Maria Braig's Blog
January 5, 2025
Die "Genderfrage" im Roman
„Gefühlt jeder Roman, der etwas auf sich hält, widmet sich auf irgendeine Weise unbedingt auch der Genderfrage. Natürlich, ebenfalls ein wichtiges Thema. Aber weshalb immer alles auf einmal?“
„Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass die Einbringung der Sexualität und Genderthematik in Büchern so zugenommen hat, dass es mir persönlich schon fast zuviel ist.“
Rezensionen zu kommentieren verkneife ich mir aus Prinzip, auch wenn mir das hin und wieder sehr schwer fällt. Aber Rezensionen sind Meinungen, oder eben wie hier geschrieben, auch in Worte gefasste Gefühle – und da sollte man nicht drüber diskutieren.
Doch was hier zum Ausdruck gebracht wird, gibt mir zu denken und was mich längere Zeit umtreibt, muss ich in der Regel irgendwie festhalten, um wieder meine Ruhe zu haben. Deshalb will ich hier nicht eine Rezension kommentieren, sondern meine Gedanken zu einem, wie ich meine, heterosexuellen Gefühl formulieren.
Seit ich mit Lesen begonnen habe, das ist nun bald schon sechzig Jahre her, begegnet mir in Büchern die Genderthematik. Sehr viele Jahre fiel mir das nicht auf, es war einfach so: In jedem Bilderbuch, in jedem Märchen, in jedem Jugendbuch und in jedem Erwachsenenroman ging es um Frauen und Männer und darum, dass sie sich lieben oder eben nicht, um die Gefühle die sie miteinander verbinden oder die sie trennen, um ihr Leben als Paar, ums Heiraten, um das Zerbrechen ihrer Liebe und oft ihres erneuten Zusammenfindens. Immer ging es dabei um heterosexuelle Paare, um Liebe und Beziehungen zwischen Frauen und Männern, etwas anderes gab es nicht.
Eines Tages wurde mir klar, dass ich mich in dieser Genderthematik nicht wiederfand, dass ich einfach gar nicht vorkam in all diesen Geschichten, dass meine Art zu leben und zu lieben nicht existierte. Dann begann ganz langsam eine Zeit, in der auch nicht heterosexuelle Menschen in Büchern sichtbar wurden – allerdings war dies ein sehr langsamer Prozess und zunächst musste man schon intensiv nach solchen Romanen suchen und wer dies nicht tat, bemerkte nicht, dass es sie gab. Im Lauf der Jahre wurde es einfacher. Es entstanden Verlage, die den Mut hatten und deren Anliegen es war, Bücher, die andere Identitäten und andere Beziehungsmuster thematisierten, auf den Markt zu bringen. Diese Entwicklung verlief parallel dazu, dass sich nicht heterosexuelle Menschen immer weniger versteckten, immer mehr ihren Raum in der Gesellschaft einforderten. Beides zusammen schuf eine Situation, die plötzlich auch große Verlage hellhörig werden und auf den Zug aufspringen ließ: Wir wurden als Leser*innen und damit als Käufer*innen erkannt.
Unterschiedliche Identitäten in Büchern sind eine Abbildung des alltäglichen Lebens. Im Alltag beschränkt sich die „Genderthematik“ nicht auf das heterosexuelle Empfinden und das heteronormative Leben und hat es noch nie getan. Was sich in den letzten Jahren geändert hat ist lediglich, dass es mehr Sichtbarkeit gibt, dass wir mehr Raum einfordern und ihn uns auch nehmen. Und genau das bildet sich auch in Romanen ab. Es ist nicht „die Genderthematik“, die neuerdings immer und überall problematisiert wird, es ist die Abbildung der Gesellschaft, wie sie eben ist. Tabus werden aufgebrochen, wir spielen auch in Büchern mit, nicht nur im realen Leben.
Aber noch immer ist das, was manchen Leser*innen als zu viel erscheint, in Wahrheit längst nicht genug. Gefühlt jeder Roman widmet sich der Genderfrage, das ist richtig, aber das war schon immer so. Doch solange es als besondere Thematisierung auffällt, wenn in Romanen andere als heterosexuelle Lebensrealitäten, Beziehungen und Gefühle beschrieben werden, sind wir noch nicht einmal auf der Zielgeraden.
„Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass die Einbringung der Sexualität und Genderthematik in Büchern so zugenommen hat, dass es mir persönlich schon fast zuviel ist.“
Rezensionen zu kommentieren verkneife ich mir aus Prinzip, auch wenn mir das hin und wieder sehr schwer fällt. Aber Rezensionen sind Meinungen, oder eben wie hier geschrieben, auch in Worte gefasste Gefühle – und da sollte man nicht drüber diskutieren.
Doch was hier zum Ausdruck gebracht wird, gibt mir zu denken und was mich längere Zeit umtreibt, muss ich in der Regel irgendwie festhalten, um wieder meine Ruhe zu haben. Deshalb will ich hier nicht eine Rezension kommentieren, sondern meine Gedanken zu einem, wie ich meine, heterosexuellen Gefühl formulieren.
Seit ich mit Lesen begonnen habe, das ist nun bald schon sechzig Jahre her, begegnet mir in Büchern die Genderthematik. Sehr viele Jahre fiel mir das nicht auf, es war einfach so: In jedem Bilderbuch, in jedem Märchen, in jedem Jugendbuch und in jedem Erwachsenenroman ging es um Frauen und Männer und darum, dass sie sich lieben oder eben nicht, um die Gefühle die sie miteinander verbinden oder die sie trennen, um ihr Leben als Paar, ums Heiraten, um das Zerbrechen ihrer Liebe und oft ihres erneuten Zusammenfindens. Immer ging es dabei um heterosexuelle Paare, um Liebe und Beziehungen zwischen Frauen und Männern, etwas anderes gab es nicht.
Eines Tages wurde mir klar, dass ich mich in dieser Genderthematik nicht wiederfand, dass ich einfach gar nicht vorkam in all diesen Geschichten, dass meine Art zu leben und zu lieben nicht existierte. Dann begann ganz langsam eine Zeit, in der auch nicht heterosexuelle Menschen in Büchern sichtbar wurden – allerdings war dies ein sehr langsamer Prozess und zunächst musste man schon intensiv nach solchen Romanen suchen und wer dies nicht tat, bemerkte nicht, dass es sie gab. Im Lauf der Jahre wurde es einfacher. Es entstanden Verlage, die den Mut hatten und deren Anliegen es war, Bücher, die andere Identitäten und andere Beziehungsmuster thematisierten, auf den Markt zu bringen. Diese Entwicklung verlief parallel dazu, dass sich nicht heterosexuelle Menschen immer weniger versteckten, immer mehr ihren Raum in der Gesellschaft einforderten. Beides zusammen schuf eine Situation, die plötzlich auch große Verlage hellhörig werden und auf den Zug aufspringen ließ: Wir wurden als Leser*innen und damit als Käufer*innen erkannt.
Unterschiedliche Identitäten in Büchern sind eine Abbildung des alltäglichen Lebens. Im Alltag beschränkt sich die „Genderthematik“ nicht auf das heterosexuelle Empfinden und das heteronormative Leben und hat es noch nie getan. Was sich in den letzten Jahren geändert hat ist lediglich, dass es mehr Sichtbarkeit gibt, dass wir mehr Raum einfordern und ihn uns auch nehmen. Und genau das bildet sich auch in Romanen ab. Es ist nicht „die Genderthematik“, die neuerdings immer und überall problematisiert wird, es ist die Abbildung der Gesellschaft, wie sie eben ist. Tabus werden aufgebrochen, wir spielen auch in Büchern mit, nicht nur im realen Leben.
Aber noch immer ist das, was manchen Leser*innen als zu viel erscheint, in Wahrheit längst nicht genug. Gefühlt jeder Roman widmet sich der Genderfrage, das ist richtig, aber das war schon immer so. Doch solange es als besondere Thematisierung auffällt, wenn in Romanen andere als heterosexuelle Lebensrealitäten, Beziehungen und Gefühle beschrieben werden, sind wir noch nicht einmal auf der Zielgeraden.
