Max’s Reviews > Effi Briest > Status Update
Max
is on page 290 of 318
Mit der Effi geht es mir wie Brecht mit seinem Gedicht "wie es war 1". Zumindest, wenn ich einer Verfilmung zu Brechts Leben glaube. Dort liest seine Geliebte in Brechts Anwesenheit das Gedicht vor:
Erst ließ Freude mich nicht schlafen
Dann hielt Trauer nachts die Wacht.
Als mich beide nicht mehr trafen
Schlief ich, aber ach - es bracht
Jeder Maienmorgen mir Novembernacht.
Als sie endet, tritt Brecht ans Fenster...
— 3 hours, 16 min ago
Erst ließ Freude mich nicht schlafen
Dann hielt Trauer nachts die Wacht.
Als mich beide nicht mehr trafen
Schlief ich, aber ach - es bracht
Jeder Maienmorgen mir Novembernacht.
Als sie endet, tritt Brecht ans Fenster...
4 likes · Like flag
Max’s Previous Updates
Max
is on page 250 of 318
Genieße es wohl wie beim ersten Mal, wenn ich mich an meine Bewertung erinnere, doch kommt mir vieles ganz neu vor. Wieder mag ich es, wie subtil Fontane seine Figuren aus ihren Gewändern rollt, bis sie in den Knochen ihrer sozialen Rollen und nicht gelebten Leben vor uns stehen. Das märkische Platt fehlt freilich, aber ich kenne wenig, was ich lieber lese als Fontane. Nun ab in die Tyrannei des Hegemons.
— Dec 24, 2025 11:44AM
Sie weigert sich.
Brecht dreht sich vom Fenster zu ihr um und sagt plötzlich: "Ja, es ist gut, es ist perfekt."
Ob ich diese Stelle richtig wiedergebe, tut nichts zur Sache. Egal, wie sehr ich beim Lesen Einwände erwäge oder mich beim Gedanken begleite, die Effi sei ein doch schon altes, hinlänglich bekanntes und irgendwie ausgelutschtes Buch: Es ist perfekt, einfach schön, einfach groß.
Effi, die auf ihre Tochter Annie trifft und danach auf den Boden sinkt, endlich ihre Anklage ausformuliert, in Schmerz verendet, das ist unerhört krass und stark.
Ich liebe diesen Gedanken sehr, dass Fontane Effi in diesem Schmerz auch erzählerisch erlöst, weil sie nicht mehr inaktiv als soziales Spielfeld missbraucht und stumm gehalten werden kann, sondern endlich in die individuelle Wahrnehmung und in die Emotion geschmissen wird. Wie grässlich sie auch zugrunde geht, sie erwacht in ihrem Zorn und verreckt ohne Illusion. Fontane als Literat ist so rigoros systemkritisch, dass es mich immer wundern wird, wie anhaltend er als bürgerlicher Realist bezeichnet, beschnitten und verkannt wird.