Erst reden, dann machen. Wir machens umgekehrt.
Eigentlich, eigentlich wollten wir euch nächste Woche ausführlich überraschen. Mit etwas, was wir zusammen mit unserem Spinner, dem Menschen, der unser Garn herstellt, geschafft haben. Was anschließend verwoben und nun konfektioniert wird: ein Geheimnis rund um unsere Augschburgdenim. Warum erst nächste Woche? Wie ihr wißt, sind wir immer noch mit unserem Hallenumbau beschäftigt und wir sind letzten Donnerstag spontan mit dem Shop online gegangen, weil so viele von euch es sich gewünscht haben. Uns blieb nicht einmal Zeit für ordentliche Produktfotos
(Keine Angst, die kommen
). Ein schönes Making-of, tolle Produktfotos draußen (wenns mal nicht schneit und das Lüften unseres Geheimnisses, auf das wir sehr stolz sind, war geplant.
Und dann kam heute. Genauer gesagt ein Artikel in der Wirtschaftswoche, in dem berichtet wurde, dass H&M nun auch noch Lumpen sammeln geht. Ich habe mich via Twitter damit auseinandergesetzt und auch im Artikel wurde mein Standpunkt erwähnt. Morgen erscheint mein ausführlicher Kommentar zu diesem Thema in der WiwoGreen. So weit so gut. H&M war nicht untätig und meinem Vorwurf, sie würden mehrfach durch diese Aktion in die eigene Tasche wirtschaften (was ja per se nicht anzuprangern ist, aber eben in dem “ach so nachhaltig-grünen-super-sozialen” Kontext sehr wohl!) wurde prompt widersprochen. Auf der Seite steht nun, dass H&M die Roherträge der Aktion in einen Forschungsfonds zu Recycling geben würden. Um dann bald schon mal recycelte Sachen anbieten zu können.
Verzeiht, ich kann es nicht glauben. Zig Millionen in einen Fonds, der folgende Erkenntnisse bringen wird:
1. Naturfasern können nicht mehr recycled werden, ausschließlich downcycled, und müssen sortenrein verarbeitet werden.
(Erklärung für all jene, die es genauer wissen möchten: Die Faserlänge einer Naturfaser nennt man Stapel. Wird ein fertiges Gewebe oder Gestrick erneut faserisiert, werden die Fasern deutlich verkürzt. Logisch, schließlich werden die Fasern kleingerissen, gekämmt, gekrempelt und wieder gekämmt. Aus einer schönen MIttelstapel von 4 Zentimetern bleiben vielleicht 6 – 8 Millimeter über. Diese lassen sich ausschließlich nicht mehr verspinnen. Weder im Ringspinnverfahren, noch im sogenannten Open End Verfahren. Man muss das Regenerat erneut mischen mit frischer Naturfaser, die über längere Stapel verfügt. Dann funktioniert das wieder. Aber niemals mehr in gleicher Garnstärke. Stets etwas dicker. (Anm. Ich hoffe, ich konnte das einfach und verständlich erklären).)
2. Kunstfaser muss sortenrein verarbeitet werden und kann, ähnlich wie Naturfaser, nur durch Beimengen von frischem Polywasauchimmer (je nach Ausgangsmaterial), wieder verarbeitet werden, sprich auch hier erfolgt ein Downcycling.
Das werden die Erkenntnisse des Forschungsfonds sein. Bäm. Mich hat es um. Woher wir das so genau wissen? Ich will euch unser Geheimnis verraten: In unserer Augschburgdenim stecken 20% Recyclinganteil. Nein, keine alten T-Shirts. Das geht nicht und wird nicht gehen. Für eine Jeans müssen Garne bzw. Zwirne (wir verarbeiten ausschließlich Zwirne) eine bestimmte Dicke haben, höchstens Nm 12. Höchstens was? Richtig, Nummermetrisch 12. Für uns Textiler ist das schon ein verdammt dicker Faden, für euch ist es eine dünne Schnur. Alles darunter ginge eher in Richtung Grobgewebe. Kennt ihr die Umzugsdecken mit den fingerdicken Garnen? Oder grobmaschige Tweedmäntel? Das sind dickere Garne. Die gingen anteilig aus alten, zerrissenen Tshirts. Dafür aber müssten Tshirts mal sortenrein und ohne chemische Appretur hergestellt werden. Macht bis dato aber kaum einer. Wir haben aus unserem Biobaumwoll-Rohgewebeverschnitt und Spinnverlust (das sind die Fasern, die während des Spinnens aus dem Prozess fallen) Regenerat aufbereitet. Aus unbehandeltem, ungefärbtem Rohmaterial. Nicht aus fertigen, gefärbten Shirts. Und von diesem Regenerat konnte bis zu 50% in das Garn fließen. Warum aber sind dann nur ca. 20% Regenerat im Stoff? Weil wir in der Kette, die rund 60% ausmacht, 100% Biobaumwolle haben und nur im Schuss 50% Regenerat. Klingt kompliziert, ist es auch. Aber – es funktioniert und spart eine große Menge an Wasser.
Und nun wisst ihr, warum ich schmunzeln muss: keine Lumpen gesammelt, sondern mit ehrlichen Gleichgesinnten an Lösungen getüftelt, die umgesetzt und nicht groß darüber geredet. Keinen “Forschungsfonds” aufgesetzt, sondern Kaffee. Und getestet. Und probiert. Und gemacht. Erst gemacht, und dann geredet. Die machens umgekehrt.
Euch einen schönen Abend,
eure Sina
P.S. Und nächste Woche gibt es nun trotzdem tolle neue Produktfotos und eine wunderschöne Making-of-Geschichte mit Details zum Recyclingverfahren.
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