Jan Seghers's Blog

March 22, 2018

März 2018

Donnerstag, 22. März 2018 – Fünfzehnuhrsiebzehn, zweikommaneun Grad. Grau. Schmutziger Schnee an den Rändern.


Die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld hat eine Website mit dem Titel “erklaerung2018.de” freigeschaltet. Klickt man die Seite an, sieht man sie geschmückt durch ein großes Foto demonstrierender Frauen, die ein Transparent vor sich hertragen, auf dem zu lesen ist: “Es reicht! Frauenmarsch – Frauen sind kein Freiwild! Nirgendwo!” Stattgefunden hat dieser “Frauenmarsch zum Kanzleramt” am 17.2.2018. Bei einem Spaziergang durch Berlin bin ich zufällig Zeuge der Veranstaltung geworden. Organisiert wurde sie von der AfD. Anwesend war auch der Pegida-Gründer Lutz Bachmann.

Unter dem Foto der deutschen Frauen findet sich folgender Text: “GEMEINSAME ERKLÄRUNG – Donnerstag, 15.03.2018

Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.

Erstunterzeichner: Henryk M. Broder, Uwe Tellkamp, Dr. Thilo Sarrazin, Jörg Friedrich, Dr. Jörg Bernig, Matthias Mattussek, Vera Lengsfeld, Prof. Egon Flaig, Heimo Schwilk, Ulrich Schacht, Dr. Frank Böckelmann, Herbert Ammon, Thomas-Jürgen Muhs, Sebastian Hennig, Dr. Till Kinzel, Krisztina Koenen, Anabel Schunke, Alexander Wendt, Dr. Ulrich Fröschle, Dr. Karlheinz Weissmann, Thorsten Hinz, Siegfried Gerlich, Michael Klonovsky, Eberhard Sens, Matthias Moosdorf, Dieter Stein, Frank W. Haubold, Andreas Lombard, Annette Heinisch, Klaus Kelle, Eva Herman, Prof. Max Otte”

Dass auch Thor Kunkel die Erklärung unterschrieben hat, verwundert nicht. Ebensowenig, dass Rüdiger Safranski und Cora Stepahn zum Umfeld der Erklärer gehören. So wächst zusammen, was zusammen gehört.


Goethe ist tot.

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Published on March 22, 2018 07:51

June 30, 2017

Juni 2017

Freitag, 30. Juni 2017 - Elfuhrfünfzehn, zweiundzwanzig Grad in Marseillan. Blau, paar Wölkchen.


Heute, am Tag der Entscheidung des Bundestages, künftig auch für Homosexuelle die Eheschließung zuzulassen, schickt mir adidas eine Mail. Betreff: „Altenburg, feier mit adidas LGBT Pride“. In der Mail selbst findet sich dann dieser Text: „Zu Ehren der LGBT Community setzt der UltraBOOST diesen Monat ein Zeichen – subtil und doch aussagekräftig. Die Limited Edition feiert Diversity mit einem verspielten Muster in Regenbogenfarben an der Fersenkappe. (…)Auch der Crazy Explosive Low Primeknit kommt mit einem echten Eyecatcher-Design, das von der berühmten Regenbogenflagge inspiriert ist. Ob auf dem Platz oder in der Freizeit, der Basketballschuh steht für Gleichberechtigung und Diversity.“

Kann denen mal jemand den Puls fühlen?


Am 30. Juni 1920 nahm sich die Schriftstellerin Lena Christ mit einer Dosis Zyankali das Leben. Ihre „Erinnerungen einer Überflüssigen“ sollte ich vielleicht doch einmal lesen. Auf ihrer Grabtafel steht als Todestag der 31. Juni. Das freilich kann nicht sein.

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Published on June 30, 2017 02:59

May 27, 2017

Mai 2017

Freitag, 27. Mai 2017 - Zwanziguhrdreizehn, noch dreiundzwanzig Grad in Marseillan. Himmel wolkenlos. Nichts über die Bisamratten, nichts über die Mauersegler, nichts über den Wiedehopf und die Tamarisken. Und nichts über die ewige Katzenscheiße im Hofeingang.