Published on January 05, 2025 09:42
•
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gendern
Die "Genderfrage" im Roman
„Gefühlt jeder Roman, der etwas auf sich hält, widmet sich auf irgendeine Weise unbedingt auch der Genderfrage. Natürlich, ebenfalls ein wichtiges Thema. Aber weshalb immer alles auf einmal?“
„Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass die Einbringung der Sexualität und Genderthematik in Büchern so zugenommen hat, dass es mir persönlich schon fast zuviel ist.“
Rezensionen zu kommentieren verkneife ich mir aus Prinzip, auch wenn mir das hin und wieder sehr schwer fällt. Aber Rezensionen sind Meinungen, oder eben wie hier geschrieben, auch in Worte gefasste Gefühle – und da sollte man nicht drüber diskutieren.
Doch was hier zum Ausdruck gebracht wird, gibt mir zu denken und was mich längere Zeit umtreibt, muss ich in der Regel irgendwie festhalten, um wieder meine Ruhe zu haben. Deshalb will ich hier nicht eine Rezension kommentieren, sondern meine Gedanken zu einem, wie ich meine, heterosexuellen Gefühl formulieren.
Seit ich mit Lesen begonnen habe, das ist nun bald schon sechzig Jahre her, begegnet mir in Büchern die Genderthematik. Sehr viele Jahre fiel mir das nicht auf, es war einfach so: In jedem Bilderbuch, in jedem Märchen, in jedem Jugendbuch und in jedem Erwachsenenroman ging es um Frauen und Männer und darum, dass sie sich lieben oder eben nicht, um die Gefühle die sie miteinander verbinden oder die sie trennen, um ihr Leben als Paar, ums Heiraten, um das Zerbrechen ihrer Liebe und oft ihres erneuten Zusammenfindens. Immer ging es dabei um heterosexuelle Paare, um Liebe und Beziehungen zwischen Frauen und Männern, etwas anderes gab es nicht.
Eines Tages wurde mir klar, dass ich mich in dieser Genderthematik nicht wiederfand, dass ich einfach gar nicht vorkam in all diesen Geschichten, dass meine Art zu leben und zu lieben nicht existierte. Dann begann ganz langsam eine Zeit, in der auch nicht heterosexuelle Menschen in Büchern sichtbar wurden – allerdings war dies ein sehr langsamer Prozess und zunächst musste man schon intensiv nach solchen Romanen suchen und wer dies nicht tat, bemerkte nicht, dass es sie gab. Im Lauf der Jahre wurde es einfacher. Es entstanden Verlage, die den Mut hatten und deren Anliegen es war, Bücher, die andere Identitäten und andere Beziehungsmuster thematisierten, auf den Markt zu bringen. Diese Entwicklung verlief parallel dazu, dass sich nicht heterosexuelle Menschen immer weniger versteckten, immer mehr ihren Raum in der Gesellschaft einforderten. Beides zusammen schuf eine Situation, die plötzlich auch große Verlage hellhörig werden und auf den Zug aufspringen ließ: Wir wurden als Leser*innen und damit als Käufer*innen erkannt.
Unterschiedliche Identitäten in Büchern sind eine Abbildung des alltäglichen Lebens. Im Alltag beschränkt sich die „Genderthematik“ nicht auf das heterosexuelle Empfinden und das heteronormative Leben und hat es noch nie getan. Was sich in den letzten Jahren geändert hat ist lediglich, dass es mehr Sichtbarkeit gibt, dass wir mehr Raum einfordern und ihn uns auch nehmen. Und genau das bildet sich auch in Romanen ab. Es ist nicht „die Genderthematik“, die neuerdings immer und überall problematisiert wird, es ist die Abbildung der Gesellschaft, wie sie eben ist. Tabus werden aufgebrochen, wir spielen auch in Büchern mit, nicht nur im realen Leben.
Aber noch immer ist das, was manchen Leser*innen als zu viel erscheint, in Wahrheit längst nicht genug. Gefühlt jeder Roman widmet sich der Genderfrage, das ist richtig, aber das war schon immer so. Doch solange es als besondere Thematisierung auffällt, wenn in Romanen andere als heterosexuelle Lebensrealitäten, Beziehungen und Gefühle beschrieben werden, sind wir noch nicht einmal auf der Zielgeraden.
„Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass die Einbringung der Sexualität und Genderthematik in Büchern so zugenommen hat, dass es mir persönlich schon fast zuviel ist.“
Rezensionen zu kommentieren verkneife ich mir aus Prinzip, auch wenn mir das hin und wieder sehr schwer fällt. Aber Rezensionen sind Meinungen, oder eben wie hier geschrieben, auch in Worte gefasste Gefühle – und da sollte man nicht drüber diskutieren.
Doch was hier zum Ausdruck gebracht wird, gibt mir zu denken und was mich längere Zeit umtreibt, muss ich in der Regel irgendwie festhalten, um wieder meine Ruhe zu haben. Deshalb will ich hier nicht eine Rezension kommentieren, sondern meine Gedanken zu einem, wie ich meine, heterosexuellen Gefühl formulieren.
Seit ich mit Lesen begonnen habe, das ist nun bald schon sechzig Jahre her, begegnet mir in Büchern die Genderthematik. Sehr viele Jahre fiel mir das nicht auf, es war einfach so: In jedem Bilderbuch, in jedem Märchen, in jedem Jugendbuch und in jedem Erwachsenenroman ging es um Frauen und Männer und darum, dass sie sich lieben oder eben nicht, um die Gefühle die sie miteinander verbinden oder die sie trennen, um ihr Leben als Paar, ums Heiraten, um das Zerbrechen ihrer Liebe und oft ihres erneuten Zusammenfindens. Immer ging es dabei um heterosexuelle Paare, um Liebe und Beziehungen zwischen Frauen und Männern, etwas anderes gab es nicht.
Eines Tages wurde mir klar, dass ich mich in dieser Genderthematik nicht wiederfand, dass ich einfach gar nicht vorkam in all diesen Geschichten, dass meine Art zu leben und zu lieben nicht existierte. Dann begann ganz langsam eine Zeit, in der auch nicht heterosexuelle Menschen in Büchern sichtbar wurden – allerdings war dies ein sehr langsamer Prozess und zunächst musste man schon intensiv nach solchen Romanen suchen und wer dies nicht tat, bemerkte nicht, dass es sie gab. Im Lauf der Jahre wurde es einfacher. Es entstanden Verlage, die den Mut hatten und deren Anliegen es war, Bücher, die andere Identitäten und andere Beziehungsmuster thematisierten, auf den Markt zu bringen. Diese Entwicklung verlief parallel dazu, dass sich nicht heterosexuelle Menschen immer weniger versteckten, immer mehr ihren Raum in der Gesellschaft einforderten. Beides zusammen schuf eine Situation, die plötzlich auch große Verlage hellhörig werden und auf den Zug aufspringen ließ: Wir wurden als Leser*innen und damit als Käufer*innen erkannt.
Unterschiedliche Identitäten in Büchern sind eine Abbildung des alltäglichen Lebens. Im Alltag beschränkt sich die „Genderthematik“ nicht auf das heterosexuelle Empfinden und das heteronormative Leben und hat es noch nie getan. Was sich in den letzten Jahren geändert hat ist lediglich, dass es mehr Sichtbarkeit gibt, dass wir mehr Raum einfordern und ihn uns auch nehmen. Und genau das bildet sich auch in Romanen ab. Es ist nicht „die Genderthematik“, die neuerdings immer und überall problematisiert wird, es ist die Abbildung der Gesellschaft, wie sie eben ist. Tabus werden aufgebrochen, wir spielen auch in Büchern mit, nicht nur im realen Leben.
Aber noch immer ist das, was manchen Leser*innen als zu viel erscheint, in Wahrheit längst nicht genug. Gefühlt jeder Roman widmet sich der Genderfrage, das ist richtig, aber das war schon immer so. Doch solange es als besondere Thematisierung auffällt, wenn in Romanen andere als heterosexuelle Lebensrealitäten, Beziehungen und Gefühle beschrieben werden, sind wir noch nicht einmal auf der Zielgeraden.
Published on January 05, 2025 09:41
Die Nordseeprinzeßin - wie es dazu kam
Keine Angst, das ß ist kein Fehler, das muss so sein, da sich die Frau, der ich vor einigen Jahren irgendwo an der Nordsee, näher will ich das bewusst nicht beschreiben, begegnet bin, selbst so bezeichnet hat. Sämtliche Fenster ihrer Kate waren mit meist paranoid wirkenden Schriften beklebt und zogen meine Neugier auf sich.
