Aufgewachsen in dem trostlosen, spießbürgerlichen Neubauviertel Neue Vahr Süd – mit Anschluss an die Autobahn –, steht Frank Lehmann zum ersten Mal in seinem Leben vor einem echten Problem: Er hat schlicht und einfach vergessen, den Wehrdienst zu verweigern. Und während er nun in der Kaserne Strammstehen und bedingungslosen Gehorsam lernen soll, proben seine Freunde schon einmal die proletarische Weltrevolution. Und es kommt noch schlimmer, denn der Auszug von Zuhause in eine chaotische Wohngemeinschaft stellt Frank vor existenzielle Fragen wie: Wer macht den Abwasch? Und: Wer darf eigentlich Sibille küssen?
Sven Regener is a German musician and writer living in Berlin. In 1982 he recorded his first LP with the band Zatopek and in 1984 he joined Neue Liebe. In 1985 he founded the Berlin band Element of Crime together with Jakob Friderichs. He writes almost all their lyrics as well as playing trumpet. In 2001 he published his first novel, Berlin Blues (original title Herr Lehmann), which achieved sales of around one million copies. The book takes place in autumn 1989 in Berlin. In 2004, Regener was awarded the Deutscher Filmpreis for the screenplay to the film of the same name (best screenplay that has been turned into a film). His second novel, Neue Vahr Süd, was released in 2004 and follows the life of Frank Lehmann while serving in the Bundeswehr in 1980 in Bremen. In 2008 this was followed by a third novel, Der kleine Bruder (The Little Brother) which dealt with the time between 1980 and 1989.
Sven Regener ist einfach der Meister der Milieus und Soziolekte: Teil 2 der mittlerweile vierteiligen Lehmann-Reihe spielt als einziger nicht in Berlin, sondern in Lehmanns und Regeners Heimatstadt Bremen sowie in Bundeswehr-Kasernen, denn Frank Lehmann hat schlichtweg vergessen, den Wehrdienst zu verweigern, und muss deshalb wohl oder übel beim Bund antreten. Dort ging es in den 80ern, also der erzählten Zeit, sicher um einiges entspannter zu als heute, aber ein Spaß war es natürlich trotzdem nicht, vor allem, wenn man wie Hobby-Querulant Lehmann ungern Befehle entgegen nimmt, dafür aber gerne alles hinterfragt. Das führt zu einigen melancholisch-komischen Verkettungen, doch im Mittelpunkt steht Frank Lehmanns Ratlosigkeit gegenüber der Frage, was er mit seinem Leben anfangen will - diese Orientierungslosigkeit treibt ihn schließlich zu seinem Bruder nach Berlin (chronologisch liest sich die Serie so: Neue Vahr Süd, Der kleine Bruder, Wiener Straße, Herr Lehmann).
Was allerdings den Leser bei der Stange hält sind einmal mehr die schier endlosen Dialoge, geschrieben in unverwechselbarem Regener-Sprech, die perfekt die Stimmung der Umgebung und der Figuren evozieren: Ob in der Kaserne, am Mittagstisch mit den Eltern oder in der abgeranzten WG-Wohnung, Regeners Figuren sprechen so, dass man sich sofort mittendrin wähnt - und wenn Regener selbst vorliest, wirkt das ganze noch eindringlicher und amüsanter (die komplette Lehmann-Reihe findet sich auf Spotify).
Ich bin nunmehr stolze Regener-Komplettistin, was mich aber auch ein bisschen traurig macht, denn das bedeutet, dass ich derzeit keine Möglichkeit habe, was Neues von Regener zu lesen - ich hoffe also, dass er bald ein neues Buch herausbringt!
Ich hatte großen Spaß mit Herrn Lehmanns Erlebnissen bei der Bundeswehr. Irgendwie habe ich mich sehr an meine 80er Zeit erinnert. Die Fortsetzung ist meines Erachtens gut gelungen. Vielleicht bin ich als Element of Crime bei Sachen von Regener etwas voreingenommen.
