„Ich denke an alle Lieder, die ich gespielt habe. Alles, was ich gelernt habe, verlernt, verloren. Alles, was dazu geführt hat, dass ich jetzt hier sitze, allein vor Hunderttausend, die Sensation des Abends für sie, der Abschied für mich. Ein letztes Mal bin ich Teil von etwas. Ein letztes Mal werde ich spielen. Wenn die Musik verklungen ist, trete ich durch das Tor und ...“
Eine Novelle über Kunst und ihre Grenzen, über Hoffnung und Hilfslosigkeit, über das Zuhören und das Finden der eigenen Melodie.
4.5 Absolut charmanter Kurzroman. Ideenreiches aber ganz klares, unverwirrendes world-building. Unkitschige emotionale Tiefe und komplexe Figuren, trotz aller Kürze. Hat mir richtig Freude gemacht.
Ein »Auftakt«, dann sieben »Lieder«, ein »letztes Lied« und ein »Schlussstück«: in diese Kapitel ist die originelle Novelle von Lena Richter eingeteilt. Ich mag es, wenn ungewöhnlichere Themen in der SF vorkommen und etwas Neues probiert wird. Hier ist es der spezielle Aufbau mit verschiedenen Geschichten und die Musik als übergreifendes Thema, das neben der Hauptfigur den Text zusammenhält. Wir erfahren das Geschlecht der Erzählfigur Qui nicht und es wird auch kein Pronomen für Qui im Text verwendet, weshalb ich dies auch in dieser Rezension zu vermeiden versuche. Durch Musik öffnet Qui Türen und Tore - das ist wörtlich gemeint - zu anderen Orten der Galaxis und tritt dann über in diese Welten oder Raumschiffe. Dabei ist Qui allein und kann niemanden mitnehmen, was nicht immer einfach ist. Das erzählende Ich erkundet die fremden Welten und es wird schnell klar, dass Qui irgendwann ein letztes Lied spielen wird, dass sich irgendwann eine letzte Tür öffnen wird, die dann zu einem Ziel ohne Wiederkehr führt. Jedes der kurzen Kapitel wirft Qui in eine andere Situation und in der Gesamtheit entsteht ein buntes Panorama, ein Abbild einer von Leben erfüllten Galaxis. Wir sehen einen bunten Strauß aus Erlebnissen, Abenteuern und Erkenntnissen, die zusammengehalten werden von der Musik, die Qui auf verschiedensten Instrumenten spielt. Qui schafft es überall, Lebewesen durch die Musik zu berühren und Lena Richter schafft es, dies auf die Leser*innen der Novelle zu übertragen. Es beginnt auf einer von Konzernen beherrschten Welt, die profitorientiert ist und in der es strenge Zielvorgaben gibt. In der zweiten Welt herrscht Krieg und Qui will sich einmischen und vermitteln. Beim dritten Lied erlebt Qui eine spezielle Gemeinschaft auf einem Generationenraumschiff und die nächste Welt ist von einer Katastrophe bedroht. Wie auch in anderen Fällen baut Qui persönliche Beziehungen auf, versucht zu helfen und stößt dabei auf starke systemimmanente Widerstände. Mal ist Qui ganz auf sich allein gestellt auf einem einsamen Planeten, mal in einer virtuellen Umgebung mit vielen anderen zusammen, aber immer findet Qui Kraft in sich, in der Gemeinschaft und in der Musik. Die kurzen Geschichten stellen eine erstaunliche Bandbreite und Tiefe dar, Figuren werden in wenigen Sätzen treffend charakterisiert, Leser*innen emotional berührt. Dabei gibt es immer wieder Kritik an bestimmten gesellschaftlichen Zuständen, wie z.B. an einer Medienwelt im letzten Lied. Wie schon erwähnt, wird das Geschlecht des erzählenden Ich nicht spezifiziert. Für andere Figuren dieser Novelle werden aber die verschiedensten Pronomen verwendet. Ich glaube, praktisch jede etwas wichtigere Figur hat ein eigenes spezifisches Pronomen. Ich empfand dies gelungen und überhaupt nicht störend im Lesefluss. Etwas, was ich auch schon anders erlebt habe. Dabei wird nicht alles erklärt und Puristen mögen sich daran stören, dass es keine technische oder pseudo-wissenschaftliche Erklärung für die seltsamen Türen gibt, die ja die Grundlage für Quis Reisen sind. Ich sage ganz ehrlich, dass ich das überhaupt nicht vermisst habe, zumal es schon im ersten Lied einige spannende Gedanken zu den Türen gibt. Fazit: Ein dünnes, sehr beeindruckendes, in großartigem Stil geschriebenes Büchlein für Feinschmecker.