Heute nur dieses Zitat aus Sybille Bergs Kolumne, das als Quote of the Year durchgeht: „Wir sitzen doch alle im selben Mist. Wir leben und haben keine Ahnung, wie man aus dieser Nummer mit Würde rauskommt.“


Todestag des Nazi-Vaters Otto Meissner, dessen Nazi-Sohn Hans-Otto Meissner noch 1986 auf Vorschlag von Franz Josef Strauß das große Bundesverdienstkreuz verliehen bekam und der schon 1950 ein Buch veröffentlicht hatte mit dem in diesen Jahren sinnigen Titel „Man benimmt sich wieder“, eine Art Knigge für Nazis, die es jetzt nicht mehr gewesen sein wollten. Dort finden sich Sätze wie: „Aufruhr vergeht, Anstand besteht“ oder „Man sagt keinem Bekannten in Gegenwart Dritter, wie gut ihm früher die braune Uniform gestanden habe.“ Das wird nicht nur dem Strauss gefallen haben.

Dass auch Helma Sanders-Brahms seit drei Jahren tot ist, hatte ich gewusst, aber wieder vergessen.

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Published on May 27, 2017 11:33

April 6, 2017

April 2017

Donnerstag, 6. April 2017 - Elfuhrsechsundzwanzig, zwölkommasechs Grad. Grau. Frisch.


Ich fluche gewöhnlich, wenn ich – wie gewöhnlich – wieder um vier Uhr wach werde und weiß, dass auch dieser Tag verloren ist. Fluchend gehe ich zum Briefkasten und hole die Zeitung, die gewöhnlich schon da ist. Seit einer Woche haben das Fluchen und das Gewöhnliche ein Ende. Ich vergesse die Zeitung und freue mich stattdessen, wieder früh aufgewacht zu sein und weiterlesen zu können in den Goncourt-Tagebüchern, über denen ich abends eingeschlafen bin.


Dort ein Zitat aus einem Gedicht des vergessenen Poeten Dupin-Pager:

Je crains ce que j’espère – Ich fürchte, was ich hoffe


Gang über den Friedhof Heiligenstock. Auf dem Grabstein einer alt gestorbenen Frau die Inschrift: „Liebe gesucht, nur Leid gefunden“. Wer diesen Satz wohl für sie ausgesucht hat?


„Oh my God!“ nimmt man als Ausruf der Verwunderung hin. „Oh my fucking God!“ darf wohl selbst Verwunderung hervorrufen.


Ein Rennradfahrer zum anderen: „Du bist ja behaart wie ein Mountainbiker“.


Elfter Todestag von Walter Boehlich. Seine ausgewählten Schriften wurden zu einem der wichtigsten Nachkriegsbücher, 2011 unter dem Titel „Die Antwort ist das Unglück der Frage“ erschienen. Und noch immer ist die Erstausgabe dieser 700 Seiten im Handel erhältlich. – Gerade sehe ich, dass Boehlich auch die Lieder Victor Jaras ins Deutsche übertragen hat.

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Published on April 06, 2017 02:45

March 8, 2017

März 2017

Mittwoch, 8. März 2017 - Vierzehnuhrsieben, fünfkommasieben. Schüttet. Eben im Autoradio Telemanns Konzert für Viola, zwei Violinen und Basso continuo. „Das war schon ein guter Kerl, dieser Telemann“. Hat Matthias Beltz gesagt.


„Wer morgens aufsteht“, schreibt Salomon Korn, „muss wissen, dass an diesem Tag die Demokratie neu erkämpft werden muss. (…) Wer mit dem Unvorhergesehenen, dem Vielfältigen, dem Differenzierten nicht leben kann, ist für die Demokratie nicht wirklich reif.“


Wie er mir schon jetzt auf den Senkel geht, der Kandidat Schulz, mit seinem Engagement für die „hart arbeitenden Menschen“, das er – gefühlt – in jedem zweiten Satz seiner hölzernen Reden behauptet. Und weit und breit niemand, der sich mal für uns Faulenzer ins Zeug legte.


Was einem alles entgehen kann, wenn man sich nicht gelegentlich im Abseits umtut: Nie gelesen hatte ich Robert Frosts hinreißendes Gedicht „The Road Not Taken“. Und während ich noch an einer eigenen herumstümpere, entdecke ich Paul Celans Übertragung, die auf beglückende Weise vollkommen ist.


