzählt, die wir zunächst als Jugendliche und später mit Mitte zwanzig begleiten. Es geht um physische und psychische Gewalt in einer gut situierten Familie irgendwo in Deutschland. Die Geschichte zeigt, wie Julis Prägungen sie ein Leben lang begleiten, wie sie häufig nicht loskommt, wieder zurückgeworfen wird, welche (ungesunden) Strategien sie einsetzt, wie sie Beziehungen führt. Erzählt wird in einem zynischen Ton, an den ich mich erst gewöhnen musste, den ich aber sehr passend fand.
Ein schmerzhaftes Buch. Die Sätze wirken locker rausgehauen, doch durch die Rohheit, die die Protagonistin hineinlegt, treffen die Wörter mit ungeheurer Wucht.
Julis Schilderungen aus 2007 fand ich spannend. Danach zog es sich, es passierte mir zu wenig. Erst der Brief gegen Ende fing mich wieder ein.
Bin gespannt, was als Nächstes von der Autorin kommt - ich werde es lesen, auch wenn ich hier „nur“ 3* vergebe.
♡-Zitat: "Viele Menschen brauchen Zeit fürs Verlieben. Und noch länger, um zu wissen, dass es Liebe ist. Ich nicht, ich wusste es sofort." S.157
Bei mir war es neben "Veronika beschließt zu sterben" dieses Buch hier🥺
Die Geschichte handelt von der Hauptprotagonistin Juli, die in einer Vorzeigefamilie aufwächst, die aber alles andere als das ist, was sie nach außen scheint. Juli, ihre Geschwister und ihre Mutter erleben häusliche Gewalt durch den Vater. Die Situationen die dort geschildert wurden, den Umgang der Protagonistin mit häuslicher Gewalt und ihren Erfahrungen, als auch den Verlauf ihrer Zukunft und wie es sie dahingehend beeinflusste war sehr... bewegend? Traurig? Verzweifelnd? Zum nachdenken anregend? Es ging mir sehr nah, was für eine Manipulation und physischen Gewalt die Familie ausgesetzt war, auch wenn ich den Eindruck hatte, dass es durch den Schreibstil eine gewisse Distanz aufbauen. Als würde man als Leser das Geschehen betrachten und angehalten sein darüber nachzudenken und nicht mit der Geschichte mitgerissen zu werden, als wäre es eine Unterhaltungslektüre - was es aus meiner Sicht nicht ist.
Immer wieder musste ich mich fragen "Warum muss das passieren? Warum müssen manche Menschen das erleben? Warum? Warum? Warum?" Es gibt keine Antwort auf diese Frage. Es ist ein Thema was gegenwärtig für viele Kinder, Frauen und/oder Familien ist, weswegen ich in einem separaten Beitrag in ferner Zukunft mehr dazu recherchieren und mit euch auf Instagram teilen möchte.
Die Umsetzung wirkten auf mich unverherrlicht und ehrlich und war das was ich mir von dem Buch erhofft hatte.
Die erste Hälfte war fesselnd, aber mein kleiner Manko war, dass die zweite Hälfte etwas langatmig war. Zum anderen habe ich länger für das Buch gebraucht, was vermutlich mit letzterem und dem (für mich) distanzierten Schreibstil war.
Mir fehlen die Worte. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Doch aber, lest dieses Buch und erlebt alle Gefühle mit die Juli gefühlt hat. Ein großartiges Debüt und ich wünsche mir mehr solcher Bücher. (Aber bitte beim nächsten Mal mit TW, weil krasser Inhalt)
Liebe ist gewaltig. Dieses Buch ist gewaltig. Es hat mich sehr beschäftigt und ich habe ein paar Nächte wirklich schlecht geschlafen. Juli wächst in „gutem Hause“ auf. Jedenfalls wirkt es nach außen so: ihre Eltern sind Anwälte, die Kinder wohl erzogen und Juli Klassenbeste - eine Vorzeigefamilie. Es könnte nicht ferner der Realität sein. Der Vater erwartet Leistung und Ehrgeiz, hat regelmäßige Anfälle der Wut, demütigt, schlägt und prügelt seine Frau und seine Kinder. Als Leser:innen sieht Juli aufwachsen, und erwachsen werden. Man spürt ihre Wut. Juli versucht sich von der Vergangenheit zu lösen, möchte dass die Gewalt, die sie erfahren hat, nichts mit ihrem jetzigen Leben zu tun hat. Doch alleine die Entscheidung reicht nicht aus. Wie heilt man? Wie trennt man sich von der Vergangenheit? Es ist ein sehr trauriges Buch, trotzdem voller Wärme und Liebe, aber herzzerreißend.