“Dies ist mein letztes Lied” von Lena Richter ist eine Science Fiction Novelle, bei der wir Qui auf eine Reise quer durchs Weltall begleiten - denn Qui kann mit Hilfe von Liedern Portale öffnen...
Ich glaube, ich kann mit meinem Wortschatz gar nicht klar machen, wie unfassbar gut ich dieses kleine Büchlein von 150 Seiten fand. Das Klappentextversprechen “Eine Novelle über Kunst und ihre Grenzen, über Hoffnung und Hilfslosigkeit, über das Zuhören und das Finden der eigenen Melodie” passt perfekt.
Stück für Stück setzt sich in nur 9 Kapiteln ein Ganzes zusammen, das so viel Offenes, so viel Interpretierbares bereithält, über das sich wunderbar nachdenken und diskutieren lässt. Sprachlich so schön, so sensibel, so nah dran am Leben. Ich sags euch wie es ist, ich habe mit Qui auf den 9 verschiedenen Planeten gelacht, geweint, gehofft, war verzweifelt und verliebt.
Ich empfehle “Dies ist mein letztes Lied” allen, die sich nach Charakter- und Themenfokussierten Geschichten sehnen. Und wenn ihr die Bücher von Becky Chambers mögt, dürft ihr euch dieses Buch hier nicht entgehen lassen.
Für mich ist diese Indieperle ein Jahreshighlight, das ich wohl immer und immer wieder lesen kann. 5+ ⭐️
In dieser Space-Odyssee wird die Person Qui durch plötzlich auftauchende Türen an verschiedene Orte in der Galaxie gebracht; dort muss Qui mit der immer anderen Lebenssituation klarkommen. Diese ungewöhnliche Reise wird bestimmt durch Musik: Jeder Aufenthalt endet mit dem Spielen eines Lieds durch Qui. Ich fand die verschiedenen Planeten sehr aufregend und schön in Szene gesetzt; mochte auch die Türen, die unerklärlich blieben; interessant natürlich auch der Wunsch, der klassischen Heldenstory etwas anderes entgegenzusetzen: Qui kann auf keinem der Planeten die dortigen Probleme lösen und versteht dann auch, dass die Türen sich Qui nicht deshalb zeigen.
Was mir an der Novelle eher missfiel, und hier will ich länger ausholen: die Beziehungslosigkeit zur Musik selber, oder besser, dem Musikmachen! Ich lese unfassbar gerne so Texte, die auch immer etwas meta das Kunst machen selber behandeln; deswegen war meine Aufmerksamkeit hier geschärft. Dazu muss ich sagen, ich kenne mich null mit Musik aus. Aber das erste, was mir an Musiker*innen auffällt, ist, dass sie ihre Instrumente stimmen. Das zweite: dass sie unglaublich viel üben müssen, um gut darin zu sein. Das hat mir gefehlt in der Novelle. Nicht nur waren Quis Musikübungen anfangs eine Weile her; die Person musste weder künftig viel üben noch war da überhaupt ein Bezug zu irgendeinem Instrument. Eine einzige und auch rührende Situation gabs, als Qui eine Flöte selber herstellte. Aber dass in all diesen verschiedenen Welten dann doch immer eine Art Klavier aufzufinden war, war ein bisschen enttäuschend! Es wäre eine Möglichkeit gewesen, die verschiedenen Kulturen in ihren Instrumenten auszudrücken; und Quis Schwierigkeit damit, sich an ihnen zu beweisen, hätte ich als Auseinandersetzung super spannend gefunden. Auch sonstiges Musikmachen war kein Thema: kein Kritzeln an Noten, kein stundenlanges Grübeln über eigene Melodien, kein Herumprobieren und Austesten. Qui war anscheinend schon vollendet in der Musik. Nur beim letzten Lied wurde das auch bemerkt, und eingeschoben, dass Qui nicht üben will, um sich voll auf das neue Instrument einzulassen. Das verstehe ich aber nicht ganz. Vor allem nicht mit dem Wissen, dass Qui am Ende die ganze Galaxie zum Publikum hatte. Dieser Universalismus im Beispiel des Musikinstrumentes zeigte sich als Problem auch darin, dass die Welten am Ende doch alle verknüpft waren: Es gab ein generelles Geld und soetwas wie galaxieweite Nachrichten; dass Qui etwas in der einen Welt tat, wussten Leute aus der anderen Welt dann auch schon. Das hat mir leider die geheimnisvollen Türen etwas verleidet und sie zu wenig mehr als einem Fortbewegungsmittel mit eigenen Ansichten gemacht. Qui sollte niemand besonderes sein; die Reise war durch die Willkür der Türen bestimmt; und doch war Qui am Ende ein galaxieweiter Star, weil durch die Türen ausgewählt. Ist das nun keine Heldengeschichte? Über die Frage denke ich nun nach.