„Von der Freude eines solchen Augenblicks kann man ein Leben lang zehren“. Das wiederum schrieb J. A. Baker im „Wanderfalken“, als er an Heiligabend auf dem Ast einer Eiche den Sperber entdeckte. „Der Wanderfalke“ – eines der schönsten Bücher, die ich je gelesen habe. Hätte es der Filmemacher Werner Herzog nicht zur Pflichtlektüre für seine Studenten gemacht, wäre ich nie drauf gestoßen.


Todestag von Louise Colet – Dass auch einmal noch von ihr die Rede sei und nicht nur von ihrem Geliebten Gustave Flaubert, der sie so schnöde abserviert hat.

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Published on March 08, 2017 05:32

February 23, 2017

Februar 2017

Donnerstag, 23. Februar 2017 - Elfuhrdreißig, neunkommaacht Grad. Sehr windig.


In der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit dem Schauspieler Gael García Bernal, der gerade in dem Film „Neruda“ zu sehen ist. Die Journalistin Juliane Liebert beschreibt ihn als einen Menschen, der freundlich ist, „auch zu der Hotelputzfrau, die während des Interviews ins Zimmer stürmt. Er behandelt sie, wie man eine Königin behandeln würde. Und das sagt bekanntlich mehr über jemanden als alle Preise, die er bisher gewonnen hat und noch gewinnen wird.“

Allein die folgenden paar Sätze, die García Bernal in dem Gespräch sagt, sind es Wert, dass die Geisterbahn mal wieder Fahrt aufnimmt:

„Als wir den Film drehten, war das vorherrschende Gefühl in etwa, wie wenn du mit Freunden redest, und sagst: Wir sollten uns öfter sehen. Mehr ausgehen. Öfter kochen. Es gab einen unschuldigen Impuls, der war: Wir müssen jetzt so viel mehr Schönes schaffen. Wir alle. Verdammt, es klingt so abgedroschen, aber gleichzeitig so notwendig. Es bewegt mich tief, wenn ich diese Typen reden höre, die Hasspredigten, die faschistische Plattform, die da entsteht. Und dann höre ich die andere Seite, dieses hypokritische Schulmeistergerede, das die Fragen vermeidet, die unbedingt gestellt werden müssen. Darum: Wir müssen jetzt so viel mehr Schönheit erschaffen. Jetzt ist die Zeit für Gedichte. Begeisterung. Hoffnung und Freiheit und Liebe. Sie lachen, aber ich sage Ihnen: Doch, doch, doch! Let’s be hippie about it! Let’s be hardcore about it as well!“

Wär’ doch schade, wenn diese Sätze mit der Zeitung im Altpapier landen würden.


Dreißigster Todestag von José Afonso (Grândola, Vila Morena)

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Published on February 23, 2017 02:55

August 20, 2016

August 2016

Samstag, 20. August 2016 – Elfuhreinundfünfzig, vierundzwanzig Grad. Grau. Dräut.


Freund Jürgen, mit dem Rad in Thüringen unterwegs, antwortet auf die Frage, ob der Ostnazi dort auch nicht zu zahlreich sei: „Der gewöhnliche Ostnazi geht am Sonntag mit Oma, Opa, Frau und Kleinkind durch Eisenach und trägt ein Shirt mit aufgedruckten Eisernen Kreuz und den Worten: ‚Alles den deutschen Jungs!‘ Der Ostnazi wirkt zufrieden.“


Die FAZ berichtet auf ihrer Titelseite über den Tod eines sogenannten Historikers: „Nolte, 1923 in Witten an der Ruhr geboren, studierte, da er kriegsuntauglich war, unter anderem bei Martin Heidegger“. Dass die „Zeitung für Deutschland“ ein Studium bei dem Nazi von Todtnauberg immerhin als eine Art Ersatzdienst gelten lässt, hat womöglich dazu geführt, dass sie dem andernfalls der Drückebergerei verdächtigen Nolte noch bereitwilliger ihre Seiten zur Verfügung stellte, als dieser Stalin zum Verursacher des Holocaust erklärte. Wie kurz die Wege manchmal sind.