Und so hat diese Begegnung damals stattgefunden:
4.5.2022
Die Prinzessin gibt es wirklich.
Sie öffnete mir ihre Tür, als ich die Schriften an den Fenstern rund um ihr Häuschen fotografierte.
Was ich wolle, fragte sie sehr freundlich.
„Ich habe nur gelesen, was Sie geschrieben haben.“
Sie nickte und sah mich an.
Ich hatte nicht erwartet, dass sie mit Fremden überhaupt spricht und so fiel mir spontan nicht ein, wie ich mit ihr ins Gespräch kommen sollte. Ich nickte ihr ebenfalls zu und ging weg.
Wir begegneten uns noch zwei- oder dreimal während der Urlaubstage, die ich im Haus neben ihrer Kate verbrachte. Wir grüßten uns jedesmal freundlich.
„Moin“, „Moin“, mehr kam nicht zustande.
Ich überlegte lange, ob ich das Gespräch suchen und sie nach ihrer Geschichte fragen sollte, entschied mich dann aber dagegen.
Helfen konnte ich ihr nicht, wozu sollte ich alte Geschichten und schmerzhafte Erinnerungen aufwühlen und am Ende möglicherweise falsche Hoffnungen wecken?
So blieb es beim „Moin“ und die Geschichte der Nordseeprinzeßin, die ich hier erzähle, könnte so gewesen sein, vielleicht aber auch ganz anders.
Entstanden ist eine fiktive Geschichte über ein gestohlenes Leben, über die Suche nach Identität und über Frauen, die niemals aufgeben. Es geht um Lesbischsein, das durch unmenschliche Behandlung in der „Psychiatrie“ der 60er Jahre „geheilt“ werden sollte, gerade so wie andere Abweichungen von Frauen vom gängigen Lebensmodell der Zeit auch, um die lebenslangen Folgen daraus, um die Hintergründe, die wie so oft Geldgier mit Moral vertuschen, aber auch um den Kampf für eine Wiedergutmachung, so weit dies möglich ist. Ein versöhnliches Ende kann ich jedenfalls versprechen.
Und so hat diese Begegnung damals stattgefunden:
4.5.2022
Die Prinzessin gibt es wirklich.
Sie öffnete mir ihre Tür, als ich die Schriften an den Fenstern rund um ihr Häuschen fotografierte.
Was ich wolle, fragte sie sehr freundlich.
„Ich habe nur gelesen, was Sie geschrieben haben.“
Sie nickte und sah mich an.
Ich hatte nicht erwartet, dass sie mit Fremden überhaupt spricht und so fiel mir spontan nicht ein, wie ich mit ihr ins Gespräch kommen sollte. Ich nickte ihr ebenfalls zu und ging weg.
Wir begegneten uns noch zwei- oder dreimal während der Urlaubstage, die ich im Haus neben ihrer Kate verbrachte. Wir grüßten uns jedesmal freundlich.
„Moin“, „Moin“, mehr kam nicht zustande.
Ich überlegte lange, ob ich das Gespräch suchen und sie nach ihrer Geschichte fragen sollte, entschied mich dann aber dagegen.
Helfen konnte ich ihr nicht, wozu sollte ich alte Geschichten und schmerzhafte Erinnerungen aufwühlen und am Ende möglicherweise falsche Hoffnungen wecken?
So blieb es beim „Moin“ und die Geschichte der Nordseeprinzeßin, die ich hier erzähle, könnte so gewesen sein, vielleicht aber auch ganz anders.
Entstanden ist eine fiktive Geschichte über ein gestohlenes Leben, über die Suche nach Identität und über Frauen, die niemals aufgeben. Es geht um Lesbischsein, das durch unmenschliche Behandlung in der „Psychiatrie“ der 60er Jahre „geheilt“ werden sollte, gerade so wie andere Abweichungen von Frauen vom gängigen Lebensmodell der Zeit auch, um die lebenslangen Folgen daraus, um die Hintergründe, die wie so oft Geldgier mit Moral vertuschen, aber auch um den Kampf für eine Wiedergutmachung, so weit dies möglich ist. Ein versöhnliches Ende kann ich jedenfalls versprechen.
Published on January 05, 2025 09:34