Zuerst war ich mir nicht sicher, was ich von diesem Buch halten sollte, die vielen Popkultur-Begriffe des fiktiven Planeten Deriton 5 überforderten mich. Dann verlagerte die Novelle ihren Fokus auf ihre eigentliche Stärke. Lena Richter schafft es eindrucksvoll, dass ich verschiedene gleichzeitig existierende Realitäten hautnah erleben kann. Wenn Qui ein Lied spielt und durch eine Tür geht, weiß sie nie, was sie vorfindet, genau wie ich als Lesende. Wir werden in eine neue Welt geworfen, müssen uns zurechtfinden, bekommen teils keine große Gelegenheit mit der alten Welt abzuschließen und müssen "klarkommen", bevor wir das zuvor Erlebte verarbeiten können. Dabei lernen wir viele verschiedene Menschen kennen und lernen sie lieben. Obwohl die Kapitel grundsätzlich als eigenständige Kurzgeschichten bestehen könnten, sind sie durch Protagonistin Qui geschickt verwoben und auch wenn es keine typische Heldenreise ist, gewinnt sie doch einige Erkenntnisse über sich und die Menschen an den Orten, die sie besucht hat. "Dies ist mein letztes Lied" ist (wie sehr viele Bücher aus dem Verlag ohneohren) kein Buch, das man mal so nebenher liest. Gerade deswegen empfehle ich es gerne weiter.
Ein Feuerwerk an Emotionen und Metaphern. Das beginnt mit der Erkenntnis, dass wenn sich eine Tür öffnet und man diese Chance ergreift, man auch Dinge loslassen und zurücklassen muss die man nicht mitnehmen kann. Wir erleben den nicht umsetzbaren Versuch, einen lange währenden Krieg zu beenden und die Erkenntnis, dass dieser Konflikt nicht lösbar ist und man weiterziehen muss. Ein weiteres Kapitel handelt von dem Altruismus einer Raumschiffbesatzung die ihre Lebensspanne verbraucht während viele von der Besatzung im Tiefschlaf die Reise überdauern. Weitere Metaphern beschreiben das Aufgahen in virtuellen Erlebnissen während man die Fitness des Körpers sträflich vernachlässigt, was sich dann im nächsten Kapitel erst mal rächt. Am Ende lernen wir, dass die ominösen Tore nicht zufällig entstehen, sondern dass sie durch die mehr oder wenige bewusste Entscheidung entstehen, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Am Ende bevor das letzte Lied gespielt wird gibt es dann noch einen Seitenhieb auf die Musikindustrie die Profite über die Kunst stellt. Und auch wenn sich das jetzt sehr abgehoben anhört, das Buch ist wunderbar zu lesen, keine schwer verdauliche Kost sondern im Gegenteil eine schöne Geschichte die immer wieder den Spannungsbogen aufbaut, wohin wohl die nächste Türe führt.
Eine sehr starke Novelle die 7 ganz unterschiedliche Geschichten auf geschickte Weise verbindet. Durchweg stark geschrieben, unterhaltsam und voller relevanter Themen. Klare Leseempfehlung!
Dies ist mein letztes Lied von Lena Richter lässt mich berührt zurück. Die Hauptperson Qui reist mittels Lieder durch Zeit und Raum. So ergibt sich eine Novelle, die episodenhaft auf verschiedenen Planeten spielt und immer neue Welten und Perspektiven eröffnet. Sprachlich wunderschön und mit ein paar Geschichten, die das eigene Herz direkt zum Brechen bringen. Es gibt nicht nur Queerness, was die Charaktere betrifft, sondern auch bezüglich der Erzählweise. Ich habe beim Lesen gefühlt, dass Lena sich intensiv mit Queerem Storytelling auseinandergesetzt hat. Und das finde ich so, so wichtig und nötig. Meine Lieblingsstelle: die Geschichte, in der Qui lernen muss, dass Qui nicht der_die Auserwählte ist und es vielleicht gar nicht möglich und nötig ist, allein oder überhaupt die Welt zu retten.
