Mirko Bonné's Blog
November 21, 2025
Keine Könige mehr
Keine Könige mehr,
Männer haben abgedankt.
Wenn sie das erst begreifen,
fängt die neue Zeit an.
Endlich unbekannt.
Ich will keine Terzinen schreiben.
Heute sprach ich mit einem Obdachlosen
über die Kälte in der Stadt.
Heute ist lange her, aber
ich habe da Teltower Rübchen gekauft.
Heute gab es Nachtfrost.
Das Laub rings um den schwarzen Park.
November 12, 2025
Heute fragt mich das schreiende Kind
„Warten auf Wasser, sagt die junge Griechin, die mir die Haare schneidet – so sei das Warten auf die Kinder.
Was das Kind schreit, klingt nach Vernunft – und es ist Vernunft, nur ist sie verzerrt, noch unartikulierbar, Vernunft, die sich im Wind dreht wie nachts ein hellblaues Windrad.
Portishead – Three
Underworld – Second toughest of the infants
Underworld – One hundred days off
Die Musik nimmt überhand:
Underworld – Beaucoup fish
Heute fragt mich das schreiende Kind: „Halloo, wie geht’s dir?“
Und hätte ich nicht antworten oder eigentlich erwidern sollen: „Gut! Wenn du nicht von morgens bis abends schreien würdest!“?
In Wirklichkeit halten zwei ältere Frauen jede ein 1000-Teilepuzzle unterm Arm, wenn sie in den Park einbiegen. Sie unterhalten sich über die Zeugnisse ihrer Enkelinnen. (12.1.25)
Joy Division – Unknown pleasures
Joy Division – Closer
20. Januar 2025, die zweite Inauguration des Irren von Washington. Inzwischen hat er viel irrere Paladine. Die Gegner der Hoffnung sterben zuletzt – also leb weiter!
Mit einem Mal gerät das dünne Eis auf dem Kanal in Bewegung, wölbt sich auf hier und da und zerbricht in Scherben. Keine Minute später ist das Eis wieder einheitlich graue Fläche.
Jede Dichterin und jeder Dichter steht einzeln gegen die Welt. (Wer das nicht glaubt, tu’s.) Das ist keine Vermessenheit, sondern Fakt. Die Sprache der Sprache sprechen nur wenige.
The Postal Service – Give up
October 21, 2025
Binnenalster
October 18, 2025
Margarethe Trakl
Deine Handschrift,
Grete, schrieb er,
weil er spürte, die
schwarzen Augen
der Engel blicken
aus ihren Briefen.
Sah er sie im Bett,
ihre Rage Gottes,
sah sie aus wie er.
Sie war der Regen,
wenn es ihr kam,
war er und er sie.
October 6, 2025
Jeanne Hébuterne 2
Jeanne Hébuterne
Es gibt nur Balkonrosen.
Weiße, rote und violette.
Es gibt nur Balkonrosen,
wo sie zwei vorbeifliegen,
es gibt nur Balkonrosen,
Amedeo mio, mon trésor,
es gibt nur Balkonrosen,
hörst du, was ich dir sag,
es gibt nur Balkonrosen.
Wohin fliegen wir, Modi,
es gibt nur Balkonrosen,
warum bist du nicht hier.
Jeanne Hébuterne 1
Hunderte leere Pappverpackungen
Jürgen Becker ist gestorben. Nach ihm ist das Gedächtnis, zumal das poetische, das anders tickt, einem Aquarium vergleichbar, in dem ich keschere – was ich fange, nenne ich Erinnerung. Die Kindheit und ein Garten. Das Und als wichtiges Bindeglied. Und der Hörfunk, die Schnitte. Der John Cheever aus der Kölner Bucht, zieht man von Cheever die Trunksucht ab und das Herummachenmüssen mit anderen Männern. Aber die Geheimnisse sind bei Becker ähnlich Alles bestimmende. Er war zudem ein wundervoller Fotograf! Die Leitern immer wieder, die Apfelernte, die Vogelbeschreibungen, die Ehebeschreibungen. Die mir liebste Strophe von ihm stammt aus dem Gedicht „Reiseland“ in „Journal der Wiederholungen“ von 1999 und lautet: „Schau hinaus. Die Nähe der Landschaft, die du / wiedergewinnen kannst. Eine Chance, die im Stundentakt / sich wiederholt. Hongkong geht langsam verloren.“ Seine Beschreibungen der Gleichzeitigkeit von Erinnerung und unwirklich realem Geschehen werden mich immer begleiten. (7.11.2024)
Freunde.
Schuldzuweisung, Schuldsicherung – der frühere Freund ist durch Enttäuschung und Vergleichzwang zum Schnüffler und zur Petze geworden, zu einem sneak, der sich selbst nur erhöhen kann, indem er andere ins schlechtere Licht rückt. Die Schuld trägt er sogar im Namen.
Die Nazarener.