Das ist ein spannendes, aufschlussreiches Buch mit tollen Figuren. Ich persönlich konnte nichts mit dem Schluss anfangen, der mir sehr schematisch erscheint, aber das ist sicher ungerecht, und Juli hat eh alles Gute verdient, was ihres Weges kommt.
This entire review has been hidden because of spoilers.
Uff, das wird mich noch ein bisschen verfolgen. So authentisch geschrieben, dass es sich angefühlt hat wie eine Autobiographie. An vielen Stellen schwer zu ertragen, hat mich aber auch richtig in einen Sog gezogen. TW für physische und psychische häusliche Gewalt
Dass dieser Titel nicht von einer romantischen Liebesgeschichte herrührt, war mir irgendwie von Anfang an klar. Was für eine Brutalität allerdings in diesem Buch steckt, darauf war ich nicht vorbereitet. Juli wächst als jüngstes Kind der Familie Ehre in einem reichen Elternhaus aus. Der Vater ist Anwalt. Die Mutter kümmert sich liebevoll um ihren Mann und um die Kinder. Alles ist perfekt! Zumindest nach außen hin. Hinter der Hausfassade herrscht aber Gewalt und Demütigung. Der Vater Kurt schlägt nicht nur seine Frau regelmäßig auf brutalste Art und Weise, sondern demütigt genauso seine Kinder durch Worte und Taten. Wir schauen zu einem Zeitpunkt in die Familie, als die älteren Kinder sich schon distanziert haben. Nur Bruno und Julie sind der Prügel ausgeliefert. Und dieses Szenen sind wirklich hart zu lesen.
Juli macht uns ihre toxische Familie transparent, das tut sie mit einer Leichtigkeit und in einem Ton, der bisweilen schnodderig, dann aber wieder sehr poetisch ist. Und das macht die Geschichte sehr nahbar. In weiten Teilen sind wir in der ICH-Perspektive und somit tief in Julis Kopf. Sie hat die Strategien ihrer Eltern durchschaut. Sie weiß, wann sie sich wegducken sollte, wie klein und hilflos, und unglaublich unfähig ihre Mutter ist und dass sie ihren Bruder Bruno beschützen muss. Ihre Mama wäre die einzige, die die Macht hat, die Kinder vor der entfesselten Gewalt des Vaters zu bewahren. Doch sie ist zu schwach und wählt den Weg der Vertuschung. Die Wahrung des Scheins ist ihr wichtiger, als alles andere. Juli ist sich bewusst, dass sie nicht den gleichen Weg wählen möchte. Sie entscheidet sich zu rebellieren, zu schreien, zu schimpfen und sich zu wehren und dabei geht sie bis ans äußerste.
Es gibt mehrere Zeitbrüche in diesem bewegenden Roman. Wir erleben Julis Entwicklung und was ihre Erfahrungen aus der Kindheit mit ihr als junge Frau machen. Der Liebe begegnet sie mehrfach. Wie sie diese Situation meistert, müsst ihr schon selber lesen.
Claudia Schumacher schafft es den Ton fein zu justieren. Obwohl er locker flockig daherkommt und man das ein oder andere Mal über die Formulierungen lachen möchte, bleibt einem dies meist im Hals stecken. Die Widerwärtigkeiten mancher familiären Situation, besonders, wenn nach aussen ein anderes Bild gelebt wird, ist mir teilweise unerträglich gewesen. Und doch wird man in einen Sog gezogen und kann nicht aufhören zu lesen. Es wird sehr deutlich, warum auch in der Realität Frauen sich über Jahre hinweg schlagen lassen, welche Mechanismen einsetzen und wie schwer es, je nach Charakter, zu sein scheint dem zu entfliehen. Die Entwicklung von Juli ist interessant beschrieben, nicht immer nachvollziehbar, aber doch zu erklären. Die Beziehung zu Bruno ist sehr differenziert dargestellt und verläuft nicht immer nur geradlinig. Am Beginn der Geschichte hat sich mir eine Frage gestellt, die sich am Ende auch klären konnte. Einzig dass über ihre Schwester Alex sehr wenig bekannt ist, fand ich ein bisschen schade. Da hätte ich mir mehr Plot gewünscht, das hat aber auf den Verlauf des Romans gar keinen Einfluss, ich wäre nur neugierig gewesen. Mit dem Ende bin ich sehr zufrieden. Das Debüt ist der Autorin auf jeden Fall gelungen und ich freue mich auf alles, was von ihr noch kommt.