Wow. Um es kurz zu machen: Ich habe noch nie eine Novelle gelesen, die so schön, so berührend, so allgemeingültig und das ganze Leben umfassend ist. <3
"Dies ist mein letztes Lied" von Lena Richter ist ein Kleinod, anders kann man es nicht sagen. Ein Kunstwerk, dass es in sieben Episoden schafft, ein Kaleidoskop des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesellschaft aufzuzeigen, auch wenn es eine Sci-Fi-Novelle ist und zwischen den Sternen spielt.
Danke für dieses Lesevergnügen, das lange machgewirkt hat (und es immer noch tut)!
Collagenhaft führt Dies Ist Mein Letztes Lied uns von Welt zu Welt (und manchmal Raumschiff). Wir schauen auf sie durch die Erfahrungen und Gefühle des/der absichtlich vage gehaltenen Protagonist*in.
Die individuellen Etappen spiegeln Elemente unserer Welt - wie die Verzweiflung der spätkapitalistischen Hoffnungslosigkeit, die Gemeinschaften, welche wir in Onlinespacen mit anderen dorthin Geflüchteten finden oder die reaktionäre, konservative Empörung für alle, die sich eine bessere Welt wünschen.
Geschrieben mit solcher Wärme, solcher Hoffnung und solcher Hoffnungslosigkeit und einem solchen Mitgefühl für die Figuren, dass ich mich während des Lesens so fühlen dürfte, als hätte ich nicht schon längst aufgegeben, als würde ich noch so tief empfinden.
Lena Richter hat wirklich eine “Sinfonie … aus Bruchstücken” geschrieben.
Eine Novelle, für die man sich Zeit nehmen kann, trotz der Sogwirkung. Es ist keine Heldenreise. Berührend, durchdacht und progressiv in mehrerlei Hinsicht. Das einzige, was mir an „Dies ist mein letztes Lied“ eher weniger gefällt, ist die Einbandgestaltung. Über die Illustration scheiden sich sicherlich die Geister – sie ist handwerklich top, rätselhaft und facettenreich wie der Text selbst, passt aber nicht zu meinem persönlichen Eindruck der Geschichte. Vielleicht stört mich auch einfach der helle Hintergrund, ich weiß es nicht. Jedenfalls hätte man die Typographie ansprechender gestalten können – zu viele Winkel. Und ja, wenn man sich derart umfassend über den Umschlag „beschweren“ kann, sagt das eine Menge über die Qualität des eigentlichen Werks. Bitte mehr davon!
Eine sympathische, anrührend komponierte Reise durch verschiedene Welten. Ein interplanetares Erlebnishopping, das a la „Der kleine Prinz“ unterschiedliche Aspekte all dessen beleuchtet, was unser Leben ausmacht, reicher oder ärmer macht. Die zarte Sprache und der menschliche Grundton gefallen mir, doch für übersprudelnde Begeisterung fehlt mir das Unvorhersehbare, Erschütternde, Mitreißende.
Ich bin beeindruckt von der Fülle der Welten, die die Autorin geschaffen hat. Und ich bin beeindruckt von der Tiefe der Emotionen, die sie in ihrem Text vermittelt. Ich freue mich darauf, mehr von Lena Richter zu lesen.
Beim Lesen dieser Reise habe ich mich gefühlt, wie als ich Siddhartha gelesen habe. Gerade auch das loslassen der einzelnen Welten hatte immer etwas besonderes, eine versöhnliche Schwere oder einen Abschied im Guten.
Was für ein wunderschönes Buch! Der Schreibstil ist toll, hat mich direkt in die Geschichte hineingezogen. Das world building ist toll und abwechslungsreich! Sprachlich toll ausgestaltet und ich liebe die Charaktere auf den verschiedenen Kapiteln. Ich mag, dass die Hauptfigur völlig unbestimmt ist und wir nur das Innenleben zu sehen bekommen. Ich mag, wie viele Emotionen durch die Erzählung tanzen. Sehr empfehlenswert!
"Ich bin Zeugnis all jener, die mich getragen haben, mich gerettet, berührt, geliebt. Mein Weg ist ihr Weg."
Ich verbeuge mich vor dieser Novelle mit ihrer leisen Schönheit und lebensbejahenden, todesmutigen, gewaltigen Wortanmut. Für mich ein Paradebeispiel dafür, wie gut lyrische, still erzählte Phantastik funktionieren und bewegen kann.