42. Kapitel – Ertappte Lügen
»Lass den
Jungen gehen«, rief Glenna dem Cusith zu.
Sie konnte
Janet nicht zurückhalten. Aber sie konnte dafür sorgen, dass Aidan nichts
geschah.
WIR HALTEN
UNSER WORT, knurrte der Cusith zur Antwort.
»Das ist mir
egal«, bestand Glenna. »Schick ihn her.«
Für einen
Moment lieferten sie sich ein Duell mit Blicken, während dessen Janet immer
näher an ihn herantrat.
Glennas
Gedanken und ihr Herz rasten.
Es musste
eine andere Lösung geben!
Der Cusith
knurrte, stieß Aidan dann aber mit seiner Schnauze an, was ihm wieder einen
Aufschrei entlockte.
»Komm her,
Aidan«, rief ihm Glenna zu. »Keine Angst. Er wird dir nichts tun.«
Aidan setzte
einen zittrigen Fuß vor den anderen und Glenna machte bereits einen Schritt auf
ihn zu, als der Cusith mit einem Satz wieder neben dem Jungen stand.
DU
BLEIBST, WO DU BIST, MISCHKREATUR, bellte er und
Glenna verharrte.
Aidan
schluchzte nun unkontrolliert und schien nicht fähig, weiterzugehen.
»Aidan«,
sagte Glenna und etwas Stränge lag in ihrer Stimme.
»Aidan, geh
zu Glenna, ja?«, sagte Janet mit zittriger Stimme. »Es wird alles gut. Ich
verspreche es.«
Glenna streckte
die Arme aus und Aidan setzte sich wieder in Bewegung.
Schmerzhaft
langsam bewegten sie die beiden über das Feld. Als sie auf gleicher Höhe waren,
drehte sich Aidan zu seiner Mutter und streckte die Arme nach ihr aus.
WEITERGEHEN!, bellte der Cusith sofort und Aidan wurde erneut von einem Heulkrampf
geschüttelt.
Auch Janet
weinte, aber sie hielt eine Hand auf den Mund gepresst, um die Laute zu
unterdrücken.
Als Aidan in
Greifnähe war, fasste Glenna nach seinem Jackenärmel und zog ihn an sich heran.
Sie presste seinen Kopf an ihre Brust und hielt ihn so fest sie konnte. Sein
Körper bebte und seine Arme hingen schlaf an seinen Seiten herab.
Janet hatte
den Cusith erreicht und sie standen sich Auge in Auge gegenüber. Die Sekunden
zogen sich dahin und Glenna fragte sich, was für eine stumme Konversation
zwischen den beiden wohl stattfand.
Schlussendlich
ging Janet weiter in Richtung Waldrand. Auch der Cusith wandte sich ab und ging
langsam, noch immer humpelnd neben ihr her.
Mit einem
zerrissenen Herzen beobachtete Glenna, wie die beiden beinahe in der Dunkelheit
verschwanden. Bis eine kurze Bewegung von Janets rechter Hand Glenna die Stirn
runzeln ließ.
»Cusith!«,
rief Glenna sofort und das Tier hielt im Schritt inne.
WAS WILLST
DU NOCH, BONNIE BAHOOKIE? DER HANDEL IST BESCHLOSSEN,
sagte er laut, aber ohne die Wut von zuvor.
»Du wolltest
wissen, warum ich meine Meinung geändert habe. Ich habe dir nicht die Wahrheit
gesagt.«
Der Cusith
hob den Schädel und wandte sich tatsächlich noch einmal in ihre Richtung.
Der Moment
reichte, damit Janet den langen Dolch in ihrer Hand anheben konnte.
Sofort zuckte
der Cusith herum, doch es war zu spät.
Mit einem
Schrei hatte Janet die Klinge mit beiden Händen umgriffen und sie mit aller
Kraft in seinem Nacken versenkt.
Der Cusith
jaulte auf und seine Beine gaben sofort unter ihm nach. Er versuchte,
hochzukommen, doch Janet warf sich mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn.
Glenna stieß
Aidan von sich, um Janet zur Hilfe zu eilen.
Aber als sie
sie erreichte, hatte das markerschütternde Jaulen bereits aufgehört und der
grüne Körper unter Janet lag schlaff und regungslos im Schlamm.
»Janet«,
keuchte Glenna und half ihr auf die Beine.
Die Frau
nickte nur schwer atmend und ließ sich helfen.
Dann starrten
sie beide auf den leblosen Körper des Cusith.
»Was war das
für ein Ding?«, flüsterte Janet und Glenna schüttelte den Kopf.
»Ich weiß es
nicht«, log Glenna, vielleicht etwas zu schnell.
Janets Kopf
fuhr zu ihr herum und Glenna war schockiert, wie ernst und hart ihr Gesicht
war.
»Lüg mich
nicht an, Glenna. Es hat mit dir gesprochen, als ob es dich kannte. Du hast es
bei einem Namen genannt.«
Glenna hob
überrascht die Augenbraue, wusste aber nicht, was sie darauf erwidern sollte.
Als Aidan
herangestürmt kam und sich in die Arme seiner Mutter warf, verschwand der
düstere Ausdruck von Janets Gesicht und sie knieten beide eng umschlungen und
weinend im Gras.
Glenna warf
einen letzten Blick auf den toten Cusith, dann zog sie sich ungehört zurück.
Vorschau auf das Kapitel „Zwei Geständnisse“ von nächster Woche:
»Ich habe den Púca dafür gehasst, dass er mir das Angebot gemacht hat. Und ich habe mich dafür gehasst, dass ich angenommen habe.«
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