"Mein Leben tut weh! Wünsche verschwinden auf nimmerwiedersehen. Meine Träume stehen mit kaputten Rücken an Wänden. Und die Liebe ist ein Massengrab." Roland ist Huberts und Karlas Sohn und genau hier liegt sein Problem. Nur zu gerne würde er seine Abstammung leugnen, sie abwaschen, aber durch jede Pore atmet seine Herkunft. Und was nutzt der schönste Schein, wenn im Inneren alles fault ... Dirk Bernemanns bis dato umfangreichstes Werk ist eine schmerzhafte Abrechnung mit der deutschen Druchschnittsfamilie, mit ihrer Unfähigkeit zur Kommunikation und den Folgen, die für alle Beteiligten daraus erwachsen. Sein erster Roman ist sprachlich ähnlich verdichtet und konzentriert wie seine ersten beiden Werke, doch dieses Mal seziert er seine Protagonisten bei lebendigem Leibe, sieht in sie hinein und durch sie durch. Ein Buch das zur aktuellen Diskussion über Prekariat und Unterschicht, zu Kindererziehung und Krippenplatz, zu Gewaltvideos auf Handys und der Verrohung unserer Gesellschaft nicht passender sein könnte.
Ein komisches Buch. In beiderlei Wortsinn. Es handelt sich um ein Konglomerat aus unterschiedlichen Einzelgeschichten, alle zeigen Menschen im Nihilismus der zeitgenössischen westlichen Welt schwimmend, unglücklich, seltsam. Irgendwie sind alle Geschichten miteinander verbunden und liefern ein hoffnungsloses, nihilistisches Gesamtbild. Der Roman ist ein Exemplar von experimenteller Literatur. Haarsträubend weit hergeholte Wortspiele durchziehen ihn und sind dem Leseerlebnis nicht gerade zuträglich; ebenso wenig die zahlreichen Verweise auf Songs, mit denen der unbedarfte Leser kaum etwas anfangen kann. Eine wirkliche Handlung, eine Evolution, ist nicht zu erkennen (was der Autor gar im letzten Abschnitt einräumt). Möglicherweise ist das auch genau so gewollt. Besonders ansprechend war es nicht. Bei alledem darf man dem Autor zugute halten, dass er stellenweise tatsächlich ganz witzige Passagen eingebaut hat und vereinzelt über Dinge schreibt, die in der Tat zum Nachdenken anregen. Auch der Umstand, dass sich sämtliche Einzelschicksale auf wundersame Weise irgendwie miteinander verbinden, ist eine Meisterleistung. In der Gesamtschau aber kommt der Roman nicht wirklich gut weg. Man hat fast durchgehend den Eindruck, das Buch sei einfach so runtergeschrieben worden, ohne noch einmal an dieser oder jener Stelle zu feilen, umzuformulieren und zu vervollkommnen. Sicher keine große Literatur - aber vielleicht war das auch gar nicht intendiert. Ich habe das Gefühl, der Roman könnte für einige Leser durchaus ansprechend sein. Für mich war er es allenfalls in sehr geringem Maße.