"Neue Vahr Süd" ist ein Prequel, Sven Regener kehrt darin in die Jugendjahre von Herr Lehmann zurück. Und schreibt somit eine Fortsetzung, die uns die Vergangenheit der bekannten Figuren näher bringt. Der grösste Teil des ziemlich dicken Buches spielt in der Bundeswehr, somit wäre der Roman bestimmt im Humor noch perfider, wenn man selber Dienst geleistet hat. Die Belanglosigkeit des Vereines und des Alltags der Freizeit wird aber wunderbar dargestellt. Trotzdem, irgendwie zieht sich alles etwas zu lange hin, gewisse Szenen werden zu oft wiederholt. Regener führte in "Herr Lehmann" die Geschichte schneller zum Kern, hier verliert er sich etwas im reizvollen Nichts.
bremen in den 80ern, detail für detail: das buch holt den vibe ziemlich genau zurück, inklusive wg-atmosphäre, viertel, neue vahr. für mich (bin in bremen aufgewachsen, meine eltern auch, ziemlich in der zeit sogar) hat das viel wachgerufen: man sieht stadt und vielleicht auch die damalige zeit (die ich gar nicht kenne) plötzlich schärfer. aber: die erzählweise ist sehr ausführlich, oft echt langatmig und dadurch mehr milieubeschreibung als roman mit spannungsbogen. viele figuren bleiben platt, frank reagiert mehr, als dass er handelt und der spannungsbogen ist flach. zum teil liest es sich dadurch wie ein boomer-mann, der dich nett, aber endlos zutextet, bis es ermüdet. mit bremen-bezug auf jeden fall lesenswert, ansonsten könnte es sich eher wie eine zu lange anekdote anfühlen.
Why this book deserves 6 stars 1. Power dynamics 2. Misuse of power 3. Flat Share Hilarity 4. Bureaucracy 5. Group dynamics 6. Beer Sentence: Sven Regener finds hilarious words for sad truths about the human condition
Leichte Kost, und dann doch mit "ernsthaften" Themen. Teilweise hat es mich sehr an Loriot erinnert, was ich großartig fand. Hat auf jeden Fall Spaß gemacht. :)
Zehn Jahre bevor er von allen nur noch Herr Lehmann genannt wurde: Frank hat vergessen, den Wehrdienst zu verweigern. Ja, vergessen. Anpassung und stumpfer Gehorsam sind nicht gerade seine Stärke, aber man soll das beste aus der Situation machen. Und dann steht da auch noch der Einzug in die vermutlich siffigste WG auf der Nordhalbkugel an, und Frank muss aufpassen, dass er sich nicht noch verliebt. Sonst wirds extra bitter.
Ein gelungener zweiter Teil, in dem sich die (gewohnt skurrilen) Dialoge ein wenig zu oft wiederholen, aber weiterhin mit tollem Humor punkten.
Seems like the second book in the trilogy is many people's favourite, but not mine. I just don't find the army amusing, and Frank's early twenties seem more than a bit depressing... Even though I always enjoy Regener's writing, it just didn't make me laugh much this time, which is what I've come to expect. On to the next one.
Eigentlich hatte ich das Buch für meine lange Bahnfahrt nach Bremen ausgewählt. Es spielt in den 80 Jahren in Bremen, teils in einer linken WG, teils in der Kaserne. Überall wird viel gesoffen. Mich hat das Buch einfach nicht gepackt. Die ausführlichen, teils absurden Dialoge haben mich zum größten Teil gelangweilt. Jetzt bin ich zurück in Saarbrücken und ich lege das Buch zurück. Nach den wenigen Seiten möchte ich mir keine Bewertung des Buches anmaßen.
Wunderbares Buch über die Nebensächlichkeiten des Lebens aus einer Zeit die fast vergessen ist. Ich sah mich selbst wieder in olivgrün, am Sinn meines Tuns zweifeln und doch dabei gewesen zu sein. Regener zeichnet wunderbare Charaktere, urkomische Situationen und tragische Augenblicke und damit ein kleines Porträt der beginnenden Achtziger.
Sehr unterhaltsame Handlung und Darstellung, einerseits von der mit Autorität gefüllten Bundeswehr und andererseits der Punker und Revolutionären Gesellschaft der 1980er.
Die allzu realistischen Gedankengänge und Dialoge können zwischendurch etwas anstrengend sein (viele Füllwörter), aber ansonsten eine sehr gute Lektüre.
