Luftquallen und springende Flusspferde – oder warum es gewagt ist, Neujahrsexperimente tatsächlich umzusetzen
Im Prinzip begann alles mit dem klugen Entschluss, im neuen Jahr auf meine geliebten abendlichen zwei Gläschen Rot- bzw. Weißwein zu verzichten. War auch keine Hürde. Pünktlich um Mitternacht schlürfte ich zum Anstoßen meinen letzten Schluck Schlumpumber. (Doch, an Silvester darf’s schon mal edler sein.) Dazu gesellten sich politisch korrekte Vorsätze wie:
möglichst verpackungsarm einkaufen (sprich: eher grüne Kiste als doppelverpacktes Supermarkt-Biogemüse),
weniger Kaffee trinken oder am besten gleich streichen
täglich Yoga üben
öfter aufs Fahrrad statt ins Auto und was halt sonst noch regelmäßig auf meiner Vorsatzliste steht.
Jetzt zum eigentlichen Thema: Ich liebe guten Kaffee und ich liebe guten Wein. Beides konsumierte ich über – bis auf wenige Mini-Pausen – 14 Jahre am Stück (nämlich direkt nach dem Abstillen unserer Jüngsten) und vor diversen Schwangerschaften war ich seit Kindesbeinen an auch schon ein Koffeinjunkie gewesen. Nur als Info.
Nun also erst einmal den Wein streichen.
Bis auf dezente Kreislaufausrutscher am zweiten Tag funktionierte das sehr gut.
Dann mal zum Kaffee. Geht auch, macht mich aber unglücklich (ob ich Wein trinke oder nicht, ist mir seelisch schnurz. Kaffee scheint da einen wesentlich stärkeren Suchtcharakter zu besitzen). Alternativen? Kakao. Ja ich weiß, das Zeug enthält auch Koffein, aber wenigsten nicht so viel und sein Glücklich-Mach-Potenzial ist wesentlich größer. Dann noch ab und an ein Tässchen Löwenzahnkaffee – jeder, der sich dazu berufen fühlt, ab diesem Moment hemmungslos zu lachen, möge das bitte mit gutem Gewissen und meinem absoluten Segen tun – und schon ist der Start ins neue Jahr perfekt.
Heute: Ich beginne mein gewagtes Experiment mit Rohkakao und bergeweise Schmand überzogener Biosahne. Draußen schneit es dicke Flocken und mir ist nach dieser Art Nostalgie. Schon nach der halben Tasse erwische ich mich beim seligen Grinsen. Und weil ich gerade so schön aus der Reihe tanze, fällt mir ein, dass ich ewig kein Räucherstäbchen mehr angezündet habe. Eine leise Stimme tief in mir warnt mich dezent, es mit der Neujahrsrevolution nicht zu übertreiben und auf dem imaginären Teppich zu bleiben. Immerhin ist die Jugendzeit vorbei und Räucherstäbchen sind eher was für Retro-was-auch immer-für-Leute, die auch noch mit siebzig blumenbestickte Westen und geflochtene Haarbänder tragen. Hinzu kommt, dass der Duft „Smaragd“ heißt. Ich habe zwar noch nicht oft an Edelsteinen geschnüffelt, doch will es mir scheinen, dass sie relativ geruchsneutral sind. Was ich von dem Stäbchen allerdings nicht behaupten kann. Nach zwei Minuten fangen beide Beagle an zu niesen und verlassen einträchtig den Raum. Mir jucken bloß die Augen. Damit kann ich umgehen.
Trotzdem sehe ich dem Stäbchen beim Rauchen zu und während ich mir das Sahnefett von den Lippen wische bemerke ich, dass die Schlieren bezaubernde Muster in meine Küche malen. Vor allem vor dunklem Hintergrund. Ich bin komplett verzaubert und genieße Kringel und Wellen, Nebelschleier und die Andeutung von springenden Nilpferden und gleitenden Quallen.
Um eurer Frage vorzubeugen: Nein, ich rauche nicht. Nichts Normales und auch nichts mit fragwürdigem Inhalt. (Sollte ich es eines Tages jedoch trotz Zeitmangels schaffen, heimlich was Schlaues hinter meinem Kompost anzubauen – biodynamisch und mondphasengerecht – sieht das eventuell anders aus. Also nagelt mich nicht fest.) Nein, ich schnupfe auch nichts und Tabletten lehne ich schon aus Prinzip ab.
Trotzdem entgeht mir dank des fesselnden Schauspiels der penetrant riechenden Feinstaubpartikel nur knapp, dass die Meisen zwischenzeitlich mein Fensterbrett geflutet haben und sich um die Walnussstückchen prügeln, die ich für sie ausgelegt habe.
Ich bin jedoch viel zu sehr damit beschäftigt, meine eigene Meise zu füttern.
Na dann, euch ebenfalls ein experimentierfreudiges und drogenfreies 2016.
Wobei ich nach der Wechselwirkung von Smaragdräucherstäbchen und Rohkakao sicherheitshalber mal googeln sollte.