Jedes Porträt sucht sich die Gedichtform selbst. Overbeck, Pforr, Ludwig und Julius Schnorr von Carolsfeld, Fohr, Cornelius, von Schadow und – Catel? Beide Schnorrs als Brüder in einem Gedicht? Auf jeden Fall Fohrs unvergesslicher Hund Grimsel, der tagelang am Tiber auf den Ertrunkenen wartete.
Vorbei fährt ein Möbellaster mit der Abschrift „Mars Umzüge“. Läufst du ihm nach? Lauf weg!
Wenn ich Keats’ Briefe an Fanny Brawne lese, sehe ich sie vor mir – nicht die Briefe, sie: Fanny.
Andrey Kurkov erzählt im Radiogespräch, seit der russischen Invasion gebe es 13 neue Buchhandlungen in Kiew. Die Leute würden weniger Romane lesen, dafür Bücher über die ukrainische Geschichte und – Gedichte. (26.11.24)
Hunderte leere Pappverpackungen für Armbanduhren wirft der junge Mann nacheinander in den Altpapiercontainer, und in jede der Schachteln sieht er zuvor hinein.
Caribou – Our love
Genesis – Trespass
„Ich wusste immer, dass mein Vater nicht gestorben war.“ Christian Bobin
Weit überschätzt und eine ziemliche Kulissenschieberei aus Buchstaben, Conrads „Heart of Darkness“.
Als würde ein Stern seinem Sternbild entfliehen – so passiert der Satellit die Konstellation und fliegt weiter. Meine Auge kann diese Entfernungen nicht abschätzen, aber mein Herz: Flieg, Satellit, flieh!
Beginnen Sie mit dem Bergbau!
Freischwinger mit Wiener Geflecht.
„Ich weiß nicht, ob die anderen Menschen so sind wie ich.“ Somerset Maugham
October 3, 2025
Dodo
September 22, 2025
Was wäre wenn
Den wilden Garten gibt es nicht mehr. An der Grenze zwischen Feldmark und Moränenwald hat ein Landwirt eine Schonung zu pflanzen versucht – vergebens. In einem letzten Winkel ist noch der Zauber zu spüren – die Weite der Felder, die Waldgeborgenheit. Aber das Verwilderte gibt es nicht mehr – obwohl das Wilde unbesiegbar ist. (15.9.24)
Peter Gabriel – 1
Peter Gabriel – 3
Peter Gabriel – 2
Peter Gabriel – 4
Peter Gabriel – So
Jeden Menschen, der dir begegnet, sieh dir nicht nur an, blick ihm in die Augen oder blick ihm wenigstens nach.
Genesis – Autumn Storms (Demo Tapes 1976 / 1977)
Genesis – Cynthia’s Dream (Demo Tapes 1971)
Erinnere dich – ja! – an dein Gedicht „Ladida“ – La di da – von 1983?
La Di Da
The Shins – Oh, inverted world
Warten im Distributionszentrum.
Nicht vergessen, Herr Dichter: „Die Nazarener“. Sieben Porträts.
Im Supermarkt erklingt „Supergirl“ von Reamonn aus den Lautsprechern. Eine gebückte Seniorin tippelt mit ihrem Rollator vorbei und summt „I got lost on the way, but I’m a supergirl, and supergirls don’t cry.“ (Hoheluft, 21.10.)
Die von den Simsen der Bahnhofsfassade stürzenden Tauben, aufgescheucht von immer derselben Krähe, die kreischt: „Mein Bahnhof! Meine Mauer! Mein Dach!“ – und die Schatten der Vögel auf dem sonnenbeschienenen Sandstein, die darauf in die Tiefe stürzen und dann wieder hinauf, beide: Schatten und Vögel, Vögel und Schatten. (Dresden-Neustadt, 24.10.)
„Soll ich dir meine neueste Erfindung zeigen?“, fragt das kleine Mädchen seine Großmutter, die daraufhin nickt – bevor ihr das Kind einen Handspiegel vors Gesicht hält: „Du!“
Die ganzen Leute, wie sie ab vormittags den ganzen Tag lang in den namenlosen „Dat backhuus“- und „Der Junge-Bäcker“-Backcafés sitzen, zumeist einzeln und schweigend blätternd in ihren Handys oder einem Wochenblatt, überall an den Ausfallstraßen, den Stadträndern, in den Gewerbemischgebieten, die seit einiger Zeit „die Zwischenstädte“ heißen – sie machen genau denselben Eindruck wie die Krähen in den allmählich entlaubten Baumkronen entlang der vielbefahrenen Straßen, die nirgendwohin führen als in täuschend ähnliche Siedlungen aus Doppelhaushälften, Nagelstudios, Apotheken, die noch überlebt haben, und Backcafés, Gebrauchtwagenhändlern und Backcafés. (Sagasfeld, 29.10.)
Wie hinausgefegt, dematerialisiert – in keinem Raum oder Saal ist schneller niemand mehr, kein Mensch mehr zu hören als in einem Hörsaal Sekunden nach dem Ende des Wortschwalls. (München, LMU, 7.11.)
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