Das zweite Buch in Frank Lehmann's Universum, aber eigentlich ein prequel, denn wir verfolgen ihn und seine kommunistischen Freunde im Jahr 1980, das Jahr wo er vergessen hat, die Bundeswehr zu verweigern. Die zwei Welten die wir durch seine Augen beobachten sind also die der Militär und der studentischen WGs, Kneipen und Versammlungen, doch obwohl Regener im Dialog genauso realistisch, humorvoll und flott wie im ersten Buch geblieben ist, schien es mir auch dass er eine persönliche Wette gewinnen wollte: einen 600 Seiten langen Klunker schreiben zu können. Dabei gab es keinen Stoff für so viele Seiten, es fühlt sich von daher etwas repetitiv an, die Zirkularität der 2 Milieus fängt an zu nerven ab Mitte des Buches, und der Leser wird wie ein Lehmann der von einem Kumpel beschuldigt wird, ihm sei alles scheissegal. Mir als Leser wurde das Ende scheissegal, ich wollte fast 'verweigern' denn Neuigkeit war nicht mehr zu erwarten.
Im Vergleich zu den leider eher schwachen Titeln der Reihe "Herr Lehmann" und "Der kleine Bruder" ist diese Geschichte eine interessante und oft herrlich komische Sozialstudie der späten 70er in Deutschland. Die Hauptfigur Frank Lehmann hat eine überzeugende Tiefe und das studentische Umfeld sowie die Zeit beim Bund werden glaubhaft dargestellt.
Hach - "Herr Lehmann" fand ich zwar nicht übermäßig gut, aber es hatte irgendwie etwas, irgendwie hatte man immer das Gefühl, ein Stück moderner Literatur zu lesen, jedes Kapitel hatte irgendetwas Cooles an sich, irgendein vertrautes Gefühl, irgendein schönes Bild. "Neue Vahr Süd" ist hingegen eigentlich bloß Zeitverschwendung: So gut wie kein Plot, gar keine Lacher, wenige Charaktere ... Hrmpf.
Aaaaalso! Thema war nicht so mein Fall, weil ich "die Bundeswehr" einfach nicht interessant (wahlweise lustig) genug finde. Den Schreib- und Lesestil fand ich anfangs sehr amüsant und eigenartig großartig. Aaaber nach der Hälfte begann es mich dann doch zu nerven. Insgesamt also solide 3 Sterne!
This novel, named after the post-war housing project Neue Vahr Süd in the German coastal city of Bremen, is a prequel-sequel to the immensely popular book Herr Lehmann (in English: Berlin Blues) from 2002. In the original book, Frank Lehmann lived in West Berlin and was about to turn 30. Here we meet him as a teenager in his native Bremen, one day he has to start his obligatory military service.
This is a fascinating novel for leftists, as Frank is surrounded by members and former members of Germany's Maoist sects. By the early 1980s, these once-powerful "K-Gruppen" were collapsing, and most characters in the book identify themselves as "ex-comrades." (Frank wonders: if two people are both "ex-comrades," don't they become comrades again?) But they can't get over old habits: even though most of them refused to do military service, they still insist that Frank must join the military in the interest of revolution.
Sven Regener has said this is all extremely biographical. None of the endless abbreviations — both from the Maoists and from the German army — are explained in the text. You have to figure them out yourself, just as Regener had to as a young man. (I knew all the Maoist abbreviations, KBW vs. BWK and such, but nothing from the military.)
What doesn't make sense: why didn't Frank simply refuse military service, which was getting easier in the 1980s? Characters ask him constantly, and he always replies that he simply forgot about it. Later he tries to object while he's in the barracks, which is much more difficult. Regener himself went to the army because that was his obligation as a member of the Maoist KBW. But after a few months, he resigned from the party and subsequently tried to get recognized as a conscientious objector. This story sounds much more plausible and more interesting.
The highlight of the novel was the army's swearing-in ceremony in Bremen's biggest sport stadium on May 6, 1980. Left-wing protests mobilized up to 15,000 people, who were able to burn out six vehicles (!) of the German Bundeswehr. Here we see the riot from Frank's perspective as an unenthusiastic recruit. Great stuff!
I just saw there are five (!) novels in the Frank Lehmann series, with the latest appearing just last year. I think I'm good after two.
Vorneweg muss man sicher sagen: Der Stil der Lehmann-Bücher ist keinesfalls was für jeden Leser. Zum Großteil geht es hier von innerem Monolog zu ausgedehntem Dialog und wieder zurück. Die Handlung entwickelt sich im Verhältnis dazu gemächlich. Ich persönlich habe diesen Stil im Laufe des Buches allerdings sehr zu schätzen gelernt. Ich finde das authentisch und lebensecht, gerade weil es meistenteils so belanglos ist und in den Dialogen oft auch viele Wiederholungen vorkommen.
