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Beließe es Jodi Picoult knappe 500 Seiten bei einer oberflächlichen, wenngleich spannenden Mystery-Lovestory, gelte sie nicht als amerikanische Schriftstellerin von Rang. Nahezu unmerklich schleicht sich ein beklemmendes Kapitel Geschichte in den fiktiven Text ein: das Vermont Eugenik-Projekt der zwanziger und dreißiger Jahre. Wissenschaftler strebten mittels kontrollierter Fortpflanzung und „freiwilliger“ Sterilisation die Erschaffung einer Idylle an, in der man lediglich Bewohner mit „idealer“ Erbmasse akzeptierte. Indianer sowie Angehörige Nervenkranker wurden fast per se als „fruchtbare Minderwertige“ abgestempelt und Verwandtschaftsverhältnisse entsprechend vertuscht. Anknüpfungspunkte hierzu bildet die Autorin mithilfe von Zeitsprüngen, insbesondere jedoch anhand der Romanfiguren: Hauptbindeglieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit sind eine moderne Genetikerin, ein alter Abenaki-Indianer, eine geheimnisvolle Frau, deren tragischer Tod eng mit dem Eugenik-Projekt zusammenhängt, und nicht zuletzt Ross Wakeman selbst.
In Jodi Picoults Werken – etwa Neunzehn Minuten – tun sich aus den Blickwinkeln vieler Personen peu à peu erschreckende, unerwartete Abgründe und Facetten verletzter Seelen auf. Meisterhaft geschrieben, bildet Zeit der Gespenster da keine Ausnahme. Angeblich sei Jodi Picoult von all ihren Romanen dieser sogar der liebste. Das mag jeder Leser selbst entscheiden – bemerkenswert ist das Resultat ihrer gründlichen Recherchen und Erzählkunst erneut allemal. – Fenja Wambold
464 pages, Hardcover
First published April 8, 2003