Babette Ernst > Recent Status Updates

"Der Mob versucht das Tagesniveau der gesellschaftlich akzeptierten Willkür zu seiner Freiheit zu stilisieren. [...] Der Mob will die Abschaffung der Willkür mit seiner eigenen Willkür synchronisieren und findet immer eine Lösung, die noch willkürlicher ist als die revolutionäre Willkür."

"Die glücklichsten Menschen wohnen immer unter schlimmsten Bedingungen: kleine Zimmer, ein abgelaufener Boden, billige Möbel, eine chaotische Küche."

Aha, das muss ich mal nachdenken, ob ich etwas in meiner Wohnung verändern sollte oder lieber nicht.

"Es gibt keine Schandtat, bei der sich nicht willige Kollaborateure finden, keine Schandtat, bei der nicht begeistert mitgemacht würde."

"Später kannst du dann höchstens deine Erinnerungen zurechtstutzen."

Hach, es kommen sogar Landschaftsarchitekten vor ;-)
"Im Morgengrauen verschwindet eine Kolonne von Landschaftsarchitekten im Park (Anm BE: gemeint ist der Central Park in New York) und kommt erst drei Jahre später wieder heraus, diesmal mit Erkenntnissen zu Bodenbeschaffenheit, und Verkehrsbewegungen für den großen Wiederaufbau, ein 150 Millionen Dollar teurer Entwurf."

"In Norwegen fraß man die Probleme traditionsgemäß in sich hinein, schuftete sie sich im Hobbykeller oder in der Waschküche von der Seele, schrieb wütende Leserbriefe an die Zeitungen, parkte unnötig dicht an anderen Autos, [...], und mähte stundenlang mit verbissener Miene den Rasen [...] und wenn nichts davon als [...] Ventil funktionierte [...] zog man die Konsequenzen und erhängte sich in der Garage.

Nach langen Schichten auf Bohrinseln sind die Väter zu Hause und können nicht entspannen: "Es gab Männer, die zweimal am Tag den Rasen mähten; Männer, die mit Zahnbürsten die Dachrinnen und die Schieferplatten in der Einfahrt reinigten und Zimmer renovierten, die niemand benutzte, und Brennholz in solchen Mengen hackten, dass sie eine Eiszeit bei 30 Grad Innentemperatur überstanden hätten."

"Haben denn Rechtmäßigkeit, Würde und Gesetz in unserer Heimat aufgehört, richtungsweisend zu sein. Sind die edlen Prinzipien, die das öffentliche Leben in Ungarn bestimmten, nicht mehr gültig. Haben heute nur mehr Volksverhetzung und Hass Berechtigung."

'Heute' ist dabei das Jahr 1883 und der Ausschnitt ist aus einer Rede von Ernő Mezei als Abgeordneter.

Ich bin nach wie vor ratlos, wahrscheinlich benötigt man für das tiefe Verständnis eine ordentliche Portion Alkohol: "Der Alkohol ist die größte Erfindung der Menschheit. Ohne Alkohol gäbe es keine Bibel, keine ägyptischen Pyramiden, keine Große Mauer, keine Musik, keine Festungen... keine Kernfusion, keine Lachse im Ussuri und keine Fisch- und Vogelwanderungen." Ich nehme an, Romane wie diesen auch nicht.

Könnte mir bitte mal einer erklären, was ich hier eigentlich lese? Es ist nicht schwer zu lesen, aber mir ist nicht klar, was Mo Yan damit bezweckt, was er genau in seiner Satire aufs Korn nimmt? Den Alkoholgenuss oder den Konsum ausgefallener Speisen, das Verhältnis von Männern und Frauen oder den Blick auf Menschen, die ein wenig anders sind? Oder schreibt er letztendlich nur übers Schreiben bzw. die Fantasie?

"Von Psychologie hatten sie [gemeint ist die Familie von Nádas] zwar gehört, aber psychologisches Wissen besaßen sie nicht. ... Es blieb eine Kenntnisnahme, eine Information. Sie operierten mit gewaltigen Konventionen, mörderischen Vorurteilen, skandalösen Fehleinschätzungen und hoben sich also in keiner Weise vom Durchschnitt ab."

Oh Mann, kann man auch beim Lesen von Alkoholexzessen betrunken werden? Absolut kein Buch zum Wohlfühlen.

Das wird auf alle Fälle eine Herausforderung. Der Sprachstil ist verständlich und ganz gut lesbar, aber der Text hat keinerlei Gliederung, keine Kapitel, Überschriften, ja nicht mal eine einzige freie Zeile auf 1278 Seiten. An das pausenlose Fließen des Textes muss ich mich erst mal gewöhnen.

Mir fehlt jede Vorstellung, was das Buch sein will. Es beginnt wie eine Satire, aber von der flachen Sorte, entwickelt sich zu einer schockierenden und ekelhaften Geschichte über chinesische kulinarische Spezialitäten und extremen Alkoholkonsum und geht vielleicht eigentlich um das Schreiben von Büchern, um Fantasie und Themenfindung. So richtig kann ich noch nichts damit anfangen.

Mir ist beim Lesen schon ganz schlecht vom Alkohol geworden ;-)

"Der Unterschied zwischen den Barbaren und uns ist, dass wir Mitgefühl besitzen, hatte Wang Fuzhi vor zweihundert Jahren geschrieben."
Rätselfrage: Wer sind die Barbaren?