Todestag von Werner Lansburgh („Dear Doosie“) und Rio Reiser (der um ein Haar „Die Liebe der Menschenfresser“ zum Musical gemacht hätte. Nun ja.).

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Published on August 20, 2016 02:56

April 22, 2016

April 2016

Freitag, 22. April 2016 – Vierzehnuhrzwölf, fünfzehn Grad. Gestern war schöner.


Gerold Becker, der ehemalige, inzwischen verstorbene Leiter der Odenwaldschule, hat über viele Jahre hinweg Kinder und Jugendliche seines Internats missbraucht. Beckers Lebensgefährte, der Erziehungswissenschaftler Hartmut von Hentig, hat in Interviews und öffentlichen Stellungnahmen seinen Partner immer wieder in Schutz genommen und sich dadurch selbst nachhaltig beschädigt. Dieser Tage erscheint auf 1400 Seiten der zweite Teil der Lebenserinnerungen von Hentigs unter dem Titel „Noch immer Mein Leben“. In diesem Buch versucht er den Opfern eine Mitverantwortung für die an ihnen verübten Verbrechen zuzusprechen, wie Bernhard Pörksen in der jüngsten Ausgabe der „Zeit“ nachweist. Pörksen nennt diese Memoiren ein „Wahrnehmungsdesaster“, das mit „widerlichen Gedankenspielen“ auf die „erneute Demütigung“ der Missbrauchten ziele. Hartmut von Hentigs Buch erscheint im wamiki-Verlag. Das Kürzel steht, man mag es kaum fassen, für: „Was mit Kindern“.


Der begnadete Texter des Sportartikelherstellers adidas hat mir wieder eine Mail geschrieben: „Matthias, White Mountaineering bringt Style auf ein neues Level … Ein ausgewogener Mix aus Colourblocking mit zurückhaltenden Farben und typischen adidas Designs verleiht unseren Essentials einen High-Fashion-Look“.


Tot ist Carl Reuß, Schöpfer der ersten Wanderwege im Harz.

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Published on April 22, 2016 05:15

March 1, 2016

März 2016

Dienstag, 1. März 2016 – Elfuhrundeins, dreikommafünf. Sonne.


Der Schauspieler Vincent Lindon erzählt in einem Gespräch mit „epd film“ über die private Konfrontation mit einem anderen Mann, dessen schlechter Charakter für ihn selbst offenbar eine Strafe war: „Als ich um die 40 war, wurde mir einmal übel mitgespielt, ich wurde von jemandem verraten und verletzt. Als ich mit meinem Vater darüber sprach, meinte er nur: ‚Das ist sein Problem.‘“


Am Samstag im Literaturhaus; die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste zeichnet das Hörspiel des Jahres aus. Es dauert 75 Minuten, hätte aber genauso gut zehn Minuten oder zehn Stunden dauern können. Lauter Versatzstücke von künstlicher Archaik, fast ohne Dramaturgie, ganz ohne Fallhöhe, denn von den ersten bis in die letzten Minuten wird in Hälse gebissen, Blut spritzt und wird getrunken. Der Bezug zur sogenannten Flüchtlingskrise wird mühsam behauptet. Niemand protestiert. Rundum brennt die Welt; hier versammeln sich 100 intelligente, gebildete, kultivierte Menschen zu einer der wichtigsten Hörspielveranstaltungen des Jahres und … nicht ein Fünkchen glimmt.


Die Zeitschrift „Elle“ schreibt über ein Frankfurter Café-Restaurant: „Beauty, Luxus, Gastronomie. Das modern eingerichtete WALDEN überzeugt durch seine einfache Schlichtheit, die kosmopolitische, feminin-defensive Atmosphäre.“ Und ausgerechnet dort muss ich nachher hin.


Heute vor vierundvierzig Jahren wurde der 17-jährige Lehrling Richard Epple von einem Polizisten erschossen, der angab, den jungen Mann für ein Mitglied der RAF gehalten zu haben.

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Published on March 01, 2016 02:19

January 18, 2016

Januar 2016

Montag, 18. Januar 2016 – Sechzehnuhrnull, minus dreikommaacht. Schön blau noch der Himmel. Am Morgen Lauf auf den Lohrberg. Ganz okay.