Eine große Empfehlung für alle, die auch vor heftig Szenen nicht zurückschrecken, facettenreiche Protagonisten mögen und die weiter gegen toxische Männlichkeit kämpfen möchten.
Ich frage mich wie viele Leute das hier nachempfinden können, so wie ich. Ich denke das ist eines dieser Bücher, in dem ich mich selbst erkenne. Oder zumindest einen großen Teil von mir.
Ich muss ein bisschen ausholen. Schonmal im voraus: Tut mir leid fürs Traumadumping. Das wird jetzt ein ziemlicher Downer.
Ich bin genau so aufgewachsen. Mein Vater ist so ein tyrannisches Monstrum. Ein Psychopath. Ich erinnere mich, wie er mich an meinen Haaren durch den Flur gezogen hat. Wie meine Mutter Sonntags vor der Kirche unsere Blauen Flecken überschminkt hat. Wie ich geweint habe als ich ihn meine Mutter würgen gehört habe. Wie ich das erste mal aus Panik ohnmächtig geworden bin. Ich hab gnädigerweise vieles vergessen. Und am Ende haben wir komplett den Kontakt abgebrochen. Wir waren zu der Zeit nicht arm, sondern erst danach. Und auch danach war alles ein Kampf, weil wir alle gebrochen waren. Ist es immernoch.
In diesem Roman ist es dasselbe: Es reicht eine Person. Ein wütender Mann, der meint, seine Kinder zu verprügeln würde ihm Genugtuung verschaffen. Ein unzufriedenes, machthungriges, manipulatives Arschloch ohne einen Funken Geduld oder Güte. Meine Mutter meinte eben auch, sie hätte es nicht kommen sehen. Klar, ja. Ein Narzisstischer, gewalttätiger Psychopath hat sich durch nichts zu erkennen gegeben, bis es zu spät war. Die Leute aus der Kirche sagten meiner Mutter, sie sollte sich nicht von ihm trennen. Gott hasst nämlich Scheidungskinder. Was für ein beschissener Witz.
Seltsamerweise steht der Vater in diesem Buch nicht wirklich im Vordergrund. Vielmehr die Wunden, die er verursacht hat. Der Selbsthass.
Und ich dachte mir auch: Ich bin trotzdem seine Tochter, ich habe seine Wut geerbt. Mein Bruder leider auch. Er ist genauso furchteinflößend, hat die selbe Art seinen Kiefer vorzuschieben, wenn er einem etwas antun will. Und wenn ich meinen Vater heute mit diesem Ausdruck sehen würde, würde ich ihm mit voller Inbrunst die Kniescheiben zertrümmern. Aber eigentlich will ich nicht so sein. Vielleicht wäre ich aber auch immernoch vor Angst wie gelähmt? Aber er ist nicht mehr mein Problem, er hat ja eine neue Familie. Sogar noch einen Sohn. Ist das nicht wundervoll? Ich dachte: noch mehr hirngefickte Kinder. Und dann: Aber er wollte doch uns auch nicht? Vermutlich hat er vergeben und vergessen, dass ich seine Missgeburt von einer Tochter war. Dass ich zu unfähig war. Zu hässlich und zu fett. Dass wir ihn beraubt haben.
Ja, warum sollte man ein Kind NUR schlagen? Warum nicht gleich ganz vernichten?
Aber jetzt hat er ja einen neuen Punchingbag. Vielleicht schlägt dieser ja zurück. Wäre witzig, ihn mal zu treffen, denke ich. Oder vielleicht ist ER mittlerweile 'altersmilde', wie Julis Vater gegen Ende? Vielleicht hat er ja gelernt? War in Therapie? Ich kann seit dem Lesen nicht aufhören, darüber nachzudenken. Aber es ist nicht mehr mein Problem. Ich erinnere mich an noch etwas: an eine Entschuldigung die keine war. Er hat bösartig und spöttisch gelacht, während er sich entschuldigt hat, weil meine Mutter in Tränen darum gebeten hat. Es war keine echte Entschuldigung, und er hat mich in seine mächtigen Arme genommen. Und das war damals das schönste Gefühl der Welt. Eine einzige Umarmung, das ist alles, was ich habe.
Das war alles die reinste Konfrontationstherapie.
