Osteuropa-Literatur discussion

5 views

Comments Showing 1-5 of 5 (5 new)    post a comment »
dateUp arrow    newest »

message 1: by Babette (last edited Oct 01, 2020 12:17PM) (new)

Babette Ernst | 1619 comments Dritter Teil, 1. und 2. Kapitel
(S. 726) bis ca. 19.11.


message 2: by Tee&Tacheles (new)

Tee&Tacheles | 294 comments Puh, also, den ersten Teil dieses Abschnittes fand ich echt anstrengend zu lesen... das Chaos, dass Dostojewskij rüberbringen wollte, ist definitiv bei mir angekommen... ;) Aber mir war das irgendwie zu "laut" - ich hoffe, ihr versteht, was ich damit meine.

Das Feuer fand ich eindrücklich beschrieben, die Beschreibung der Leichenfundes ziemlich gut inszeniert... allerdings erschreckend, wie lakonisch und mit welcher Beiläufigkeit von den Toten berichtet wurde. Erst verschwinden sie sang- und klanglos und dann wird ihr Tod trotz der offensichtlichen Grausamkeit ("geblutet wie ein Ochse" und "von oben bis unten von Messern durchstochen") von niemanden wirklich betrauert, sondern dient eher der Unterhaltung. Irgendwie schon traurig, so völlig kaputte Leben, die dann einfach aufhören ohne dass es irgendwem etwas bedeutet.


message 3: by Frank (new)

Frank (cromus) | 971 comments Da ist schwer etwas hinzuzufügen. Bleibt abzuwarten, ob Stawrogin wirklich der Anstifter zu dem Mord war, oder ob er auf das Konto von Peter geht. Aber es werden dabei wohl beide unter einer Decke stecken, wobei zwischen dem Mord und der Brandstiftung womöglich zu unterscheiden sein wird...
Interessant fand ich, wie schnell man die Arbeiter der Brandstiftung verdächtigte. Das ist genau wie heute: Immer hat man Leute zur Hand, die es ja nur gewesen sein können. Wer protestiert, dem traut man alles zu. Ich muss dabei an "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht" des spießigen Biedermeier- Deutschland denken. Manche Dinge ähneln sich halt über die Grenzen der Gesellschaftsform hinweg. Nun, mal sehen, wie es weiter geht. Trotz der etwas ermüdenden Schilderung des Balls, die aber doch einen Sinn haben wird, bleibt es ja spannend. Dostojewski erzählt nicht linear, sondern steigert die Spannung durch Abschweifungen mancher Art. Aber er wäre nicht der Meister, der er ist, wenn er nicht am Ende alle Erzählstränge wieder einfangen könnte. Das wird ein schönes Finale geben!


message 4: by Babette (new)

Babette Ernst | 1619 comments Den ersten Teil des Festes zumindest fand ich sehr amüsant. Besonders der Vortrag von Karmasinow war so abgehoben blöd, dass es schon wieder lustig war. Da hat Dostojewski noch mal so richtig Dampf abgelassen ("Warum benehmen sich unsere Herren Genies am Ende ihres glorreichen Lebens bisweilen genauso wie kleine Buben?") War das wieder auf Turgenjew gemünzt?

Es ist ziemlich klar, dass die Gruppe um Pjotr den ganzen Skandal inszeniert hat und er durchaus beiden Lembkes nicht wohlgesonnen ist. Alles ist ein abgekartertes Spiel: die Geschichte vom Verschwinden Lisas mit Stawrogin geht dem Brand voraus, bei dem Stawrogins Frau ermordet wurde. Wenn sie verbrannt wäre, hätte niemand etwas von dem Mord gewusst, aber auch so hat Stawrogin ein Alibi erhalten.

Stepan kommt für meine Begriffe noch ganz gut weg. Er hat nicht ganz solchen Mist erzählt wie Karmasinow, aber man merkte, wie sehr er einer gehobenen Schicht angehört und vom Leben der anderen nichts weiß. Obwohl er natürlich davon ausgehen konnte, dass einfachere Menschen sich die Karten nicht leisten konnten. Und man merkt, dass er einer Generation angehört, deren Ansichten sich überlebt haben.

Verschiedene Methoden, Veranstaltungen zu sprengen, haben sich doch bis heute erhalten, findet ihr nicht? "In den Zeiten des Übergangs steigt dieses Gesindel, das zu jeder Gesellschaft gehört, an die Oberfläche und zwar nicht nur ohne jedes Ziel, sondern auch ohne die leiseste Spur einer Idee, bloß als Ausdruck und Verkörperung der Unruhe und der Ungeduld." - Einer von vielen starken Sätzen in diesem Kapitel.

So, morgen muss ich mein Buch in die Bibo zurückbringen, hoffe aber sehr, es gleich wieder mitnehmen zu können. Jetzt muss ich nur noch schnell die ganzen Klebezettel entfernen ;-)


message 5: by Frank (new)

Frank (cromus) | 971 comments Der Satz mit Kommentar ist gut gewählt. Ich habe ihn auch bemerkt. Warum kann Literatur so was? Weil die Menschen sich weniger ändern, als wir - die wir immer technisch denken und das für "Fortschritt" halten - wahr haben wollen. Mein Literaturtheorie-Prof. Claus Träger sagte einmal, dass erst dann, wenn die Menschen wirklich anders geworden sind, die klassische Literatur ins Museum kommt, oder, umgekehrt, erst, wenn die klassische Literatur uns nichts mehr zu sagen hat, haben sich die Menschen wirklich verändert. Solange gilt des Sophokles Frage "Was ist der Mensch?" inklusive seiner Antwort...


back to top