Die Bundeswehr-Episoden sind sehr unterhaltsam und unheimlich genau getroffen. Genauso war es damals in der Wehrpflicht-Armee. Ebenso klasse die WG, wo jede Woche jemand anders auf die Abschußliste von Martin Klapp gerät. Auch die misslungenen Liebeleien fand ich total lebensecht.
Ich fand den Roman insgesamt eine gute Schippe besser als Herr Lehmann.
In "Neue Vahr Süd" von Sven Regener treiben die endlosen Bandwurmsätze und inhaltlichen Wiederholungen den Leser manchmal fast in den Wahnsinn, doch sie sind fester Bestandteil des Stils und tragen zur absurden Atmosphäre bei, die Regener meisterhaft vermittelt. Die Hauptfigur Frank, der sich emotional oft vergaloppiert, lässt den Leser tief in seine innere Zerrissenheit eintauchen, was man aus eigener Erfahrung gut nachempfinden kann, wenn man vor lauter Emotionen nicht das Richtige sagen kann. Dieser direkte und oft harte Schreibstil mag herausfordernd wirken, zieht einen aber dennoch in seinen Bann. Trotz der sperrigen Sprache entwickelt sich eine Neugier, wie die Geschichte weitergeht. Regeners Art, emotionale Unwägbarkeiten und die Absurdität des Alltags einzufangen, bleibt bis zum Schluss fesselnd.
Obwohl Sven Regeners Herr Lehmann Reihe eher Comedy ist, geben mir seine Bücher, in denen er von verschiedenen Figuren an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten erzählt, zu denken. Dieses Buch hat mir gezeigt, dass Planlosigkeit darüber, was man mit seinem Leben anfangen soll ein Gefühl ist, dass nicht nur ich, sondern auch schon junge Menschen in den 70ern und safe auch jeder andere in meinem Alter kennt. Allein dieser Fakt gepaart mit der charmanten und lustigen Weise, wie Frank mit seinen Herausforderungen umgeht und was er am Ende daraus macht, lässt mich sehr zuversichtlich auf meine eigene Zukunft blicken. Wer die Reihe nicht kennt sollte sie mal ausprobieren.
Diesmal ging es schneller als bei Herr Lehmann. Er ist immer noch fürchterlich anstrengend als Person, aber diesmal war mir das ja klar. Außerdem gefällt mir dieses Buch sehr viel besser als das erste. Ich glaube, das liegt auch daran, dass es so viel länger ist, obwohl ich auch deshalb sehr lange damit gewartet habe, es zu lesen. Es gibt so viel mehr Seitenstränge, die sich erst am Ende richtig auflösen. Die Zufälle fühlen dich nicht so forciert an, weil sie mehr Text haben, um natürlich zu werden.
"Herr Lehmann" ist zurück und "unterwandert" die Bundeswehr im Jahre 1980. Sehr humorig, sehr gelungen ist Regeners zweiter Roman. Ein Männerbuch, wie eine Freundin kürzlich urteilte. Ich nehme an, sie meinte es im positiven Sinn. Ich hatte jedenfalls viel Vergnügen bei der Lektüre und erwarte mit Spannung den angekündigten abschließenden Band der Triologie. Zu empfehlen ist auch das vom Autor persönlich gelesene Hörbuch!
Die Vorgeschichte zu "Herrn Lehmann", Frank Lehmanns Jugend. Lehmann ist ein sehr neutraler Beobachter, dem es schwerfällt, Entscheidungen zu treffen. Er lernt, seine Identität zu akzeptieren und nimmt letztendlich sein Leben in die Hand. Eine treffende Schilderung einer Jugend in den Achtzigern, als die Zukunft schwammig, die Perspektiven des Einzelnen eher öde, und als beides in keinem Verhältnis zu dem Engagement war, das man hätte zeigen müssen.
Obwohl ich die Geschichte nach mehrmaligem hören des Audiobuches von Sven Regener stellenweise auswendig kenne, hat es mir riesigen Spaß gemacht, jetzt dann doch noch mal das Buch zu lesen. Alles ist sogar noch besser, wenn man es schon kennt und dann zu den Jungs (hauptsächlich) wie zu alten Freunden oder doch lieber Bekannten zurückkehrt.