Aber ich bin ja auch entkommen, wie sie. Habe danach meinen Selbsthass ausgelebt und die dümmsten Leute an mich rangelassen. So wie sie. Irgendwie ist einem alles recht, wenn man so geschädigt ist. So schwach und seltsam. Das konnte ich nachfühlen. Als Erwachsener bin ich so frei, wie ich nur sein kann. Weswegen ich trotzdem manchmal vor Neid sterben will. Ich weiß, es hätte schlimmer sein können. Ich bin längst nicht mehr seine Tochter. Ich bin glücklich wie nie und so langsam eine vollständige, normal funktionierende Person. Ich liebe mein Leben, wirklich. Ich bin kein Opfer irgendwelcher abgefuckten Denkmuster, die aus Kindheitstraumata entwachsen sind. Ich bin mittlerweile ein absoluter Meister der Selbstreflektion. Und das hab ich allein mir selbst zu verdanken und eben nicht all dem, was ich erleben musste. Aber ich glaube daran, dass liebevolle Familien auch liebevolle Menschen hervorbringen. Niemand wird stärker durch Gewalt und Hass. Das ist so ziemlich die Moral der Geschichte. Und wenn euch das jetzt zu viel war, zu viel des Guten, fickt euch ins Knie. Sowas passiert, immer, irgendwem, überall.
Leute sollten darüber reden dürfen, ohne dass man sie dafür verurteilt. Aber ich schäme mich, noch während ich das hier schreibe. Ich seh mich selbst nicht als Opfer. So wie sie. Und auch darum ist dieser Roman für mich so erschütternd gewesen. Es war eine Geschichte, die mir naheging wie nichts sonst und gleichzeitig habe ich jeden Moment gehasst.
This entire review has been hidden because of spoilers.
Ich weiß gar nicht was ich dazu sagen soll. Schätze, weil es einfach so schmerzhaft war zu lesen. Und all diese Gewalt, vor allem auch in der Sprache. Und all diese Wut. Wusste oft nicht, ob ich lachen oder weinen sollte…
Dass dieser Roman ein Debütroman ist, ist sehr beeindruckend. Claudia Schumacher kann schreiben!!!! Der Schreibstil ist einer der authentischsten und klügsten, die ich lesen durfte. Er änderte sich mit dem Alter der Protagonistin. Am Anfang ihres Lebens ist er sehr jugendlich gehalten, ebenso die Gedankengänge und Handlungen. Man hat wirklich währenddes lesens Juli aufwachsen sehen können. Die Charaktere sind brutal echt, so echt, dass man manchmal selbst die Protagonistin Juli in bestimmten Situationen nicht gemocht hat, da sie so menschlich wirkt und deswegen einfach „Fehler“ macht. Mir hat der Aufbau der Geschichte auch besonders gut gefallen. Es war nicht eine typische Geschichte von einem Protagonisten der eine „perfekte“ Charakterentwicklung hat. Juli hat viele Fortschritte aber auch Rückfälle und Claudia Schumacher führt den Leser ausgezeichnet durch diese Gefühlswelten. Nicht nur Juli wirkt total echt auch alle anderen Charaktere. Sogar diejenigen, die nur für eine Seite im Rampenlicht stehen. Auch bleiben bestimmte Charaktere und deren Handlungen einfach unverständlich und das finde ich, lässt sie so echt wirken. Manche Dinge/Menschen bleiben einfach ein Rätsel für sich und das hat Claudia Schumacher mit diesem Buch perfekt dargestellt. Ich wundere mich echt, wie dieses Buch nicht bekannter ist und nicht so stark in den Sozialen Medien vertreten ist. Dieses Buch ist ein verstecktes Talent ⭐️
wow das Buch war echt heavy - in welchem Zusammenhang stehen eigentlich häusliche Gewalt und soziale Klasse? Ja, man würde davon ausgehen, dass Menschen aus höheren sozialen Milieus nicht von häuslicher Gewalt, Sexismus und dysfunktionalen Lebenswelten betroffen sind, aber aber aber Gewalt kennt kein Geschlecht und auch keine soziale Klasse. Das Buch ist erschütternd und wie der Titel sagt „gewaltig“. Ich kann die Gefühle gar nicht in Worte fassen. Es geht nicht nur um die körperliche Gewalt, die Julia, ihre Mutter und ihre Geschwister erfahren haben, sondern auch darum, was für Konsequenzen das mit sich getragen hat. Denn es hinterlässt Spuren. Ich würde behaupten psychische und soziale Gewalt prägen Betroffene viel mehr als körperliche. Es geht viel um Leistungsdruck, Prestige in akademischen Vierteln, suzidalem Verhalten, Gewalt und Liebe.