Das ganze Ausmaß der Verblödung im Land ist nach den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht offenbar geworden. Es scheint, als lasse sich mit kaum noch jemandem vernünftig darüber reden. Als hätten alle nur auf einen solchen Vorfall gewartet. Keiner will abseits stehen, wenn es gilt, öffentlich Tritt zu fassen. Da hört sich die Sahra Wagenknecht an wie der Winfried Kretschmann wie der Sigmar Gabriel wie der Armin Laschet wie der Joachim Herrmann wie die Frauke Petry wie die Tanja Festerling.


Vielleicht ist es ja so: Uns fallen gerade fünfhundert, wenn nicht mehr als tausend Jahre bigotter, heuchlerischer, imperialer, grausamer, vor allem aber: einträglicher europäischer Politik auf die Füße, einer Politik, die uns reich und die anderen arm gemacht hat. Den späten südlichen Opfern dieser Politik, die sich jetzt auf die Reise machen, ist es egal, ob wir sie willkommen heißen oder nicht. Sie kommen, wenn sie irgend können, so oder so. Wer nichts zu verlieren hat, ist angstfrei. Sie sind nicht „gut“. Wir und unsere, an einem „ökonomisch starken“ Europa interessierten Vorfahren haben alles getan, das zu verhindern. Wie soll jemand, der gequält, versklavt, ausgebeutet, missbraucht, erniedrigt wird, wie soll so jemand „gut“ werden? Opfer sind in den seltensten Fällen gut. Sie, die Opfer, tun, wenn sie können, das, was wir mit ihnen getan haben. Wenn sie Männer sind, tun sie mit europäischen Frauen das, was europäische Männer mit den Frauen von ihnen immer getan haben, und sie halten von Frauen das, was europäische Missionare oder deren muslimische Brüder sie gelehrt haben, dass man von körperlich Schwächeren, also von Frauen, von Mädchen oder Knaben halten solle. – Die Regensburger Domspatzen wissen ein Lied davon zu singen.


Mag ja sein, dass wir mehr Sozialarbeiter brauchen, mag ja sein, dass der arabischen Welt eine Aufklärung fehlt. Mag auch sein, dass ein bisschen Zeit gewonnen wäre mit mehr deutschen Ausbildern und Flugzeugen in Syrien und mit mehr Polizisten auf der Kölner Domplatte. Aber wenn es denn überhaupt noch etwas gibt, das das nächste, ganz große Schlamassel (um es nicht Krieg zu nennen) verhindern kann, dann ist es – das sei nicht nur Dir, deutscher wohltätiger Privatbankier, deutscher, das Gesamtwohl im Auge behaltender Konzernchef, das sei auch Dir, deutscher sozialdemokratischer Facharbeiter und deutscher, bis in den Sarg versorgter Lehrer, deutscher duckmäuserischer Lokalredakteur und deutscher gewitzter Gewerkschaftssekretär gesagt – wenn überhaupt noch etwas das Schlimmste verhindern kann, dann ist es einzig: die Umverteilung. Wenn Du, ich, wenn wir alle nicht endlich bereit sind, wieder etwas von dem abzugeben, was wir dem Rest der Welt auf ganz direkte oder kaum merkliche, weil angeblich „tariflich hart erkämpfte“ Weise abgeräubert haben, dann wird uns die ganze Scheiße um die Ohren fliegen. Unsere Banken, unsere Villen, unsere Reihenhäuser, selbst unsere Mietwohnungen, unsere Golfs, unsere Riesterverträge und unsere friedlichen Sonntagsfrühstücke. So wird es sein. Umverteilung oder Untergang! Wer alt genug ist, kann hoffen vorher zu sterben. Das scheinen die meisten in meiner direkten Umgebung, um nicht weiter nachdenken zu müssen, gerade zu tun. Das ist alles. Mehr ist nicht zu sagen: Umverteilung oder Untergang! Auf Wiedersehen.


Und das heute, an einem Tag, da Oxfam bekannt gibt, dass „62 Personen so viel besitzen wie die Hälfte aller Menschen“.


Tot ist der Schriftsteller Anton Kuh, der sich gerne mit den Worten vorstellte: „Kuh – alle Witze schon gemacht.“

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Published on January 18, 2016 07:15

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