Glaub's oder glaub's nicht: es war die Flaschenpost. Sie hat sie aufgegeben, als sie zehn war oder elf. Sie ist zum Bach gelaufen. Aus dem Wald, in dem sie lebte: mit ihren Eltern, Freunden der Eltern, den Kindern der Freude der Eltern, in einem Haus, in dem es keine abschließbaren Türen gab, in dem der Küchentisch so groß war, dass siebzehn Leute Platz nehmen konnten, ohne beengt zu sitzen, in dem viel Licht war und viel Dunkel, wie in allen Häusern. Aus dem Wald ist sie gelaufen zum Bach und hat, die Füße strumpflos in Gummischuhen, die Beine nackt bis zum geblümten Röckchen, einen Zettel geschrieben, auf dem sie ihre Adresse notierte und den Wunsch nach einer Brieffreundin. Den Zettel hat sie in die Flasche mit Korken gestopft und aufs Wasser geworfen. Glaub's oder glaub's nicht: seitdem schreiben wir uns. Nur gesehen habe ich sie noch nie.
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Zuerst erschienen im
>poet nr. 14
Published on March 19, 2013 07:57